„Baukultur? - Der Ton ist rauer geworden“

Von Robert Bialek
Über viele Jahre, spätestens seit dem Abgeben der Unteren Denkmalbehörde an das Landratsamt im Jahr 2012, setzte in unserer Stadt ein schleichender Prozess ein, der unter anderem in nur schwer hinnehmbaren Neubauten und entsprechendem Protest von Anwohnern im Jahr 2020 mündete. Die vielfältigen Bemühungen des Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. wurden mit Ausnahme des Bismarckturmes und der Verleihung des Bauherrenpreises, gemeinsam mit der Stadtverwaltung, in der Öffentlichkeit immer spärlicher wahrgenommen. Einige Mitglieder des Vereins geben auf, da sie keine Möglichkeit der qualifizierten Einflussnahme mehr sehen.

Erst seit den Ereignissen zur Zukunft des Bussard-Weinberges, den Bebauungsplänen des Hohenhaus-Geländes an der Mittleren Bergstraße, der Bebauung am Augustusweg, der Diskussionsrunde im Kultur-Bahnhof im Februar vergangenen Jahres und mehreren (guten) Beiträgen in der Sächsischen Zeitung ist die Baukultur in Radebeul wieder als Thema wahrnehmbar. Jedoch spielt sich alles auf einer anderen Ebene ab als zu der Zeit, da Radebeul freiwillig eine untere Denkmalbehörde sein Eigen nannte. Der Ton ist rauer geworden!
Einerseits gewinnt man den Eindruck, dass das Wort Baurecht zum Gummibegriff mutiert ist, und dass andererseits erst nach Bürgerprotesten darüber diskutiert wird.
Was Radebeul eigentlich ausmacht
Unsere Stadt profitiert von vielen natürlich gegebenen Umständen, wie den Weinhängen der Lößnitz und der Flusslandschaft der Elbe. Südlich der Meißner Straße prägen alte Dorfkerne, teils noch durch landwirtschaftliche Nutzflächen voneinander getrennt, das Bild. Oberhalb der Meißner Straße dann die Straßenzüge der Villenkolonien in Nieder- und der Oberlößnitz mit ihren Übergängen in die Weinberge und Waldflächen. Hunderte Solitäre gehören zur Bebauung, die zum größten Teil aus der Zeit von 1870 bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts stammen und die in großer Zahl die Denkmalliste Radebeuls bereichern.

Der Lößnitzgrund mit der Schmalspurbahn, großzügige Parks und Gärten mit alten Baumbeständen lockern diese Baustruktur in seltener Schönheit auf! Und auch Neues, wie das Stadtteilzentrum von Radebeul-Ost um den Kultur-Bahnhof, bergen einfach angenehme und hochwertige Lebensumstände. Blickbeziehungen von verschiedenen Standorten, wie zum Jacobstein, zum Minckwitz’schen Weinberghaus und zur Hoflößnitz aus vielen Richtungen reichern das Gesamtbild noch an.
Das Problem für unsere Stadt
Wo liegt das Problem für unsere Stadt? Radebeul ist in Besitz einer sehr wertvollen Denkmal- und Altbausubstanz. Ganze Straßenzüge zeigen wie im Lehrbuch, was man als Bauherr in Radebeul tun könnte oder sollte und was gerade nicht. Es ist also nicht schwer, auf nur einem Spaziergang durch die Villenviertel zu erkennen, wie groß Abstandsflächen wirklich sein müssten, was Grünflächen und Baumbestand für das Stadtbild und das Wohlbefinden der Einwohner bedeuten, wie Einfriedungen aussehen können und vieles mehr.

Welches Tun und Treiben lassen wir aber zu? Große Grundstücke werden geteilt, ohne auf den Überbauungsgrad des verbliebenen Teiles zu achten. Der Abriss der historischen landhausartigen Bausubstanz schädigt unser Stadtbild dauerhaft. Neue Gebäude wenden dem öffentlichen Raum den Rücken zu. Da werden Gebäude auf Grundstücke gesetzt, die eigentlich als Park gestaltet sind, um mit gebietsuntypischem Allerweltsaussehen und überdimensionierten Baumassen den umliegenden historischen Baubestand zu dominieren und nicht im Ansatz versuchen, sich einzufügen. Dort pflanzt selten jemand auch nur einen Baum, der in 30 Jahren diesen Namen auch nur im Geringsten verdienen wird. Es kommen Baustoffe zum Einsatz, die weder eine regionale Herkunft haben, noch nach heutigen Erkenntnissen in irgendeiner Form recycelbar oder wieder-verwendbar sind. Das Wort Fassadengestaltung möchte ich gar nicht erst bemühen.
Viele Neubauten (Augustusweg, Burgstraße, Borstraße, Wilhelmstraße, Friedsteinstraße, Dr.-Külz-Straße, Jägerhofstraße, Auf den Bergen, Meißner Straße in Ost und Mitte) führten zu Diskussionen – die jedoch nicht in ein städtisches Gesamtkonzept im Umgang mit Alt- und Neubau mündeten. Riesige Stellplätze und Einfahrten in Tiefgaragen lassen nur noch mangelhaft aussehende Einfriedungen zu.

Typische Bruchsteinmauern werden geopfert oder unsachgemäß wieder hergestellt. Überdimensionierte, genehmigungspflichtige Stützmauern entstehen in den Hanggrundstücken oder entlang deren Gehwegrücklagen.
Große Baumassen lassen ursprüngliche Blickbeziehungen (Schildenstraße, Kreuzung Meißner Straße, war der Anfang, Meißner Straße zum Jacobstein reiht sich nun leider ein) verschwinden – für das, was man mit Radebeul verbindet und weshalb man hier wohnen möchte, fehlt die gefühlvolle Hand.
Wir zerstören nachhaltig, was uns durch das Geschenk der Wende 1989 gegeben wurde! Das Geschenk hieß nicht ungebremste Baufreiheit, sondern Gestaltungsfreiheit mit gleichzeitiger Verpflichtung zur Bewahrung unseres Lebensraumes im Sinne eines gemeinsamen Interesses der Stadtgesellschaft.
Die untere Denkmalbehörde
Radebeul hatte mit der Unteren Denkmalschutzbehörde einen Faustpfand in der Hand, wie kaum eine andere Stadt dieser Größenordnung in unserer Region. Der Denkmalschutz hat für Radebeul in seiner einmaligen Struktur der Bebauung einen weit überdurchschnittlichen Stellenwert. Allein die Anzahl der Baudenkmale (über 1.000) im Verhältnis zur Gesamtbebauung drückt diesen deutlich aus.
Die Behörde vor Ort ermöglichte rasches Handeln, Orts- und Sachkenntnis, Bürgernähe, „Baukontrolle“ und vieles mehr! Nicht nur diese wichtigen Umstände sind es, die eine Denkmalschutz-Akzeptanz unter den Bauwilligen hervorruft, die zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft zwingend notwendig ist. Diese über Jahrzehnte hart erarbeitete Akzeptanz löst sich in beschleunigendem Tempo in Nichts auf. Nicht einmal mehr die Gebietssatzung zum Schutz der historischen Weinberglandschaft hält heute noch stand. Was soll dann eine neue Erhaltungssatzung bringen, wenn die vorhandenen Satzungen nicht strikt durchsetzbar sind?

Deshalb die klare Forderung: Radebeul benötigt dringend wieder eine eigene untere Denkmalbehörde oder zumindest ein vom Landratsamt regelmäßig besetztes Büro! Es muss eigentlich in der Stadt von vornherein klar sein, dass erst gar kein Antrag, wie das Baubegehren auf dem Bussard-Weinberg, gestellt werden braucht.
Satzungen und kommunale Bebauungspläne sind ein probates Mittel und genügend Öffentlichkeitsarbeit dazu zumindest eine Willensbezeugung. Allerdings nicht, wenn Satzungen gar nicht erst beschlossen werden und Bebauungspläne zu spät oder in aller Hektik aufgestellt werden. Deshalb die klare Forderung: Radebeul muss seine Planungshoheit beherzt und mutig nutzen. Wir brauchen kommunale anstelle von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen. Der Wasapark wäre dazu ein gutes Beispiel gewesen, leider zu spät.
Deshalb die klare Forderung: Radebeul braucht einen Gestaltungsbeirat! Dazu gehören neben den Architekten und Stadtplanern auch die Bauträger, denn nur gemeinsam kann man zu vernünftigen Ergebnissen kommen.

Auch das Schwert der Denkmalpflege muss gemeinsam geführt werden, am besten natürlich wieder mit einer eigenen städtischen Behörde. Dass es nicht nur mit privaten Bauherren eine fruchtbare Zusammenarbeit gibt, beweisen viele positive Beispiele in unserem Stadtbild - das Wohnareal der Besitzgesellschaft am Rosa-Luxemburg-Platz (nur noch die Bäume fehlen), das Grundstück Weintraubenstraße 9, sanierte Schulhäuser und nicht zuletzt die gelungene Stadtteilsanierung in Radebeul-Ost und -Altkötzschenbroda. Zusätzlich verweise ich noch einmal auf die lange Liste der Bauherrenpreisträger dieser Stadt!
Sehr hoffnungsvoll stimmt die Tatsache, dass seit der Diskussionsrunde im Kultur-Bahnhof einige wichtige Bausteine, wie vermehrte B-Pläne und Satzungsentwürfe, auf den Weg gebracht worden sind.