In Radebeuls Partnerstadt Obuchiw sind die Granateinschläge zu spüren

Radebeul/Obuchiw. Radebeul hat eine Partnerstadt in der Ukraine. Obuchiw liegt im zentralukrainischen Bezirk Kiew mit knapp 40.000 Einwohnern. Die Stadt befindet sich etwa 45 Kilometer südlich von Kiew und nahe der Stadt Ukrajinka am rechten Ufer des Dnepr. Viele von hier pendeln zur Arbeit in die Hauptstadt der Ukraine. Das wird gerade sehr schwierig.
Am frühen Donnerstagmorgen hat die Radebeuler Stadtverwaltung versucht, Verbindung zur Partnerstadt aufzunehmen und sich zur Situation dort zu erkundigen. Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos): „Zur Stadtverwaltung haben wir keine Verbindung bekommen, aber zur Berufsfeuerwehr der Stadt. Die Kameraden haben uns berichtet, dass sie in der Stadt die Erschütterungen der Granateinschläge spüren und die Detonationen hören. Das passiert am Flughafen von Kiew, der nur etwa 20 Kilometer von Obuchiw entfernt ist. Etwa so weit wie Klotzsche von Kötzschenbroda.“
In Obuchiw sei das Internet komplett zusammengebrochen. Die Straßen sind gesperrt worden. Es gäbe Informationen, dass auch wichtige Brücken rund um die Stadt angegriffen würden.

Betten für das Krankenhaus
Seit 1999 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Radebeul und damals noch Obuchow. Statt mit o vor dem w schreibt sich die Stadt seit 2014 mit i statt o vor dem w. Das ist die ukrainische Schreibweise und Aussprache des Stadtnamens. Wendsche: „Es war deutlich zu spüren, dass sich die Ukrainer seit den separatistischen kriegerischen Auseinandersetzungen in den östlichen Regionen nationalistischer entwickeln, auch die Kirche stärker im Leben auftritt. Und das, obwohl viele Ukrainer familiäre Beziehungen nach Russland haben.“
Radebeul - und nicht nur die Stadtverwaltung - haben immer versucht, die Menschen in der Partnerstadt vor allem sozial zu unterstützen. So wurde schon um 2000 ein Inkubator auf Initiative des damaligen OB Volkmar Kunze nach Obuchiw gebracht. Mithilfe der Johanniter wurde organisiert, dass Pflegebetten für das dortige Krankenhaus beschafft werden konnten. Sportstättenchef Titus Reime, in der Regionalführung der hiesigen Johanniter engagiert, hatte das damals wesentlich mit auf den Weg gebracht.
Auch haben hiesige Mediziner - darunter der ehemalige ärztliche Direktor der Elblandklinik Radebeul, Dr. Bernd Uhlemann, und Bürger gespendet, damit das Obuchiwer Krankenhaus ein Röntgengerät bekommen konnte. Bernd Uhlemann: „Die Ärmlichkeit im Krankenhaus war für uns frappierend. Es gab vielfach nicht mal Bettwäsche. Alle neueren Gerätschaften trugen Aufkleber von Spendern wie den Johannitern oder dem Arbeiter Samariter Bund.“


Flüchtlinge aus der Grenzregion
Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr von Radebeul haben viele der Hilfstransporte begleitet und auch ihre befreundeten Kameraden in Obuchiw unterstützt. Vor allem mit Materiallieferungen wie Kleidung und Schutzausrüstung. Sogar innerhalb der Wasserwirtschaft gab es unkomplizierte Hilfe zwischen den Partnerstädten. So unterstützten die hiesigen Fachleute die Ukrainer dabei, ihre Wasserverluste durch lecke Leitungen zu minimieren, indem sie ihnen per Sonar die Suche nach Löchern ermöglichten. 2017 spendete die Radebeuler Firma Neru der Stadt Obuchiw eine Kehrmaschine. Radebeuler Schüler gedenken in Zeithain am ehemaligen Kriegsgefangenenlager den elf hier einst verstorbenen Männern aus der Partnerstadt.
Regelmäßig waren Delegationen aus Obuchiw Gäste beim Herbst- und Weinfest in Kötzschenbroda. OB Wendsche berichtet davon, dass sich die ukrainische Stadt Obuchiw mit der Industrialisierung von einer Kleinstadt her deutlich entwickelt hat und die Bevölkerungszahl in den letzten Jahrzehnten auf das Doppelte angestiegen ist. Auch deshalb, weil sich hier mittlerweile mindestens 10.000 Flüchtlinge aus den Grenzgebieten zu Russland angesiedelt haben.
Am Donnerstagnachmittag meldete sich Matthias Lang, Geschäftsführer der Kinderarche Sachsen mit Sitz Radebeul. Die Kinderarche hat über viele Jahre ein Kinderheim in der westukrainischen Stadt Khmelnytskyi mit begleitet und Kinder von dort in die Ferien hierher geholt. Er habe gerade mit einer Heimbetreuerin von dort gesprochen. Diese habe geschildert, dass die Menschen jetzt vor Lebensmittelläden und Apotheken Schlange stehen, weil sie Angst haben.