Hilfe für den Einzelhandel oder großer Flop?

Radebeul. Während Einzelhändler derzeit immer nur einen Kunden nach vorheriger Terminbuchung in ihren Geschäften empfangen dürfen, bilden sich vor den Postfilialen immer wieder Schlangen. Konsumenten, die über das Internet Artikel bestellt haben, senden diese retour, weil beispielsweise die Hose oder das Hemd nicht passen, oder gleich verschiedene Modelle und Größen zur Anprobe sich schicken haben lassen.
Der Radebeuler Manfred Meyer sieht hierin nicht nur einen Umweltfrevel wegen des Verpackungsmülls, des Vernichten zurückgesendeter Waren und der Auspuffgase, die die Fahrzeuge der Paketdienste in die Luft blasen. Sondern er sorgt sich um den Einzelhandel in der Innenstadt. Jüngst ist der Eigentümer des Sarrasanihauses und des benachbarten Gewerbeparks an der Gartenstraße sowie des Gewerbehofs Kötitzer Straße durch Dresdens Zentrums gelaufen und war schockiert über zugeklebte Schaufenster, weil die Inhaber bereits aufgegeben haben oder Räumungsverkäufe ankündigen.
"Um dieses signifikante Ladensterben zu stoppen, ist es meines Erachtens erforderlich, durch schnelles Handeln gleiche Wettbewerbsbedingungen zum Online-Handel zu schaffen. Alles Schönreden und gut gemeinte Appelle zum Einkaufen in Einzelhandelsgeschäften helfen wenig", hat Meyer an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geschrieben. An diesen appelliert der Radebeuler, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.
Anreiz für Kunden schaffen
Ganz konkret schlägt Meyer unterschiedliche Umsatzsteuer-Höhen für Waren, die über das Internet bestellt oder in Läden gekauft werden, vor. Und zwar sollten für den Online-Handel ein Steuersatz von 19 Prozent und im Einzelhandel ein ermäßigter Satz von 16 Prozent gelten. In seinem Schreiben hat Meyer eine Beispielrechnung aufgemacht. Ein Produkt mit einem Netto-Wert von 100 Euro würde sich im Online-Handel durch Versandkosten und einer Verpackungsabgabe, die er den Internethändlern zusätzlich aufbrummen würde, und der Mehrwertsteuer auf 130,90 Euro brutto verteuern. Ein Artikel im Einzelhandel summiert sich der Warenwert plus Mehrwertsteuer auf einen Endpreis von 116 Euro. "Durch die Preisdifferenz von 14,90 Euro im angegebenen Beispiel wird dem Kunden ein Anreiz geschaffen, das gleiche Produkt für weniger Geld im Einzelhandel zu kaufen", meint Meyer.
Bereits im vergangenen Jahr galt ab Sommer sechs Monate lang ein um drei Prozentpunkte reduzierter Mehrwertsteuersatz. Diese Absenkung sei bei den Kunden auf wenig Resonanz gestoßen, berichtet Susan Gommlich vom Dessous-, Bademoden- und Nachtwäschegeschäft Susan W. an der Bahnhofstraße in Radebeul-West. Sie hat nicht beobachten können, dass dadurch bei ihr mehr gekauft wurde.

Eine interessante Idee, findet Julia Kull vom Kinderfachgeschäft Zwergperten in Radebeul-Ost: "Sie ist sicher schwer umzusetzen." Bei der Umsatzsteuersenkung im vorigen Jahr wurde kein Unterschied zwischen stationärem Einzelhandel und Online-Handel gemacht. Sie betreibt beides. Eine unterschiedliche Besteuerung würde für sie einen größeren Aufwand bedeuten.
Der Aufwand, die Computerprogramme für die Buchhaltung zu ändern, sei am Ende größer gewesen als der Nutzen. "Dass wir mit Hygienekonzepten öffnen dürfen, hilft uns mehr als eine gesenkte Umsatzsteuer", sagt Gudrun Ast, Inhaberin der gleichnamigen Parfümerie. Die jetzige Lösung, dass Kunden mit einem negativen Tagestest die Geschäfte aufsuchen dürfen, sei wunderbar.
Steuersenkung führt nicht zu niedrigeren Preisen
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu lindern, hatte die Bundesregierung im vorigen Jahr umfangreiche Maßnahmen beschlossen. Dazu zählte auch das Absenken der Umsatzsteuer im zweiten Halbjahr. „In der Rückschau stellte sich diese Maßnahme als einer der größten Flops heraus, da die öffentlichen Kassen zwar massive Einnahmeverluste bei den Steuern verzeichnen mussten, parallel aber nicht der erwartete Kaufimpuls bei den Kunden ausgelöst wurde“, berichtet Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Letzteres hätten viele erwartet, denn man erliege leicht dem Irrtum, dass eine Steuersenkung zu niedrigeren Preisen führen würde.
„Das ist aber nicht der Fall. Für den privaten Endverbraucher werden Waren immer mit einem Bruttopreis ausgewiesen, wie viel Steuer sich darin versteckt, wird gar nicht ersichtlich“, so Fiehler. Das bedeutet im Umkehrschluss, „gibt der Händler die geringere Steuer nicht ganz oder teilweise an seine Kunden weiter, steigert er damit einfach seine Gewinnmarge etwas – was insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten völlig nachvollziehbar ist“, führt der IHK-Sprecher weiter aus.
Sinkende Preise oder andere finanzielle Anreize, wie Prämien, wiederum führten zwar häufig zu kurzfristigen Absatzzuwächsen, bedeuten andererseits aber nicht, dass daraus ein dauerhaftes Absatzplus entstehe. „Die Leute essen und trinken letztlich nicht mehr, brauchen selten noch einen zweiten oder dritten Fernseher, haben auch nicht mehr Tage Urlaub, um noch eine weitere Reise anzutreten. Im Zweifelsfall bleibt der Konsum in etwa gleich und die Sparquote steigt“, teilt Fiehler mit. Zudem wäre eine solche Trennung der Steuersätze innerhalb einer Branche wettbewerbsrechtlich nicht zulässig.
Keine Steueränderung geplant
Die Einführung einer Sondersteuer für den Online-Handel oder Steuererleichterungen für den stationären Einzelhandel seien derzeit nicht geplant, antwortet das Team Bürgerdialog des Bundeswirtschaftsministeriums auf Meyers Brief. Für beides sei das Finanzministerium zuständig. Das Problem einer „notwendigen (Wieder)Belebung des stationären Einzelhandles in den Innenstädten“ sei dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt: „Daher erarbeiten wir gerade in Zusammenarbeit mit zahlreichen Akteuren neue Konzepte.“ Dabei wird aber nicht beabsichtigt, den Online-Handel gegen den stationären Handel auszuspielen. „Im Gegenteil, wir müssen beide miteinander versöhnen“, heißt es aus Berlin.