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Räuber- und Gendarmspiel für Erwachsene?

Im Hooligan-Prozess haben am Dienstag die ersten Verteidiger plädiert. Sie fordern Freisprüche. Einvernehmliche Wettkämpfe seien nicht strafbar, sagen sie.

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Von Alexander Schneider

Der Mammut-Prozess gegen fünf Hooligans könnte noch im April zu Ende gehen. Das sagte gestern der Richter Peter Lames, der Vorsitzende der Staatsschutzkammer am Landgericht Dresden. Zuvor hatten die ersten Verteidiger ihre Plädoyers an diesem 89. Prozesstag gehalten. Sie fordern Freisprüche. Erstmals stehen Fußball-Hooligans in Deutschland wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft hält die Vorwürfe für erwiesen und plädierte schon vergangene Woche auf unbedingte Haftstrafen zwischen knapp zwei und dreieinhalb Jahren für alle Angeklagten, die mutmaßliche Führungsriege der „Hooligans Elbflorenz“.

Verteidiger Endrik Wilhelm dagegen bezweifelt, dass es eine solche kriminelle Vereinigung überhaupt gegeben hat. Die vom Staatsanwalt geforderte Strafe von zweieinhalb Jahren für seinen Mandanten (36), angeblich der Vizechef der Gruppe, hält Wilhelm für „abwegig“. Er sagte, schon der gesetzlich geforderte Zweck einer kriminellen Vereinigung – die Begehung von Straftaten, von denen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht – sei nicht erfüllt.

Man habe es hier nicht mit verbotenen Gruppen wie den Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) oder etwa der Nazi-Schlägertruppe „Sturm 34“ zu tun, die Mittweida von Linksalternativen und Ausländern „befreien“ wollte. Zweck der „Sportgruppe“ der Angeklagten seien Kämpfe, „Matches“, mit anderen Hooligans – einvernehmlich, nach Regeln, mit Schiedsrichtern, abseits der Zivilisation. Dazu brauche es Absprachen und etwas Logistik zum Training und für die Planung solcher Treffen. Niemand sei zudem zur Teilnahme gezwungen worden. „Wenn 20 Einbrecher einen Fußballverein gründen, ist das noch kein Einbrecher-Verein“, sagte Wilhelm mehrfach.

Mit gewalttätigen Ausschreitungen am Rande von Fußballspielen habe die „Sportgruppe“ nichts zu tun. In der großen Gruppe gewaltbereiter Fußballfans rekrutierten sich kleinere Untergruppen wie etwa die Ultras und andere. Dort genössen „Ältere“ großes Ansehen aufgrund einer jahrzehntelangen Hooligan-Tradition. Zu diesen Älteren zählten auch zwei der fünf Angeklagten. Dies habe jedoch nichts mit der „Sportgruppe“ zu tun. Wilhelm bemängelte daher, im Fall der Dresdner Fan-Klientel werde im Prozess nicht genug differenziert.

Kämpfen für den Adrenalinschub

Auch der Überfall auf die Dönerläden in der Neustadt stehe nicht im Zusammenhang mit der Sportgruppe. Er sei wohl eine Sache der „Jüngeren“ gewesen, zu denen Wilhelm den Mitangeklagten Willy K. (26) zählt. Dessen SMS-Aufruf dazu, für den K. schon verurteilt wurde, zeige große Ähnlichkeiten mit anderen Aufrufen aus der Ultras-Szene, sei aber nicht die Handschrift der „Sportgruppe“. Hinzu käme, dass es keine Anzeichen für eine rechte Gesinnung seines Mandanten gebe.

Das unterstrich auch Katja Reichel, die zweite Verteidigerin des 36-Jährigen. Sie verglich die Matches mit Gotcha (Paintball) oder einem „Räuber- und Gendarmspiel für Erwachsene“. Es ginge den Kämpfern um einen Adrenalinschub, wenn sie etwa mit je 20 Mann aufeinander zumarschierten. Die Kämpfe seien kurz: „Viele Schläge gingen doch vor lauter Adrenalin daneben“.