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Die junge und versteckte Besenwirtschaft an der Finsteren Gasse

Die Winzer von der Weinbaugemeinschaft Niederlößnitz haben mit "Zur Gemse" ihre eigene Besenschänke geschaffen. Ein verwildertes Grundstück machten sie zum idyllischen Ort mit Ausblick.

Von Silvio Kuhnert
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Carsten Puhlmann vom Vorstand der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Niederlößnitz sitzt auf einer von Vereinsmitgliedern selbstgebauten Bank und genießt Wein und Aussicht in der Besenschänke "Zur Gemse".
Carsten Puhlmann vom Vorstand der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Niederlößnitz sitzt auf einer von Vereinsmitgliedern selbstgebauten Bank und genießt Wein und Aussicht in der Besenschänke "Zur Gemse". © Norbert Millauer

Radebeul. Ein Besen weist am oberen Beginn der Finsteren Gasse den Weg. Hinter Bäumen versteckt befindet sich in Nachbarschaft zum Minckwitzschen Weinberghaus die Besenschänke "Zur Gemse". Im Gegensatz zum Weinbergpavillon aus der Barockzeit öffnet sich das Tor der Straußwirtschaft regelmäßig für Besucher. Unter Bäumen finden sich mehrere lauschige Plätze, zu denen geschwungene Pfade führen. Gerätschaften aus dem Weinbau, wie Wein- und Beerenpresse, stehen unter kleinen Häuschen. Vom Steinrücken aus öffnet sich zwischen Baumwipfeln der Blick auf Radebeul und das Elbtal. Weiter unten im Hang gedeiht Wein.

Das versteckte Paradies haben die Mitglieder der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Niederlößnitz geschaffen. In dieser engagieren sich rund 55 Freizeitwinzer im Nebenerwerb. Ihre Weinbauflächen liegen zwischen Lößnitzgrund im Osten und Jacobstein im Westen. Die Größe reicht von 150 Weinstöcken hinter dem Haus bis etwa 2.000 Quadratmeter Rebfläche, wie Carsten Puhlmann vom Vorstand der Weinbaugemeinschaft berichtet. Er ist im Verein für Projekte verantwortlich und solch eines ist die Besenwirtschaft "Zur Gemse".

Alte Laube wiederbelebt

"Die Idee zu einer eigenen Besenschänke ist im Gespräch mit Winzer Karl Friedrich Aust entstanden", berichtet Carsten Puhlmann. Dieser baut in der Weinlage Steinrücken vor allem seinen Riesling an. Oberhalb auf der Hangkante gedeiht ein kleiner Wald. Mittendrin steht eine Laube, die zu einem Garten- und Wochenendgrundstück zwischen und unter den Bäumen gehörte. Dieses wurde der Weinbaugemeinschaft als Besenwirtschaft vor drei Jahren angeboten. "Probiert es doch einfach, sagte Aust", erinnert sich Carsten Puhlmann.

Die Laube war sehr sanierungsbedürftig. Der Bereich, wo jetzt die Terrasse mit dem schönen Ausblick aufs Elbtal ist, war völlig zugewachsen. Die Mitglieder der Weinbaugemeinschaft gingen ans Werk. Sie brachten das Gebäude auf Vordermann, erneuerten Elektrik, Wasser und Innenausstattung. Zu einem Zeitpunkt, an denen die anderen Besenwirtschaften bereits schließen, öffneten die Hobbywinzer ihren Probebetrieb. Das war im Oktober 2020. "Viele Gäste haben uns zufällig entdeckt und gesagt, es sei toll hier", berichtet Puhlmann.

Sitzbänke aus Euro-Paletten gezimmert

Mitten im langen Corona-Winter 2021 stand die Weinbaugemeinschaft nach dem Probebetrieb vor der Frage, ob sie den Besenausschank weiter betreiben möchten. Eine Briefwahl wurde durchgeführt. "Das Votum war eindeutig", sagt Puhlmann. Also machten sich die Mitglieder weiter an die Arbeit. Aus Euro-Paletten zimmerten sie zum Beispiel Bänke, Stühle und Tische. "Dieses Holz war kostenlos", nennt Puhlmann den praktischen Grund. Die individuell gestalteten Sitzmöbel sind in dem parkähnlichen Gelände verteilt. Die Besucher können wählen, ob sie in einer etwas größeren Runde oder klein und intim sitzen wollen. Es gibt sonnige und schattige Plätzchen unter Bäumen sowie unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse. Wein schenken die Mitglieder der Weinbaugemeinschaft unter anderem von der Winzergenossenschaft Meißen aus. Die Trauben dafür haben sie selbst angebaut.

Die Besenschänke "Zur Gemse" betreiben die Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit. Keiner bekommt Geld dafür, dass er im Ausschank arbeitet, den Abwasch tätigt oder am Gestalten des Geländes mitwirkt. Die Gemse ist weiter am Wachsen. So kamen im vorigen Jahr die Häuschen mit den Weinbaugeräten unter dem sicheren Dach hinzu. Hilfe haben die Weinbauer von der Berufsschule für Bau bekommen. "Es sind die ersten Lehrlingsarbeiten der angehenden Zimmermänner", klärt Puhlmann auf.

Wiederbelebung des Gemssteigs

Für ihren Ausschank hat die Weinbaugemeinschaft keinerlei Werbung gemacht. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda sprach sich der idyllische Ort herum und ist zu einem Geheimtipp geworden. Zum Konzept gehört nicht nur allein der Genuss von Wein und Landschaft. Die Hobbywinzer haben sich auch die Vermittlung des Wissens über den Weinbau auf die Fahnen geschrieben. So kann jeder Besucher mit ihnen dazu ins Gespräch kommen. Am ersten Freitag eines Monats bieten sie eine Informationsveranstaltung an. Entsprechend der Jahreszeit klären sie über Rebschnitt, das Binden, die Laubarbeit oder die Lese auf. Auch Buchlesungen, Konzerte und Vorträge haben sie in ihrer Besenschänke bereits auf die Beine gestellt. Weitere Veranstaltungen sind geplant.

Der Name "Zur Gemse" kommt vom Gemssteig, der gleich neben der Besenwirtschaft beginnt. Hierbei handelt es sich um einen alten, total verwachsenen Weg, der früher von der Finsteren Gasse hinunter zur Oberen Bergstraße verlief. Heute kann man diese Wegeverbindung zwischen dem Oberland und dem Stadtteil Niederlößnitz nicht mehr begehen. Die Weinbaugemeinschaft engagiert sich dafür, dass der Weinbergweg als Wanderweg reaktiviert und wieder hergestellt wird.

Saisonschluss Ende Oktober

Gewinn steht bei der Bewirtschaftung der Schänke nicht im Vordergrund. "Wir wollen den Weinbau präsenter machen", sagt Puhlmann. Die Einnahmen, die die Hobbywinzer mit dem Weinausschank in ihrer Freizeit machen, geben sie für ihre Projekte aus. Dazu gehört das weitere Ausgestalten des Geländes. Zum Beispiel ein Zeltlager für Pfadfinder können sich die Weinbauer auf der noch brachliegenden Fläche ihrer Besenwirtschaft vorstellen. Auf dem Weinberg mit der Friedensburg legen sie derzeit einen Schauweinberg an. Das Lößnitzgymnasium unterstützen sie bei dem WiR-Projekt. Im Rahmen des Projektunterrichts "Wirken in Radebeul" hat die Klasse 6/1 einen Flyer zum Weinbau für Kinder herausgebracht. Mit der Besenwirtschaft hat die Weinbaugemeinschaft auch einen Vereinstreffpunkt bekommen, wo sich die Mitglieder zu Beratungen und zur Weiterbildung treffen.

Die Saison in der Besenschänke "Zur Gemse" beginnt Ende Mai. Sonnabend und Sonntag ab 13 Uhr werden Besucher empfangen. Wie Puhlmann informiert, darf eine Straußwirtschaft nur vier Monate im Jahr geöffnet sein. Deshalb pausiert derzeit der Betrieb. Am letzten Augustwochenende öffnet sie zu den Tagen des offenen Weingutes wieder. Im September stehen mehrere Veranstaltungen an. Saisonschluss ist Ende Oktober.

https://weinbaugemeinschaft-niederloessnitz.de/Besenschaenke