Radebeul. Treffpunkt ist natürlich am Gleis der Schmalspurbahn am Bahnhof in Radebeul Ost. Kurz nach zehn Uhr kommt sie angeschnauft. Schon von Weitem erkennen der Lokführer und sein Heizer den Kollegen. „Ah, der Harzi“ und „Hallo, Herr Harz“ rufen sie ihm aus der Lok zu, während sie gerade einfährt. Volker Harz trägt eine alte Uniform der Reichsbahn. „Die hängt bei mir im Keller und ich hatte sie Jahre nicht an“, sagt er.
Anfang März hatte er seinen letzten Arbeitstag. Am 28. März war dann die offizielle Verabschiedung mit einer letzten Fahrt. Vorn auf der Lok stand mit weißer Schrift „Letzte Fahrt für Harzi“. „Ich bin schon ein bisschen wehmütig“, sagt der 64-Jährige, „aber jetzt sind die Jungen dran.“ Seit einigen Wochen ist sein Nachfolger, ein junger Kollege, schon im Einsatz. Die Streckenkunde-Fahrten der Lößnitzgrundbahn und der Weißeritztalbahn hat er schon absolviert. Dann ist Abfahrzeit. Volker Harz springt schnell noch mal rein. „Ich geh noch kurz Tschüss sagen.“
Schon als Kind und Jugendlicher interessiert sich der gebürtige Freitaler für die Dampfloks. Er fährt oft ab Freital-Hainsberg mit der heutigen Weißeritztalbahn, geht wandern und hat den Fotoapparat dabei, um die Schmalspurbahn zu fotografieren. Nach der Schule geht er zum Reichsbahnausbesserungswerk in Dresden und macht eine Ausbildung zum Schlosser. Ab 1894 bis Anfang der 90er Jahre wurden dort Wagen und Lokomotiven instand gesetzt.
Schwere und dreckige Arbeit
Bevor er Heizer wird, muss er in Freital-Hainsberg als 20-jähriger junger Mann richtig ranklotzen. „Ich war der Schuppenheizer, musste die Schlacke wegfahren und Kohle und Sand laden“, erinnert sich Volker Harz. Als Schuppenheizer musste er alle Vorbereitungen für den Einsatz der Lokomotiven erledigen und dafür sorgen, dass das Feuer nicht erlischt.
Die Heizerausbildung geht mit seinem Vorwissen dann schnell. Drei Schichten fährt er mit und lernt das Feuern und die technischen Grundlagen. Die Kohle wird mit einer großen Schaufel in den 1.000 Grad Celsius heißen Ofen geladen. Als Heizer muss er den Zug aber auch während der Fahrt und beim Halt an den Bahnsteigen beobachten. „Wenn der Lokführer ohnmächtig werden sollte, muss ich den Zug auch zum Stehen bringen“, sagt er. Damals hat er dann zwei Jahre nur als Heizer gearbeitet. Heute ist das anders, sagt Volker Harz. „Jeder Heizer soll auch Dampflokführer lernen, damit man flexibler eingesetzt werden kann.“
Und das macht er dann auch an der Dampflokfahrschule in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. An seinen Ausbilder, Herrn Neumann, erinnert er sich noch. „Er ist heute 80 Jahre alt und bildet immer noch junge Dampflokführer aus.“
Lößnitzdackel meldet Bedarf an
Obwohl er die 26 Kilometer lange Strecke der Weißeritztalbahn schöner findet, kommt Volker Harz Anfang der 90er Jahre schließlich zur Radebeuler Lößnitzgrundbahn, weil die Verstärkung braucht. Er zieht mit seiner Frau, die ebenfalls als Zugführerin arbeitet, und seinen beiden Kindern nach Meißen.
Am meisten freut er sich über die Kinder, die an den Gleisen stehen und winken. Aber auch die Anwohner an der Strecke kennen ihn bald und grüßen den neuen Lokomotivführer. Aber die Freude hält nur knapp zehn Jahre, denn nach dem Betreiberwechsel an die BVO Bahn GmbH im Jahr 2004 wird Volker Harz als Lokführer entlassen. "Viele Leute mussten gehen und ich habe eine Umschulung zum Wachschutz gemacht."
An diese knapp zehn Jahre erinnert er sich nicht gern. Er steht an den Bahnsteigen, unter anderem am Hauptbahnhof in Leipzig, und muss für Sicherheit sorgen. „Da musste ich mich mit allen möglichen Leuten und Betrunkenen rumärgern“, sagt er. Dass er jemals wieder als Lokführer arbeiten würde, hätte er damals nicht gedacht und hatte diese Hoffnung schon fast aufgegeben.
Doch im Jahr 2015 verstirbt unerwartet ein Kollege, den Volker Harz noch aus seiner Ausbildungszeit kannte. Ein Nachfolger wird gesucht und man erinnert sich an ihn. Eine Bewerbung später ist er dann die nächsten Jahre wieder im Lößnitzgrund unterwegs. Tagsüber als Lokführer und nachts als Heizer, jeweils in zwölf Stunden-Schichten.
Seit mehreren Jahrzehnten ist er auch im Modellbahnclub in seiner alten Heimat in Rabenau bei Freital. "Mit Sammeln habe ich aufgehört, denn ich habe schon Kisten voll mit Hunderten Modellen." Falls es mal einen Engpass an Lokführern gibt, springt er gern ein, sagt er. Inzwischen lebt er in Radebeul-Ost und hört den Lößnitzdackel zu Hause öfter pfeifen.