Radebeul
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"Das E-Bike ist kein Rollator, sondern eine echte neue Mobilität"

Torsten Lenz ist neuer Geschäftsführer der Fahrrad-Kette in Coswig. Im Interview spricht er darüber, warum ihm die drohende Rezession keine Sorgen bereitet.

Von Martin Skurt
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Torsten Lenz ist neuer Geschäftsführer der Fahrrad-Kette. Der 56-Jährige war lange Zeit in der Automobilindustrie tätig und betreut jetzt fünf Filialen, darunter zwei der Fahrrad-Kette in Coswig sowie Riesa und drei Cube-Stores.
Torsten Lenz ist neuer Geschäftsführer der Fahrrad-Kette. Der 56-Jährige war lange Zeit in der Automobilindustrie tätig und betreut jetzt fünf Filialen, darunter zwei der Fahrrad-Kette in Coswig sowie Riesa und drei Cube-Stores. © Arvid Müller

Coswig. Nach fast vierzig Jahren in der Automobilbranche wechselt Torsten Lenz nun ins Radgeschäft. Der 56-Jährige will die letzten Jahre seiner Karriere dem widmen, was beim Klimaschutz seiner Meinung nach die Zukunft haben wird. Im Interview erklärt der neue Geschäftsführer der Fahrrad-Kette, wo er das Coswiger Unternehmen künftig sieht und warum die aktuelle Wirtschaftslage auch eine Chance ist.

Herr Lenz, wie hat es Sie nach Coswig verschlagen?

Ursprünglich komme ich aus der Automobilindustrie, wo ich 40 Jahre bei Volkswagen und Daimler in leitender Funktion tätig war. Klimaschutz ist mir ein Herzensthema, und so hege ich den Wunsch, die letzten Jahre meiner Karriere dem zu widmen, was Zukunft dahingehend hat. So blieb nur eins übrig: das Bike.

Woher kam diese Eingebung?

Als Radfahrer mit 45 Jahren aktiv im Amateurbereich habe ich die Fahrrad-Szene von Anfang an begleitet. Somit gab es markante Schnittstellen, die zu meiner Bewerbung führten.

Was hat Sie damals motiviert, in der Automobilbranche zu arbeiten?

Als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker komme ich ganz klar aus dem Handwerk. Darauf aufbauend bin ich den klassischen Weg gegangen; erst Meisterschule, dann BWL-Studium. So habe ich mich für größere Aufgaben qualifiziert und landete in der Automobilindustrie. Mein Einstieg war als Vermittler zwischen Autohäusern und Volkswagen AG. Als solcher kam ich zur Daimler AG und wechselte dort thematisch in die Forschung und Entwicklung.

Wenn Sie auf die drohende Rezession schauen: Inwiefern macht Ihnen das Sorgen?

Eher weniger. Ich sehe zum einen eine Rezession nicht als großes Negativ an. Sicherlich werden alle den Gürtel enger schnallen müssen, der Markt wird viele Produkte tilgen. Aber zum anderen haben wir als Unternehmen ein Produkt, das als Lösung für die Zweitmobilität zählt. Das Fahrrad ist nicht nur noch Freizeitprodukt, sondern eben auch als Alternative zum zweiten Fahrzeug. Also viele, die vorher zwei Pkw besaßen, greifen momentan verstärkt auf die Mobilität der E-Bikes zurück. Alles, was Kurzwegstrecken wie Einkaufsfahrten im urbanen Bereich sind, werden damit abgedeckt. Das E-Bike ist nicht nur noch eine Senioren-Hilfe, wie sie mal gedacht waren.

Das müssen Sie erklären.

Die Automobilindustrie doktert schon seit Jahren daran herum, eine Lösung für den städtischen Kurzstreckenverkehr zu finden. Wir haben etwas, was für den Klimaschutz sehr wichtig ist, was die Qualität im urbanen Bereich stark verbessert und die Staus abschafft. Das ist das E-Bike oder Bio-Bike im Allgemeinen.

Das heißt, da tut sich gerade etwas bei Ihren Kunden.

Wie gesagt, es ist nicht einfach nur ein Rollator, sondern eine echte neue Mobilität. Ähnlich zu sehen wie der E-Roller in der Stadt. Es werden zwar keine langen Strecken überwunden, aber es kann doch zumindest die Mobilität gewährleistet werden. Zwischen Dresden und Meißen sind Sie mit dem E-Bike wesentlich schneller, als wenn Sie sich während der Rushhour durch den Stau quälen. Und dann kommen natürlich die Spritpreise noch dazu, die momentan auch die Leute zu uns bringen. Also ja, Rezession ist ein Thema, gar keine Frage. Aber ich sehe sie als Chance.

Würde es Sie auch reizen, neue Konzepte für Fahrräder zu entwickeln?

Ich bin jetzt 56 Jahre alt und ich würde niemals nie sagen. Ich glaube sogar, dass wir das irgendwann machen müssen, da wir viele Produktionsprozesse ins Ausland verlagert haben. Wenn neben der Pandemie und dem Ukrainekrieg nun auch China einen Krieg mit Taiwan starten würde, bekommen wir unter anderem kein Material mehr für die E-Bike-Produktion. So kommen die verwendeten Chips größtenteils aus Taiwan. Das soll jetzt keine Schwarzmalerei sein. Wenn der Konflikt jedoch eskaliert – spätestens dann müssen wir in Deutschland umdenken. Ich will jetzt aber keine Politik machen.

Natürlich ist aber die Ressourcenknappheit eine reale, wirtschaftliche Bedrohung, auch für ein regionales Unternehmen wie die Fahrrad-Kette.

Deutschland hat es bisher immer geschafft, solche Herausforderungen zu meistern. Wir tun uns alle nur sehr schwer mit den ersten Schritten. Wenn Sie vor einer zugeschlagenen Tür stehen, bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als zu reagieren. Dann sind aber auch alle bereit, so habe ich es zumindest in den vergangenen 39 Jahren meines Berufslebens kennengelernt. Bevor die Tür aber nicht zu ist, bewegt sich nur sehr wenig. Die Fahrrad-Kette sehe ich in der Richtung absolut darauf vorbereitet, auch wenn sie momentan eher ein Retail-Betrieb ist.

Was sind denn aktuelle Trends bei Fahrrädern?

Interessant wird es, wenn man die europäischen Märkte vergleicht. Dann merkt man ganz klar, dass der deutsche Markt ein Komfort-Markt ist. Es werden etwa 50 Prozent E-Bikes sowie Fahrräder ohne E-Antrieb, also Bio-Bikes, verkauft. Momentan verkaufen wir im Laden aber 80 E-Bikes zu 20 Bio-Bikes. In Italien, Frankreich, Spanien ist es andersherum. Da merkt man, dass das E-Bike in Deutschland eine ganz neue Kundengruppe anspricht. Und die ist, das ist das Schöne, von ganz jung bis alt. Die Älteren brauchen eine Unterstützung für den Alltag oder für den nächsten Camping-Trip, die Jüngeren wollen zum Beispiel mit ihrem Downhill-Bike erst den Berg mit E-Antrieb hoch-, um ihn anschließend wieder hinunterzufahren. Komfort-Markt heißt, das E-Bike löst ein Problem oder macht eine Situation angenehmer.

  • Das Gespräch führte Martin Skurt.