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Raser drängt Laster ins Feld

Nach dem Unfall auf der S 148 hält erst niemand an. Zwei Ebersbacher helfen dem Fahrer aus dem Führerhaus – und der Polizei beim Dolmetschen.

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© Martin Nacev / Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Als Vasili Woitovicz auf der S 148 kurz vor Großschweidnitz plötzlich ein Auto entgegenkommt, weiß er, dass zum Bremsen nicht genügend Platz bleibt. Der 54-jährige Ukrainer ist mit seinem 40-Tonner am Montagnachmittag gegen 14.50 Uhr in Richtung Löbau unterwegs. Um eine Kollision mit dem überholenden Auto zu vermeiden, reißt er das Steuer seiner Zugmaschine nach rechts. Doch dort ist für den Schwerlaster kein Halt mehr. Mit dem gesamten Sattelzug kippt er ins angrenzende Feld. Der Autofahrer, der ihm entgegengerast war, macht sich aus dem Staub. Und auch der Fahrer des überholten Lkw stoppt nicht – so schildert Vasili Woitovicz den Hergang der SZ am Unfallort.

... sein Vater Martin (links) brachten dem Fahrer Vasili Woitovicz (Mitte) auch noch Kaffee an die Unfallstelle.
... sein Vater Martin (links) brachten dem Fahrer Vasili Woitovicz (Mitte) auch noch Kaffee an die Unfallstelle. © Martin Nacev / Markus van Appeldorn

Zeugen für das Geschehen haben sich laut Auskunft der Polizei am Unfallort noch nicht gemeldet. Aber der Lkw-Fahrer fand Helfer, die sich seines Schicksals erbarmten. Patrick Nacev und sein Vater Martin waren zur gleichen Zeit auf der S148 nach Hause in Richtung Ebersbach unterwegs. Der junge Mann betreibt dort in der Bautzner Straße seit Kurzem einen Handel für Autoteile und bietet Dienstleistungen wie Sandstrahlen und Kleintransporte an. „Schon in der Senke von Großschweidnitz kam uns ein Laster entgegen und betätigte die Lichthupe“, erzählt Patrick Nacev. „Ich habe mich gefragt, warum.“ Als er über die Kuppe kam, sah er sofort den Lkw neben der Straße liegen – es hatte immer noch niemand angehalten.

„Wir haben gestoppt und gesehen, dass der Fahrer noch in der Kabine ist“, sagt Patrick Nacev. Er und sein Vater handelten sofort. „Wir sind auf den Laster geklettert und haben dem Mann aus der Kabine geholfen“, schildert er. Vasili Woitovicz ist bei dem Unfall unverletzt geblieben, aber der Schreck steckt ihm auch Stunden nach dem Unfall noch in den Gliedern. „Nachdem wir ihn rausgeholt hatten, habe ich die Polizei gerufen“, sagt Patrick Nacev.

Als die Polizei eingetroffen war, fuhren Vater und Sohn noch einmal los. Als sie wieder zurückkommen, haben sie einen Becher Kaffee für den Laster-Fahrer dabei. Martin Nacev reicht ihn aus dem Auto: „Hier hast du was Warmes“, sagt er zu Vasili Woitovicz. Er kann den anwesenden Polizeibeamten auch beim Dolmetschen helfen, er spricht ukrainisch. Der Verkehr auf der S 148 läuft derweil weiter – die Straße ist ja frei. Doch immer wieder bremsen passierende Lkw stark ab. Nachfolgende Autos überholen – trotz Gegenverkehr, direkt neben der Unfallstelle. „So geht das hier ständig“, sagt Patrick Nacev, der die Strecke täglich öfter fährt. „Es würde mich nicht wundern, wenn hier gleich der nächste Unfall passiert.“ Weil die Straße frei ist, regelt die Polizei den Verkehr auch nicht.

Gegen 16.30 Uhr rückt ein spezielles Unfall-Kommando der Polizei an. Die Beamten laufen über das Feld zu dem umgekippten Sattelschlepper und klettern mit einer Leiter ins Fahrerhaus. Laut den anwesenden Streifenpolizisten geht es dabei um Beweissicherung. Es gilt etwa, die Daten des Fahrtenschreibers zu bergen. Dieses Instrument hält sekundengenau etwa die gefahrene Geschwindigkeit eines Lkw fest. Auch Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers werden mit elektronischen Geräten festgehalten. Von der Fracht des Lkw ging dagegen keine Gefahr aus. Auf dem Planenauflieger hatte er Kunststoffteile geladen. Laut Vasili Woitovicz war er mit der Ladung nach Wilsdruff unterwegs.

Die Bergung des umgekippten Lasters gestaltete sich am Nachmittag zunächst kompliziert. Ein leichteres Bergungsfahrzeug von Dussa aus Löbau war zunächst wieder abgerückt. Auch ein Fahrzeug des ADAC kam zum Unfallort. Zu diesem Zeitpunkt war unsicher, ob ein Bergungsfahrzeug aus dem benachbarten Polen oder Tschechien die Bergung vornehmen solle. Der verunglückte Lkw ist in Polen zugelassen. Ausländische Bergungsunternehmen benötigen in Deutschland jedoch eine spezielle behördliche Lizenz, wenn sie einen solchen Auftrag übernehmen wollen.