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Rätsel aus Stoff und Holz

Zuletzt hatte die Schau schon vor ihrer Eröffnung Aufsehen im Stadtrat erregt.

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© Matthias Weber

Von Romy Kühr

Manchmal helfen selbst gut sortierte Dokumente nicht. Davon haben die Ausstellungseinrichter Matthias Runge und Henry Puchert in den vergangenen Tagen eine Menge in den Händen gehabt. Sie haben im Neugersdorfer Stammhaus eine Schau eingerichtet über das Leben und Wirken der Fabrikanten-Familie Hoffmann. Sie öffnet am Wochenende für die Öffentlichkeit. Was den Ausstellungsexperten die vielen Unterlagen aber nicht verraten haben, ist eine Erklärung, was es mit diesem komischen Ding aus Holz und Metall und mit lauter ausgefransten Fäden daran auf sich hat. „Das haben wir aus dem Museumsdepot“, erklärt Runge die Herkunft des seltsamen Ausstellungsstücks. Er ist aber sicher: Das hat etwas mit der Textilgeschichte zu tun. Deshalb wollen er und sein Kollege das Teil ausstellen, wissen aber nicht, wie es richtig zu präsentieren ist.

So wie auf dieser historischen Zeichnung sah das Fabrikgelände von C.G. Hoffmann aus (links). Das Stammhaus ist das kleine Gebäude im Vordergrund. Ein Musterbuch mit Stoffen findet sich ebenfalls in der Ausstellung (rechts) mit vielen spannenden Exponaten
So wie auf dieser historischen Zeichnung sah das Fabrikgelände von C.G. Hoffmann aus (links). Das Stammhaus ist das kleine Gebäude im Vordergrund. Ein Musterbuch mit Stoffen findet sich ebenfalls in der Ausstellung (rechts) mit vielen spannenden Exponaten © Matthias Weber
So wie auf dieser historischen Zeichnung sah das Fabrikgelände von C.G. Hoffmann aus (links). Das Stammhaus ist das kleine Gebäude im Vordergrund. Ein Musterbuch mit Stoffen findet sich ebenfalls in der Ausstellung (rechts) mit vielen spannenden Exponaten
So wie auf dieser historischen Zeichnung sah das Fabrikgelände von C.G. Hoffmann aus (links). Das Stammhaus ist das kleine Gebäude im Vordergrund. Ein Musterbuch mit Stoffen findet sich ebenfalls in der Ausstellung (rechts) mit vielen spannenden Exponaten © Matthias Weber

Was Papier nicht weiß, wissen aber diejenigen, die in den heiligen Betriebshallen mal gearbeitet haben. So wurde kurzerhand Dieter Wünsche ins Stammhaus bestellt. Der Rentner hat als Ingenieur bei Lautex gearbeitet. Er erkennt sofort: „Das ist ein Geschirr mit Webblatt.“ Runge und Puchert spitzen die Ohren. Das Geschirr ist ein Teil des Webstuhls, das wichtigste eigentlich, denn darauf sind die Fäden gespannt. „Man könnte es so, wie es ist, in einen Webstuhl einhängen und losweben“, sagt Wünsche. Das Teil stammt von einem mechanischen Webstuhl, erkennt der Experte. „Es ist noch mit der Kette bespannt.“

Als Ausstellungsstück ist es auch deshalb wichtig, weil es zeigt, wo Hoffmanns Firma eigentlich ihren Ursprung hatte. Der Betrieb hat nämlich anfangs gar nicht selbst gewebt, sondern nur Webblätter gebunden. „Das Blattbinden war eine Vorbereitung für die Weberei“, erklärt Dieter Wünsche. Früher sei das ein Handwerk gewesen, die Webblätter wurden in Handarbeit hergestellt. Fabrikant Hoffmann hat wohl seine selbst produzierten Webblätter an die Hausweber geliefert. Erst später stellte er selbst Webstühle in seiner Fabrik auf und stellte Stoffe her. Von dieser ursprünglichen Tätigkeit der Firma rührt auch der Begriff Blattbinder her, der zum Beispiel dem benachbarten Blattbinderteich seinen Namen gab.

Das ist mehr als 180 Jahre her. 1833 kaufte Carl Gottlieb Hoffmann, ein Nachfahre böhmischer Exulanten, ein großes Umgebindehaus an der heutigen Ernst-Thälmann-Straße in Neugersdorf und richtete seinen ersten Betrieb ein. Deshalb ist es heute bekannt als Stammhaus. Damit legte er einen wichtigen Grundstein für die industrielle Herstellung von Textilien im Oberland, von der Tausende Menschen in der Gegend lebten. Davor wurden im Oberland zwar auch schon Stoffe hergestellt, aber von Hauswebern, die zumeist daheim am hauseigenen Webstuhl tätig waren. Das alles wissen Ausstellungsdesigner Matthias Runge und sein Kollege Henry Puchert von zahlreichen Fotos und Dokumenten. Eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe hat sie über mehrere Jahre gesammelt, der Historiker Sven Brajer begutachtet und geschichtlich eingeordnet. Die beiden Ausstellungsexperten haben alles zu einer Schau zusammengestellt und publikumswirksam aufbereitet. Sogar Nachfahren der Fabrikantenfamilie haben an der Ausstellung mitgearbeitet. So konnte zum Beispiel auch ein detaillierter Stammbaum entstehen, der auf einer großen Glaswand im Stammhaus zu sehen ist. Selbst die jüngsten Nachkommen, die erst wenige Jahre alt sind, sind darauf zu finden. Ausstellungsdesigner Matthias Runge rechnet damit, dass viele Menschen in die Ausstellung kommen werden, die mal im Nachfolge-Betrieb bei Lautex gearbeitet haben. Und das sind eine ganze Menge. Auch nach der Wende – noch bis 2004 – wurde in den Lautexgebäuden gearbeitet.

Zuletzt hatte die Schau schon vor ihrer Eröffnung Aufsehen im Stadtrat erregt. Nämlich als Matthias Runge damit beauftragt werden sollte, der Schau mit den gesammelten Relikten den letzten Schliff zu verpassen. Ob das denn nötig sei, fragten manche. Den Aufwand – auch den finanziellen – sieht Arnd Matthes von der Stiftung Umgebindehaus, die auch im Stammhaus ihren Sitz hat, gerechtfertigt. Denn die Schau ist so gestaltet, dass sie mobil ist und durchaus woanders gezeigt werden kann. Konkret geplant ist das aber vorerst nicht. „Die Sachen gehören hierher, in dieses Haus“, sagt Matthes. Damit meint er nicht nur die Fotos, Unterlagen und das alte Webstuhlgeschirr. Sondern vor allem auch die Erinnerungen und Anekdoten, die nicht in den Papieren stehen – und die Besucher hoffentlich mitbringen werden.

Die Ausstellung „Vom Hausweber zum Textilfabrikanten – Carl Gottlieb Hoffmann und die Industrialisierung in der Oberlausitz“ ist diesen Sonnabend, 10 bis 18 Uhr, Sonntag, 10 bis 16 Uhr, geöffnet; Sonst zu den Öffnungszeiten des Büros der Stiftung Umgebindehaus: Montag und Dienstag, 9 bis 16 Uhr, oder nach Vereinbarung;

Kontakt über die Stiftung: Telefon 03586 3695815 oder das Quartierbüro: 03586 3505415