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Noch kein Gebot für Gasthof Serkowitz

Die Stadt Radebeul will das Gebäude verkaufen. Das Lügenmuseum muss dafür raus. Doch für eine Wiederbelebung als Gaststätte gibt es zwei große Probleme.

Von Silvio Kuhnert
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Psychedelische Maschinen und andere Gebilde zeigt Objektkünstler Reinhard Zabka in seinem Lügenmuseum. Diese sind im Ballsaal des einstigen Gasthofes Serkowitz aufgebaut.
Psychedelische Maschinen und andere Gebilde zeigt Objektkünstler Reinhard Zabka in seinem Lügenmuseum. Diese sind im Ballsaal des einstigen Gasthofes Serkowitz aufgebaut. © Norbert Millauer

Radebeul. Seit über einem Monat läuft das sogenannte Bieterverfahren für den Gasthof Serkowitz. Die Stadt Radebeul bietet das Gebäude an der Kötzschenbrodaer Straße, worin sich derzeit noch das Lügenmuseum befindet, zum Verkauf an. Interessenten sollen bis 30. September 2022 einen Kaufpreis nennen und ein Nutzungskonzept einreichen. In der letzten Juliwoche bestand die Möglichkeit für Kaufwillige, sich vor Ort selbst ein Bild von dem Gebäude zu machen. Besichtigungen werden noch einmal in der Woche vom 29. August bis 2. September dieses Jahres angeboten.

Doch das Interesse ist mehr als verhalten. Denn bislang ist im Rathaus noch kein Angebot für den Gasthof Serkowitz eingegangen. Auch gebe es bisher keine Anmeldungen für eine Besichtigung, wie Stadtsprecherin Ute Leder auf Anfrage von Sächsische.de mitteilt.

Im Ballsaal löst sich die Tapete

Im Jahre 1337 urkundlich erstmals erwähnt, zählt der Gasthof zu einem der ältesten der Lößnitz. Das heutige Gebäude wurde nach dem Abriss des Vorgängerbaus 1869 errichtet, 1877 kam der Saal hinzu. Diesen sowie die einstigen Gasträume im Erdgeschoss nutzt Objektkünstler Reinhard Zabka als Ausstellungsräume für sein Lügenmuseum. Seit fast zehn Jahren ist er mit seinen skurrilen Objekten und Apparaturen in dem Haus. Am 12. September 2012 hat Zabka das Lügenmuseum in Radebeul eröffnet. Nun ist dessen Zukunft ungewiss. Denn laut Ausschreibung strebt die Stadt eine Veräußerung frei von Nutzungsverhältnissen an. Sollte es also zu einem Verkauf kommen, muss zuvor Zabka mit seinem Museum raus.

An der Decke des Ballsaals löst sich an einigen Stellen die Tapete. An der im Bild zusehenden Stelle ist sie bereits ganz ab.
An der Decke des Ballsaals löst sich an einigen Stellen die Tapete. An der im Bild zusehenden Stelle ist sie bereits ganz ab. © Norbert Millauer

In der Ausschreibung verweist die Stadt darauf, dass sich das Gebäude in einem baulich schlechten Zustand befinde und einen hohen Instandhaltungs- und Sanierungsstau aufweise. Ein Blick in den Ballsaal lässt diesen auf den ersten Blick in einer relativ guten Verfassung erscheinen. Sicher könnte der Parkettfußboden einen neuen Schliff und eine neue Versiegelung vertragen. Doch dafür strahlt der Stuck an der Decke und über der kleinen Bühne immer noch hell weiß. Allerdings löst sich an etlichen Stellen zwischen den Verzierungen die grüne Tapete von der Decke, an einer fehlt sie ganz und der blanke Balken schaut heraus. Auf rund 3,5 Millionen Euro schätzt die Stadtverwaltung die erforderlichen Sanierungskosten. Zudem liegt das Mindestgebot bei 310.000 Euro.

Parallelen zu den "Tannensälen"

Um Kauf- und Baukosten wieder reinzuholen, muss der künftige Eigentümer ganz schön viele Essen kochen und sehr vielen Gästen servieren. Denn Stadtverwaltung und Stadtrat, die den Ausschreibungstext zusammen erstellt haben, wünschen sich eine öffentliche Nutzung, vorzugsweise als Gaststätte mit angegliedertem Saal. Das lässt an die Diskussionen über eine Wiederbelebung der "Tannensäle" elbaufwärts in Pirna vor rund zehn Jahren erinnern.

Im Lügenmuseum sind die Sprüche und Ausstellungsstücke gespickt mit Ironie. Während der Sommerferien hat das Museum täglich von 13 bis 18 Uhr geöffnet.
Im Lügenmuseum sind die Sprüche und Ausstellungsstücke gespickt mit Ironie. Während der Sommerferien hat das Museum täglich von 13 bis 18 Uhr geöffnet. © Norbert Millauer

Generell gibt es gewisse Parallelen zwischen der früheren Gaststätte der Lößnitzstadt und dem im März 2002 geschlossenen ehemaligen Kreiskulturhaus in der Sandstein-Stadt. Denn im Wesentlichen bestand das Gebäude wie der Gasthof Serkowitz aus einem Restaurant mit angeschlossenem Veranstaltungssaal. In beiden Fällen kamen die Städte über Zwangsversteigerung jeweils in das Eigentum. Die Lößnitzstadt ersteigerte im Jahr 2007 den einstigen Gasthof, damit er nicht in falsche Hände geriet; die Stadt Pirna kaufte 2010 die "Tannensäle", weil sich das große Gebäude an der Bergstraße durch Verfall immer mehr zu einem städtebaulichen Schandfleck entwickelte.

Fehlende Parkplätze

Viele Pirnaer wünschten sich eine Wiederbelebung als Kulturhaus. Die Sandstein-Stadt ließ diesbezüglich eine Studie durch die Kommunalentwicklung Mitteldeutschland GmbH (KEM) erstellen, die zwei Probleme für einen Gaststättenbetrieb aufdeckte, die auch beim Gasthof Serkowitz Knackpunkte darstellen. Da wäre zum einen der Lärmschutz. Sowohl der Gasthof Serkowitz als auch die "Tannensäle" sind ringsum von Wohngebäuden umgeben. Und nach 22 Uhr würden allein zuknallende Autotüren und wegfahrende Pkw den zulässigen Lärmrichtwert um zehn Dezibel überschreiten.

Das zweite Problem stellen die Parkplätze dar. Sie fehlen in beiden Fällen, wobei die "Tannensäle" über einen Hof verfügten. Der Gasthof Serkowitz füllt dagegen das gesamte Grundstück aus. Im Umfeld des Gasthofes gebe es im öffentlichen Verkehrsraum nur wenige Parkmöglichkeiten. "Einzig im Dorfanger Altserkowitz würde die Möglichkeit bestehen zu parken", heißt es aus dem Rathaus.

Laut KEM-Studie konnten in den "Tannensälen" maximal 600 Personen Platz nehmen. Dafür mussten bis zu 120 Stellplätze am Kulturhaus nachgewiesen werden. Der Saal des Gasthofes Serkowitz kann geschätzt nur die Hälfte an Personen aufnehmen. Selbst bei einer Halbierung der erforderlichen Stellflächen ist bei 60 Fahrzeugen ein Parkchaos in Altserkowitz vorprogrammiert. Der Pirnaer Stadtrat beschloss im November 2015, die "Tannensäle" öffentlich zum Verkauf auszuschreiben. Es gab nur ein Angebot. Ein Investor wollte aus dem einstigen Kulturhaus ein Mehrfamilienhaus machen, wozu es schließlich auch kam.