Radebeuler Hilfstransport ist in die Ukraine unterwegs

Radebeul/Obuchiw. Mit langen Wartezeiten sei auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze zu rechnen, hatte Titus Reime beim Start des Radebeuler Hilfstransport am frühen Freitagmorgen gesagt. Und mit seiner Befürchtung sollte er recht behalten. Auf der rund 800 Kilometer langen Strecke jagt ein Stau den anderen. "Wir sind nicht allein auf der Piste", berichtet Reime. Der Geschäftsführer der Stadtbäder und Freizeitanlagen GmbH (sbf) und ehrenamtliche Regionalvorstand des Regionalverbands Meißen/Mittelsachsen der Johanniter-Unfall-Hilfe organisiert den Hilfskonvoi.
"Eine Welle des Wohlwollens rollt in Richtung Ukraine", sagt Reime. Viele weitere Hilfskonvois bringen lebenswichtige Güter an die Grenze. Immer wieder begegnen sie Feuerwehren, beispielsweise aus Frankreich, und sprechen sich bei Ratsaufenthalten gegenseitig Mut zu. Am Freitagnachmittag gegen 16 Uhr steht der Radebeuler Konvoi rund 260 Kilometer vor dem Treffpunkt mit den Freunden aus der ukrainischen Partnerstadt. Bis dorthin werden sie vermutlich noch drei Stunden benötigen, schätzt Reime. Denn ein erneuter Stau bremst sie aus. Wenn es vorangeht, dann nur im Schritttempo.
6 Uhr morgens gestartet
Auf ukrainischer Seite ist die Situation nicht viel anders. Zum ausgemachten Treffpunkt hat es am Nachmittag bislang nur ein älteres Ehepaar geschafft. Die anderen Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet waren ebenfalls noch in ihren Fahrzeugen unterwegs. Auch sie werden voraussichtlich noch drei Stunden bis zur Grenze benötigen und erst am Freitagabend dort ankommen.
Früher Freitagmorgen in Radebeul: Auf dem Parkplatz des Lößnitzstadions treffen gegen 5.30 Uhr nach und nach Transporter ein. Zehn sind es an der Zahl, darunter ein Bus der Landesbühnen Sachsen. Auf den hinteren Sitzreihen aller Fahrzeuge stapeln sich Kartons mit Hilfsgütern für die Ukraine und Radebeuls Partnerstadt Obuchiw und weitere werden eingeladen. "Die Fahrzeuge sind proppenvoll. Es wird schwierig, unsere eigenen Sachen noch mit unterzubringen", sagt Titus Reime.
In den zurückliegenden Tagen wurden unter anderem medizinische Güter wie Verbandsmaterial, sterile Wundauflagen, Flexüle und Katheter für das Krankenhaus in Obuchiw gesammelt. Auch Masken, Notfallrücksäcke, Lebensmittelkonserven und Helme nehmen die 23 Helfer mit. In jedem Transporter sitzen mindestens zwei Personen, so können sie sich bei der rund 800 Kilometer langen Fahrt zur ukrainischen Grenze am Steuer abwechseln. "Wir wollen so schnell wie möglich hin", berichtet Reime, wohl wissend, dass mit langen Wartezeiten unterwegs zu rechnen ist. Die Hilfsgüter im Wert eines hohen fünfstelligen Betrages wurden unter anderem mit Unterstützung der Elblandkliniken, des Diakonissenkrankenhauses Dresden und der Johanniter-Auslandshilfe zusammengetragen. Viele private Spenden ergänzen die Ladung.
Blaulichtfahrzeuge am Anfang und Ende des Konvois
Für den Hilfstransport haben neben den Landesbühnen Sachsen die freiwillige Feuerwehr vier Mannschaftstransportwagen mit Kameraden der Wachen aus Wahnsdorf, Kötzschenbroda und Radebeul-Ost gestellt. Zudem sind jeweils zwei Transporter des Sportstättenbetriebs und der Druckerei Peters sowie ein Kleinbus des Fotografen und Filmemachers Martin Förster mit unterwegs. Kurz nach 6 Uhr fahren sie in Radebeul los. "Kommt gut an und viel Glück", wünscht Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) den Helfern zum Abschied.

Am Anfang und Ende sowie in der Mitte des Konvois fahren Blaulichtfahrzeuge. Mit Smartphones und Messengerdiensten halten die Beifahrer während der Fahrt untereinander Kontakt. Mit dabei sind auch drei Dolmetscher.
Treffpunkt ist an der polnisch-ukrainischen Grenze
Während der Radebeuler Hilfstransport gen Osten unterwegs ist, kommt ihm ein Konvoi aus der ukrainischen Partnerstadt Obuchiw entgegen. In der Nähe der polnischen Stadt Korczowa, ein Stück weg von der ukrainischen Grenze, wollen sie sich treffen. Dort wird umgeladen. Die Ukrainer nehmen die Hilfsgüter mit, in die Fahrzeuge aus Radebeul steigen rund 100 Frauen und Kinder ein. Sie werden nach Deutschland in Sicherheit gebracht.
Für den Transport der Kinder hat Reime zur Spende von Sitzerhöhungen aufgerufen. Mehr als benötigt werden, brachten Radebeuler zum Sammelpunkt in der Steinbachstraße.
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Mit der Ankunft der Mütter und Kinder wird in der Lößnitzstadt am Sonnabend gerechnet. Als Erstunterkunft steht das Radisson Blu Park Hotel bereit, wie OB Wendsche informiert. Dort können die Geflüchteten zentral mit Essen versorgt werden, sich ausruhen sowie alle behördlichen Formalitäten, wie beispielsweise die Registrierung beim Einwohnermeldeamt, erledigt werden. Anfang kommender Woche werden die Frauen und Kinder auf Radebeuler Familien verteilt. "Wir können sie alle im Stadtgebiet unterbringen", berichtet Wendsche.
Rund 50 private Unterkünfte stehen in Radebeul bereit
Laut Elmar Günther, Leiter des Amtes für Bildung, Jugend und Soziales, haben Radebeuler bis jetzt rund 50 Unterkünfte im Rathaus gemeldet. Darunter sind Wohnungen, Einliegerwohnungen, Zimmer und Pensionen. Auch aus Kommunen von außerhalb trafen Bereitschaftserklärungen ein, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Diese werden an das Landratsamt in Meißen weitergeleitet.
Neben der Unterbringung gibt es weitere Möglichkeiten, die geflüchteten Ukrainer in Radebeul zu unterstützen. Es fängt bei Übersetzungshilfe an, geht weiter über das Betreuen von Kindern, bis hin zum Begleiten der Familien bei Behördengängen, Arztbesuchen oder Einkäufen. Um die Organisation zu erleichtern, hat die Stadtverwaltung einen Online-Fragebogen erstellt. "Die Erfassung dient dazu, die Hilfsangebote schnell und zielgerecht zuordnen und anbieten zu können", teilt sie mit. Um einen raschen Informationsfluss zu ermöglichen, gelangt man über die Internetseite der Stadt sowie über die Seite zur Ukraine-Hilfe zu dem Fragebogen. Dort tragen Helfer unter anderem ihren Namen ein und welche Form der Unterstützung sie wann leisten möchten. Darüber hinaus werden weiter Spenden gesammelt.
- Spendenkonto: Stadtverwaltung Radebeul
Sparkasse Meißen
IBAN: DE97 8505 5000 3100 0031 00
Verwendungszweck: "831000 Nothilfe Ukraine und Obuchiw"