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Radebeul: "Papa, kaufe mir bitte eine Pistole"

Nach zwei Jahren Zwangspause können sich die Organisatoren der Karl-May-Festtage in Radebeul über einen Besucheransturm freuen.

Von Ines Mallek-Klein
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Claudius (8) und sein Papa Tobias Böhme sind eigens aus dem Vogtland angereist, um bei den Karl-May-Festtagen 2022 dabei sein zu können.
Claudius (8) und sein Papa Tobias Böhme sind eigens aus dem Vogtland angereist, um bei den Karl-May-Festtagen 2022 dabei sein zu können. © Arvid Müller

Radebeul. Es wird aufgerüstet im Lößnitzgrund. Dabei geht es allerdings nicht um die angespannte politische Weltlage, sondern um den schlichten Kinderwunsch, das Karl-May-Fest in Radebeul mit entsprechender Bewaffnung erleben zu wollen. Die Pistolen sind aus Plastik und mit ein bisschen Glück überstehen sie die drei Festtage in Radebeul.

Ein Porzellanpferd für Gojko Mitic

Mit zwei Jahren Verspätung bekam Gojko Mitic im Karl-May-Museum sein Geschenk überreicht, ein weißes Porzellanpferd aus der Manufaktur in Meißen.
Mit zwei Jahren Verspätung bekam Gojko Mitic im Karl-May-Museum sein Geschenk überreicht, ein weißes Porzellanpferd aus der Manufaktur in Meißen. © Arvid Müller

Erstmals dreht sich nicht nur entlang der Bahnstrecke alles um Indianer und den wilden Westen. Auch das Karl-May-Museum ist Teil des Veranstaltungsgeländes und wurde am Sonnabend dicht belagert. Gojko Mitic, der ostdeutsche Chefindianer, gab sich die Ehre, inzwischen 81-jährig. Für Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche geht an diesem Nachmittag ein Wunsch in Erfüllung. Endlich kann er Gojko Mitic sein Geburtstagsgeschenk überreichen, das er eigentlich schon vor zwei Jahren erhalten sollte. Ein Pferd aus Meißner Porzellan, extra angefertigt in der Manufaktur für den Pferdefan Mitic.

Der freute sich sichtlich über das Präsent und auch über die zahlreichen Fans, die auf einen Schnappschuss hofften oder auf eine Autogrammkarte warteten. Zu ihnen zählte das Ehepaar Pretzsch aus der Weinbrandstadt Wilthen. Seit 1999 gehören sie zu den Stammgästen des Festivals, immer mit Wochenendticket und Übernachtung, damit sich der Ausflug auch lohnt. Es ist das 27., vielleicht sogar 28. Autogramm, dass sie von Gojko Mitic mit nach Hause nehmen wollen. Das Thema Indianer begleitet die Eheleute seit den Kindertagen und wird es auch 2023 wieder tun.

Dann feiern die Karl-May-Festtage ihre 30. Auflage und das mit hoffentlich vielen Teilnehmern aus Übersee. Auf einige Vertreter der indigenen Völker mussten die Organisatoren in diesem Jahr nämlich verzichten. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine hatten sie von der Anreise abgehalten, sagt Oberbürgermeister Wendsche. Dafür sei es gelungen, nahezu alle Vereine und auch viele Händler wieder zum Mitmachen zu bewegen.

Die Fahrt im Lößnitzdackel inklusive

Und auch wenn sich mancher Händler etwas bessere Umsätze erhofft hat, das Festgelände war schon am Abend des Eröffnungstages gut gefüllt. Und auch am Wochenende hatte der Lößnitzdackel gut zu tun, die Festbesucher von A nach B zu bringen. Die Zugfahrt war im Ticket enthalten und viele Gäste nutzen die Chance, das Festgelände nicht nur zu Fuß, sondern auch vom Zug aus zu besichtigen.

Besonders eng wurde es auf den Wegen am Sonnabendnachmittag, als der Zugüberfall mit Ankündigung stattfand. Der Geruch von Pulverdampf lag nach dem kurzen Gefecht an den Schienen noch minutenlang in der Luft. Und die Büchsen knallten deutlich lauter als die Spielzeugpistolen der Kinder.

Geschichtsstunde im Schamanenkostüm

Die drei Schamaninnen vom Stamm der Raben aus Dresden.
Die drei Schamaninnen vom Stamm der Raben aus Dresden. © Arvid Müller

Unter das Festpublikum hatten sich auch drei Damen gemischt. Eingehüllt in dicke Pelze gehörten sie zu den Besuchern, die auch dann nicht fröstelten, wenn sich die Sonne hinter dicken schwarzen Wolken verkroch. Die zogen am Sonnabend gleich mehrfach drohend über das Festgelände. Doch der große Regen blieb aus und die Regenschirme konnten in den Rucksäcken bleiben. Die drei befellten Damen kamen aus Dresden.

Kerstin Daniel, die mit ihrem Kostümverleih für die fantasievolle Ausstattung zuständig war, Petra Treppte und Sonja Baderschneider hatten sich als Schamaninen vom Stamme der Raben verkleidet. Um den Hals selbstgestaltete Schneckenketten und in der Hand einen bunt bebänderten Stock, waren sie ein beliebtes Fotomotiv. Doch das allein ist nicht ihre Motivation für den Festbesuch. "Wir möchten den Gästen fremde Kulturen und die geschichtlichen Hintergründe näher bringen. Da ist vieles verloren gegangen in den letzten Jahren. Unsere Kostüme sind übrigens an die eurasischen Schamanen angelehnt", sagt Kerstin Daniel. Schamanen galten als Heiler ihrer Stämme, aber auch als Wahrsager. So soll sich Dschingis Khan einst sein Kriegsglück vorhersagen lassen haben. Er warf Schafsknochen in das Lagerfeuer. Ihr Platzen verriet, ob auf dem Schlachtfeld ein Sieg oder eine Niederlage bevorstand.

Für Kerstin Daniel und ihre Mitstreiterinnen ist die Zeitreise durch die Epochen kein Problem. Bereits einen Tag später werden sie als barocke Damen einen Geburtstag besuchen.

Gangster und Ganoven dominierten die Szenerie im Radebeuler Lößnitzgrund.
Gangster und Ganoven dominierten die Szenerie im Radebeuler Lößnitzgrund. © Arvid Müller

Neues Team im Kulturamt

Und während die einen Festbesucher mit großer Kamera auf den besonderen Schnappschuss hofften, genossen die anderen die kulinarischen Angebote. Die kamen einer Weltreise gleich, denn von Bruschetta und klassischer Bratwurst über Langos, Kassler im Biersauerteig und Knobibrot gab es bis hin zu Quarkdessert, Eis und gebrannten Mandeln nahezu alles, was das Besucherherz begehrte. Die Organisatoren hielten dabei an der bewährten Standordnung fest, was den Stammbesuchern die Orientierung erleichterte.

Und dennoch waren die diesjährigen Vorbereitungen der Karl-May-Festtage eine besondere Herausforderung, wie Bert Wendsche erklärte. Helmut Raeder ist als künstlerischer Leiter den Festtagen erhalten geblieben. Ansonsten musste sich im Radebeuler Kulturamt ein komplett neues Team der Herausforderung stellen, das Fest zu organisieren. In den Vorjahren zählten die Veranstalter bis zu 30.000 Besucher an den drei Festtagen. Und auch in diesem Jahr sind sie optimistisch, eine ähnliche hohe Gästezahl zu erreichen.