Wettineiche ist bruchsicher

Coswig. Die SZ war dabei, als im Mai der wohl markanteste Baum von Coswig beinahe klinisch exakt untersucht wurde. Die Wettineiche auf dem Wettinplatz, dort, wo jede Woche der Markt stattfindet, hat Krankheitsbeschwerden. Im vorigen Jahr zeigte sich an dem mächtigen Baum plötzlich ein Pilz.
Im Mai hatte der Baum gerade seine frischen Blätter satt in der Krone ausgebildet. In den letzten Wochen bekam er reichlich Wasser, eben auch von in diesem Jahr ordentlichen Niederschlägen. Stadtsprecherin Ulrike Tranberg im Mai: „Im vergangenen Jahr hatte die Eiche einen fußballgroßen Pilz gebildet. Die Stadtverwaltung hat nun ein dendrologisches Gutachten in Auftrag gegeben, um geeignete Maßnahmen zum Schutz des Baumes und der Sicherheit der Passanten zu ergreifen.“
Ein Sachverständiger für städtische Bäume wurde in Dresden bestellt. Andreas Deppner hat den Baum gründlich untersucht. Zuerst trennte er den Pilz vom Baum. Der Pilz ist am Stammfuß der Eiche abgeschält worden und dabei in mehrere Stücke zerbrochen. „Das ist ein Tropfender Schillerporling“, sagte Andreas Deppner nach der ersten Aktion. Der Experte hat untersucht, ob der Pilz schon Schaden angerichtet hat an der Coswiger Wettineiche.
Die Eiche war anlässlich der 800-Jahrfeier des Hauses Wettin im Juni 1889 gepflanzt worden. So stand es jedenfalls einmal auf einer Tafel, die am Baum angebracht worden war. „Der Pilz kann nicht nur den Stamm, sondern auch die Wurzeln schädigen, er zersetzt das Holz“, erklärte im Mai Andreas Deppner. Zersetzt wird das Lignin, ein Makromolekül, das als Stützmaterial für die Druckfestigkeit des Holzes verantwortlich ist und dem Baum überhaupt erst das Höhenwachstum ermöglicht.

An die Nägel, die Andreas Deppner in etwa einem Meter Höhe vom Boden in den Stamm schlägt, hatte er Sensoren gehängt. Sie senden einen Schallimpuls. An den Stellen, an denen der Stamm innen hohl ist, muss der Schall außen um den Stamm wandern, durch die gesunden Stellen geht er geradewegs hindurch. Aus den Messdaten lässt sich ein Bild zusammensetzen, sodass man quasi in den Stamm hineinschauen kann. „So soll festgestellt werden, welchen Schaden der Pilz schon angerichtet hat“, sagt Deppner.
Seine Erläuterung: Besonders ältere Bäume müssen nicht gleich gefällt werden, wenn der Stamm nur noch eine relativ geringe Restwandstärke aufweist. Andreas Deppner geht bei seinen Messungen mit der sogenannten SIA-Methode vor. SIA – das heißt „Statisch integrierte Abschätzung“, sie beruht auf mehrjährigen interdisziplinären Forschungsarbeiten und „berücksichtigt die Holzqualität der unterschiedlichen Baumarten, die Stammdicken und die Windbelastung. Aus diesen Parametern wird die Grundsicherheit errechnet“. Doch nicht nur die Zellstabilität wurde untersucht.
Neben der Schallmessung gehört zum gründlichen Prüfen auch ein Zugversuch, um auf dem zentralen Platz auch die notwendige Sicherheit zu gewähren. „Der Baum ist ja nicht allzu hoch, etwa 20 Meter. In zwölf, 13 Metern Höhe wird dazu ein Stahlseil angebracht. Über eine Messuhr werden mir die Werte direkt aufs Notebook übermittelt“, sagte der Experte bei dem Versuch.
Gemessen wird die Dehnung des Baumes an der Zugseite, woraus direkt auf seine Bruchfestigkeit geschlossen werden kann. Dass der Baum dabei umgezogen wird, sei ausgeschlossen, denn es werden nur maximal 40 Prozent der möglichen Dehnungskräfte ausgeübt. „Danach beginnt eine Verformung, die nicht mehr rückgängig zu machen wäre.“
Mithilfe einer Hubarbeitsbühne sind das Seil und der Flaschenzug angebracht worden. Was die Wettineiche nun genau hat, wird Andreas Deppner in seinem Baumgutachten für die Stadt aufschreiben, hieß es im Mai. Jetzt liegen die Ergebnisse und das Urteil bei der Stadt vor.
Stadtsprecherin Ulrike Tranberg: Bei der Prüfung sei im Inneren des Stammes eine intensive Holzzersetzung festgestellt worden, die weiter voranschreitet. Aufgrund der Messungen in zwei Abschnitten werde der Baum jedoch als bruchsicher eingeschätzt. Mit dem Zugversuch und den daraus ermittelten Berechnungen wurde die momentane Standsicherheit ermittelt.
Folgende Erhaltungsmaßnahmen wird der Eigenbetrieb Kommunale Dienste Coswig nun ergreifen, heißt es seitens der Stadt: Die Krone soll regelmäßig gepflegt und totes Holz herausgeschnitten werden. Zweimal jährlich werde der Baum kontrolliert. Er soll ständig weiter bewässert werden. Außerdem werde in spätestens drei Jahren ein Nachfolgegutachten beauftragt.