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Minister über OB Wendsche: "Sein Agieren jetzt ist das schlechte Gewissen"

Nach der Schelte des Radebeuler OBs wegen der ausbleibenden Förderung für den Ausbau der Meißner Straße gen Freistaat, meldet sich Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) zu Wort.

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Verkehrsminister Martin Dulig erklärt die neue Förderpraxis im kommunalen Straßenbau. Bei der Sanierung der Meißner Straße hat die Stadt Radebeul das Nachsehen. OB Wendsche habe das neue Fördersystem mit ausgehandelt, sagt der Minister.
Verkehrsminister Martin Dulig erklärt die neue Förderpraxis im kommunalen Straßenbau. Bei der Sanierung der Meißner Straße hat die Stadt Radebeul das Nachsehen. OB Wendsche habe das neue Fördersystem mit ausgehandelt, sagt der Minister. © Kristin Richter

Herr Minister Dulig, lässt der Freistaat die Stadt Radebeul beim Ausbau der Meißner Straße im Stich?

Ganz im Gegenteil. Ich habe in den vergangenen Jahren zwei Fördermittelbescheide für die Meißner Straße überreicht – mit einem Fördermittelsatz von jeweils 80 Prozent. Hier muss man wissen, dass zuvor viele Jahre im kommunalen Straßenbau die Förderquoten deutlich geringer waren. Dass Oberbürgermeister Wendsche jetzt im Stadtrat solch harte Töne wählt, hat wohl eher mit seinem eigenen schlechten Gewissen zu tun.

Bei der Umstellung der Förderbedingungen für den kommunalen Straßenbau gab es einen Verhandlungsführer auf der Seite der Kommunen, und das war Herr Wendsche. Der neue Fördermodus wurde mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgehandelt, und er als Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages hat seine Unterschrift genau unter dieses Verhandlungsergebnis gesetzt. Er wusste, weil er es selbst verhandelt hat, wie die Finanzierung des kommunalen Straßenbaus künftig aussieht.

Der Zuschuss von 80 Prozent betraf den Abschnitt in Radebeul-Mitte zwischen Rennerbergstraße und Dr.-Külz-Straße. Nun steht der grundhafte Ausbau zwischen Gleisschleife Ost und Eduard-Bilz-Straße an. Diesen will die Lößnitzstadt nun allein mit Eigenmitteln angehen – einer Summe von 6,7 Millionen Euro. Gibt es eine Förderung vom Freistaat oder gibt es sie nicht?

Für den kommunalen Straßenbau ist nicht der Freistaat Sachsen zuständig, sondern die Kommunen sind es selbst. Der Freistaat hat festgestellt, dass er die Kommunen bei dieser Aufgabe darüber hinaus weiter freiwillig unterstützen will und muss, damit sie die Straßeninfrastruktur erhalten und sanieren können. Dafür bekommen sie über das Finanzausgleichsgesetz bislang bereits 60 Millionen Euro jährlich und weitere 116 Millionen Euro als pauschale Zuweisung. Das muss man hier mal klar und deutlich sagen!

Das Land hat die Fördersätze in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gesetzt. Es gab so viele Fördermittelanträge, dass das Verkehrsministerium einen Förderantragstopp verhängen musste. Nun wurde die Förderpraxis gemeinsam mit Sächsischem Städte- und Gemeindetag und Sächsischem Landkreistag neu aufgestellt. Hierbei wurde die Gelder für den Erhalt der Straßeninfrastruktur insgesamt für die Kommunen noch einmal spürbar erhöht. Künftig bekommen sie für ihre Aufgaben zusätzliche 115 Millionen Euro pro Jahr.

Und wie werden diese Mittel nun verteilt?

Die Verteilung der Mittel erfolgt eigenständig über die Landkreise. Bei diesem neuen Modus hat die Stadt Radebeul nun wohl festgestellt, dass die Verteilung und die Mittel, die ihr dann zustehen, deutlich geringer wären, als wenn sie wie früher einen Einzelantrag gestellt hätte. Daher stellt sich nicht die Frage, ob der Freistaat Sachsen weiter fördert. Er ist nicht mehr Ansprechpartner für die Förderung einzelner Straßen. Sondern das machen die Kommunen untereinander aus, weil sie dafür ein Budget bekommen haben. Und das hat Herr Wendsche unterschrieben.

Aber der Radebeuler Oberbürgermeister beklagt, dass, wenn aus diesem Kommunalbudget Fördermittel in der Höhe von früher für die Meißner Straße fließen, dies zulasten des Straßenbaus anderer Kommunen und damit des ländlichen Raumes im Landkreis Meißen geht...

Die Landkreise haben ihr Budget. Nicht der Freistaat Sachsen verhandelt mit den Kreisen, wie diese Mittel verteilt werden, sondern die Kreise regeln das intern. Um es noch einmal zu betonen: Dieses Verfahren hat Herr Wendsche unterschrieben als Verhandlungsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages. Von daher fördert der Freistaat weiter den kommunalen Straßenbau. Nur legt das Land nicht mehr selbst fest, welches Straßenbauvorhaben finanzielle Unterstützung bekommt. Sondern dies wird vor Ort entschieden. Wenn die Mittel nicht ausreichen, muss angespart werden. Nun argumentiert Herr Wendsche – hier verstehe ich ihn auch –, dass die Baumaßnahme Meißner Straße verbunden mit der Straßenbahn natürlich teurer ist, als wenn er nur eine Straße sanieren würde. Aber das war sozusagen Teil des Deals. Die gesamte Finanzierung des kommunalen Straßenbaus wird nur noch von den Kommunen selber gestaltet. Das ist kommunale Selbstverwaltung – worauf gerade auch der Sächsische Städte- und Gemeindetag immer Wert legt – und nicht mehr Aufgabe des Freistaates Sachsen.

Aber es gibt noch den anderen Fördertopf für Bauvorhaben von besonderem Landesinteresse. Warum ist darüber kein Zuschuss für die Meißner Straße möglich?

Was nicht geht, ist, dass jeder Ober- oder Bürgermeister seine Straße für so wichtig erklärt, dass sie von überregionalem Interesse sei. Dann würden wir die Förderung ad absurdum führen. Es war von kommunaler Seite gewünscht, dass Klarheit darüber herrscht, wenn es um einen Straßenbau geht, darüber nicht mehr in Dresden entschieden wird, sondern in den Kommunen selber und das konsequent. Von überregionaler Bedeutung sind zum Beispiel große Brückenbauwerke. Und das wusste Herr Wendsche. Mit diesem Förderbudget sind nicht Straßen gemeint, sondern Ingenieurbauwerke, wie in Dresden das Blaue Wunder oder in der Stadt Plauen die Elsterbrücke. Diese Vorhaben sind so teuer, dass eine Kommune aufgrund des Budgets, das ihr zur Verfügung steht, die Brückensanierung gar nicht allein finanzieren kann.

Über 6 Millionen Euro für einen ein Kilometer langen Abschnitt der Meißner Straße ist auch für die Stadt Radebeul kein finanzieller Pappenstiel. Und weitere Abschnitte harren des grundhaften Ausbaus. Eine Finanzierung nur mit Eigenmitteln wird die Lößnitzstadt auch nicht auf Dauer stemmen können, ohne Abstriche bei anderen Projekten machen zu müssen. Welche Chancen sehen Sie als Wahlkreisabgeordneter für die Zukunft, dass es zu einer erneuten Änderung der Förderpraxis kommt, bei der Radebeul und der Ausbau der Meißner Straße profitieren können?

Die Entscheidung ist eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Nicht ich entscheide. Ich bin auch kein gewählter Stadtrat oder Oberbürgermeister, die zusammen den Haushalt aufstellen. Darüber kann nur vor Ort entschieden werden, welche Projekte umgesetzt werden und welche nicht. Von Herrn Wendsche wurde begrüßt, dass die Finanzierung des kommunalen Straßenbaus zugunsten der Selbstverwaltung umgestellt wurde. Sein Agieren jetzt ist das schlechte Gewissen, weil er dies selbst verhandelt hat. Was mich ärgert ist, dass immer, wenn es eng wird, mit dem Finger auf das Land gezeigt wird. Für ihre Aufgaben sind die Kommunen selbst verantwortlich.

Sie machen Anzeichen von schlechtem Gewissen aus. Oder sind dies bereits Vorzeichen des Landtagswahlkampfes 2024?

Das weiß ich nicht. Dies möchte ich auch nicht überbewerten. Wichtig ist aber, dass man fair und anständig miteinander umgeht. Und was ich überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn man von der eigenen Verantwortung ablenkt, um die Schuld bei anderen abzulegen. Das geht nicht!

Das Gespräch führte Silvio Kuhnert.