Riskantes Wintervergnügen

Von Sven Görner und Beate Erler
Am Wochenende bleibt es frostig. Für den Sonntag versprechen die Meteorologen in Moritzburg sogar sechs Sonnenstunden bei Temperaturen um die sechs Grad minus. Gute Aussichten in einer Zeit, wo es nun schon seit Wochen eines der wenigen Vergnügen ist, sich mit seiner - im Amtsdeutsch - Kernfamilie, im Umkreis von 15 Kilometern in der Natur zu bewegen.
Bei den Kameraden der Moritzburger Feuerwehr erzeugt diese Aussicht dennoch gemischte Gefühle. Denn sie wissen um die Tücken der inzwischen von einer Eisschicht überzogenen Teiche im Ort. Vor allem auf dem Schlossteich tummeln sich bereits seit Wochenmitte zahlreiche Menschen. Die aufgestellten Schilder, die das Betreten der Eisfläche verbieten, werden dabei ignoriert.
Am östlichen Ufer haben junge Eisläufer eine große Fläche vom Schnee befreit und kurven mit Eishockeyschlägern übers Eis: „Das Eis ist sicher“, sagt einer, „das Wasser ist doch abgelassen und es ist flach.“ Nur wenn man mehr in die Mitte des Teiches fahren würde, knacke es ab und an, aber das könne auch die Kältespannung sein, ergänzt er.
Thomas Hoppe, der Leiter der Moritzburger Ortswehr, kennt solche Argumente zur Genüge. Und er widerspricht ihnen. „Die Teiche sind durch die vielen Niederschläge der vergangenen Wochen gut gefüllt. Und die meisten Zu- und Abflüsse sind eisfrei.“ Strömungen unter dem Eis würden schließlich dazu führen, dass dieses unterschiedlich stark ist. „Keiner kann bei natürlichen Gewässern wirklich sagen, ob und wo das Eis wirklich hält“, ergänzt der ehrenamtliche Feuerwehrmann. Und noch etwas gibt Thomas Hoppe zu bedenken: „Auf das erst dünne Eis ist am vergangenen Wochenende und auch danach viel Schnee gefallen. Der isoliert und sorgt dafür, dass sich das Eis nicht so stark ausbilden kann.“
Gefährliche Untiefen
Eine entsprechende Warnung haben die Moritzburger Kameraden auch bei Facebook gepostet. Diese sorgt für ganz unterschiedliche Kommentare und Reaktionen. Auch bei den Akteuren und Beobachtern am Schlossteich gibt es unterschiedliche Meinungen.
Während die jungen Leute der Scheibe übers Eis hinterherjagen, sagt ein Mann, der ihnen dabei vom Ufer aus zusieht: „Das Wasser ist schon tiefer, denn die kleine Insel ist nicht zu sehen.“ Einige Familien mit Schlitten, Skifahrer und Spaziergänger rutschen über den Schlossteich. Selbst Kinderwagen werden über das Eis geschoben.
Bei Henry Lindner sorgt so etwas für verständnisloses Kopfschütteln. Als Geschäftsführer der Teichwirtschaft Moritzburg GmbH, diese bewirtschaftet die Teiche, kennt er sich mit diesen bestens aus. „Der Schlossteich ist dank des Regens der letzten Wochen in diesem Jahr endlich mal wieder richtig gefüllt. Derzeit lassen wir über den Abfluss am Kutschgeteich-Parkplatz Wasser zum Großteich laufen.“ Das sorge für Strömung unter dem Eis.

Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Zwar ist der Schlossteich an den meisten Stellen nur etwa einen Meter tief, aber eben nicht überall. Denn im hinteren Bereich gibt es ein in den Boden eingearbeitetes Profil, damit das Wasser beim Abfischen unter der Brücke zum Schlosspark in Richtung der Fischgrube am Parkplatz Kalkreuther Straße abläuft. „In dieser Rinne haben wir einen Wasserstand von über zwei Metern. Unter der Brücke friert der Teich meist auch viel schwerer zu“, weiß der Teichwirt. Noch gefährlicher ist es an der Fischgrube. „Wer dort einbricht, hat keine Chance mehr, mit den Füßen festen Boden zu erreichen. Dort ist der Teich vier Meter tief“, warnt der Bärnsdorfer.
Christoph Ruppert, Geschäftsführer der Wasserwacht des DRK-Kreisverbandes Meißen, sagt: „Wir warnen ausdrücklich davor, nicht freigegebene Eisflächen zu betreten.“ Nach seinem Kenntnisstand sind derzeit auch noch keine Gewässer im Landkreis Meißen zum Eislaufen freigegeben. Das müssen die Eigentümer der Objekte machen, also bei öffentlichen Gewässern die zuständigen Städte und Gemeinden.
Keine offiziellen Eisfreigaben
Beim Schlossteich gibt es dazu vom zuständigen Schlösserbetrieb eine klare Aussage: „Wir können das nicht gestatten, weil wir nicht die Mittel und Möglichkeiten haben, um ständig die Stärke des Eises zu überwachen.“ Zudem gilt: Wer eine Eisfläche freigibt, der haftet auch bei Schäden. Das können die Kommunen nicht leisten.
Die Experten von der Wasserwacht warnen, dass die Eisstärke auf den meisten Gewässern derzeit noch nicht ausreicht. Als Richtwerte nennt Christoph Ruppert für stehende Gewässer 15 Zentimeter und für fließende Gewässer sogar mindestens 20 Zentimeter an jeder Stelle: „Vor allem wenn das Eis beim Betreten knackt, knistert oder Risse aufweist, ist davon auszugehen, dass die Eisfläche nicht ausreichend dick genug ist“, sagt er.

Der Wasserrettungsdienst hat zwei Einsatzfahrzeuge und drei Boote zur Verfügung. Für das große Einsatzgebiet von Elbe, zwölf Naturbadeseen, Freizeitbädern und Tauchgewässern keine üppige Ausstattung, weiß auch der Kreisgeschäftsführer: „Wir müssen das alles durch Eigenmittel finanzieren und für dringend notwendige Ersatzbeschaffungen gibt es keine Zuschüsse.“
Glücklicherweise komme es nicht so oft vor, dass ins Eis eingebrochene Menschen gerettet werden müssen, sagt Christoph Ruppert. Häufiger müssen festgefrorene Schwäne befreit werden oder, wie vor acht Jahren, ein Hund im Nebenarm der Elbe in Kötitz. Der letzte Eiseinsatz der Wasserwacht, bei dem Menschen in Gefahr waren, liege bereits zehn Jahre zurück: „Da mussten wir bei starkem Eisgang auf der Elbe zwei Paddler retten, die mit ihrem Boot auf eine große Eisscholle aufgeschwommen waren.“
Die Moritzburger Feuerwehr musste vor drei Jahren zu ihrer letzten Eisrettung ausrücken. Kurz hintereinander waren damals an einem schönen Februar-Sonntag acht Menschen in das Eis des Schlossteichs eingebrochen. Schlauchboot und Steckleitern mussten seinerzeit nicht zum Einsatz kommen, weil alle von allein oder mithilfe Umstehender wieder aus dem Wasser kamen.
Thomas Hoppe hofft, dass seine Kameraden und er an diesem Wochenende nicht gerufen werden müssen.