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Radiomann überrascht Bäckerin

Weifas gute Seele Ingrid Burkhardt gewinnt übers Radio einen Urlaub. Ein guter Freunde hat das eingefädelt.

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© Steffen Unger

Von Carolin Menz

Weifa. Sie liegen auf der Lauer. Frauen und Männer, versteckt hinter Büschen vor dem Haus auf dem Kammweg in Weifa. Im Haus putzt Weifas ehemalige Bäckerin Ingrid Burkhardt gerade. Sie ist daheim an diesem Vormittag. Ihr Sohn hat ihr einen großen Zettel hinterlassen, dass sie bitte bis 10 Uhr das Haus nicht verlässt. Er erwarte ein dringendes Paket, das persönlich entgegengenommen werden muss. Das halbe Dorf weiß, wovon Ingrid Burkhardt hinter den Gardinen keinen Schimmer hat: Gleich klingelt’s und Radiomann Silvio Zschage steht vor der Tür. Reiner Köhler aus Weifa hat Ingrid Burkhardt als „Weifas gute Seele“ angemeldet beim MDR 1 Radio Sachsen „Wohlfühlprogramm“. Hörer können sich bei besonders geschätzten Nachbarn, Mitarbeitern, Vereinsfreunden oder Familienangehörigen mit einem kleinen Wellness-urlaub in einem Vier-Sterne-Hotel in Bad Elster bedanken – auf Kosten des Senders. Silvio Zschage kommt direkt nach seiner Morgensendung aus dem Funkhaus Dresden angerauscht nach Weifa. Er macht vor dem Überraschungscoup fix die Technik klar, lässt Reiner Köhler noch ein paar Sätze ins Mikro sprechen – und klingelt. Ingrid Burkhardt öffnet schnell, sieht den Mann mit dem Mikro, guckt in die vor Vorfreude lachenden Gesichter ihrer Familie und Freunde und in die laufende Videokamera ihres Schwagers. „Das darf doch nicht wahr sein“, ruft sie und sieht glücklich aus. Na klar kennt sie MDR 1 Radio Sachsen, läuft ja täglich im Radio. Und klar kennt sie das „Wohlfühlprogramm“. „Meistens bringt der November ja nichts Gutes, heute aber schon. Herzlichen Dank“, sagt sie. Und drückt Silvio Zschage an sich.

Als Ortsvorsteherin aktiv

Ingrid Burkhardt bittet den unverhofften Besuch am Dienstagmorgen herein. Den Radiomann, die Leute von der Zeitung und die, die ihr den Kurzurlaub von Herzen gönnen. „Ingrid Burkhardt ist immer da“, sagt Reiner Köhler. „Sie tut so viel für das Dorf. Sie hat es sich verdient.“ Ingrid Burkhardt engagiert sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für Weifa, das Dorf, das sie und ihren Mann 1968 so nett aufnahm. „Wir haben damals die Bäckerei übernommen“, sagt die 75-Jährige, die aus der Nähe von Pirna stammt. 40 Jahre stand sie in der Bäckerei, acht Kinder zog sie groß. Ihre älteste Tochter ist heute 58, der jüngste Sohn 45 Jahre alt. Und als wären Beruf und Familie und Haushalt nicht schon genug, ist Ingrid Burkhardt bis heute auch für andere da. Sie hilft, wenn man braucht, packt an, organisiert. Sie machte viele Jahre Politik, als Gemeinderätin und bis 2014 als Ortsvorsteherin. Sie setzte sich für den Jugendclub ein und gemeinsam mit anderen auch dafür, dass der ehemalige Gasthof „Erbgericht“ nach dem Verkauf durch die Treuhand zum Dorfgemeinschaftshaus mit Saal und Partyraum umgebaut wurde. Es ist auch das Zuhause des Heimat- und Kulturvereins, der 2003 gegründet wurde. Ingrid Burkhardt ist Mitglied der ersten Stunde.

Der Verein organisiert im Dorfgemeinschaftshaus unter anderem Weiber- und Kinderfasching und die geselligen Heimatabende. Am 19. November gibt es einen Mundartabend. Ingrid Burkhardt wird sich wieder die Schürze umbinden und gemeinsam mit anderen Frauen gut 15 Kilo Kartoffelsalat zaubern. Überhaupt ist sie die „Küchenfrau“ bei Dorffesten und Veranstaltungen. Wie viele Semmeln sie in ihrem Leben bisher geschmiert hat, vermag sie nicht sagen. Ingrid Burkhardt winkt ab.

Erholung in Bad Elster

Die rüstige Seniorin ist weiterhin Ehrenmitglied bei der Feuerwehr und sorgt dafür, dass die Pflanzkübel vorm Erbgericht schön blühen. Am Herzen liegt ihr auch das Heimatmuseum mit seinen alten Schätzen aus dem Dorf. Nur einen Steinwurf entfernt ist es von ihrem Wohnhaus, in dem die Weifaer jederzeit willkommen sind, wenn es irgendwo klemmt und Hilfe nötig ist.

In den nächsten Tagen ist Ingrid Burkhardt mal nicht daheim. Ein komfortabler Bus holt sie und ihre Schwester am Mittwoch ab und kutschiert sie ins vogtländische Bad Elster. Die Damen erwarten zwei Übernachtungen im Hotel König Albert inklusive Willkommensgruß, Bierbad-Anwendung und Candle-Light-Dinner. Weil Ingrid Burkhardts Mann derzeit leider im Krankenhaus liegt, fährt die Schwester mit. 2011 war Ingrid Burkhardt, die 18 Enkel und sechs Urenkel hat, das letzt Mal im Urlaub. Bad Elster sei schön, sagt sie. Vor vielen Jahren hatte sie die Handwerkskammer mal dorthin eingeladen. Ingrid Burkhardt nimmt einen großen Schluck Sekt. So langsam realisiert sie, was da gerade passiert ist. Und muss Koffer packen.