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Rätselraten um zwei Ruinen

An der Bahnhofstraße stehen zwei Häuser, die der Stadt nicht zur Zierde gereichen – was soll damit werden?

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Selbst mit den zerbrochenen Fensterscheiben, und dem abgebröckelten Putz, der die roten Granitbruchsteine freigibt, sieht man, dass dieses Gebäude einmal ein stattliches Haus gewesen ist. Immerhin drei Etagen hat es, jedenfalls nach vorn, zur Bahnhofstraße hin. Nach hinten, wo es sich an den Ratsweinberg lehnt, sind es nur zwei. Hinten sieht man auch, dass das Dach eingebrochen ist. Das und die vernagelten und vermauerten Fenster ergeben einen klaren Eindruck: Das Haus an der Bahnhofstraße 3 ist eine Ruine.

Angefangen hat sein Niedergang wohl schon in den 1980er-Jahren in der DDR. Denn da bekam der Eigentümer Schwierigkeiten mit dem Staat. Es wird etwas von Steuervergehen erzählt, weiß Steffen Förster, Museologe am Stadtmuseum. Damals waren das Erdgeschoss und der erste Stock Sitz der Schneiderei Mietzsch. „Mein Vater hat Maßanzüge getragen, die ließ er dort anfertigen.“ Im dritten Stock befanden sich damals Wohnungen.

Rainer Forberger, Herren-Schneider im Ruhestand, bestätigt Steffen Försters Angaben. Mietzsch hätte zwei angestellte Schneiderinnen beschäftigt. Und: „Das Haus war schon vor der Wende eine Ruine, da war hinten die Tür auf und es wurde randaliert.“

Lange Zeit ein Fischladen

Errichtet worden sei das Gebäude um 1850/60, erklärt Stadtarchivar Tom Lauerwald. Und zumindest bis 1910 sei es ein reines Mietshaus gewesen, das würden die alten Adressbücher der Stadt belegen. Auch der langjährige Meißner Denkmalpfleger und heutige Leiter der Unteren Denkmalpflegebehörde des Landkreises Meißen, Andreas Christl kann nicht viel zu dem Gebäude sagen, denn „es ist kein Denkmal“. Damit besteht, anders als bei einem solchen, auch keine Pflicht zur Erfassung und Beschreibung.

Ob sie wüssten, wem das Gebäude gehört, lautet die Frage an eine Handvoll Männer, die kurz nach zwölf Uhr in der benachbarten Fettbemmenschänke bei Bier und Zigaretten sitzen. Der blau gekachelte Sockel des Hauses erinnert noch daran, dass hier lange Zeit ein Fischladen untergebracht war, bevor die Kneipe einzog. „Nein, keine Ahnung“, lautet die Antwort. Und auch der Wirt weiß nicht viel: „Da war Mode-Mieth drin, wem das Haus gehört, weiß ich nicht.“

Das geht Ole-Per Wähling von der benachbarten Rechtsanwaltskanzlei ebenso: „Leider kenne ich die Eigentümer der Gebäude nicht und kann deswegen auch nichts dazu sagen, welche Pläne diese haben.“ Und dann erklärt er zur Frage, wie das große Stadthaus wirkt. „Wir bedauern es natürlich, dass das Gebäude Bahnhofstraße 3 dem Verfall preisgegeben ist. Ein Erwerb war und ist jedoch nicht beabsichtigt.“

Keine Baudenkmäler

Wer die Eigentümer sind, weiß die Stadtverwaltung, kann sie aber aus Datenschutzgründen nicht nennen. „Gegenwärtig liegen weder für die Bahnhofstraße 3 noch für das Nebengebäude Anträge auf Baugenehmigung vor. Es handelt sich in beiden Fällen um Privatgrundstücke. Daher hat die Stadt Meißen leider kaum Einfluss, das gegenwärtige Erscheinungsbild in positiver Weise zu beeinflussen oder zu verändern“, so Stadtsprecher Philipp Maurer. Und: „Hinzu kommt, dass es sich bei beiden Objekten nicht um Baudenkmäler handelt, die einem besonderen Schutz unterlägen. Näheres zu Verkaufsplänen oder Bauvorhaben der Privateigentümer ist der Stadt nicht bekannt.“

Und dann formuliert er, was wohl die meisten Meißner denken, zumal diejenigen, die jeden Tag vor der Ruine auf den Bus warten müssen: „Gleichwohl würde die Stadt Meißen eine Sanierung oder bauliche Instandsetzung der Objekte grundsätzlich begrüßen.“