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Rathaus bleibt Zwangsräumung erspart

Eine Stunde Streit wegen einer Entscheidung: Der Stadtrat hat nun doch für den provisorischen Brandschutz gestimmt.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Nachsitzen in den Sommerferien mag niemand. Dafür, dass viele Stadträte am Donnerstag lieber im Urlaub geblieben wären, als in den Ratssaal zurückzukehren, verbrachten sie dann aber recht viel Zeit am Mikrofon. Dabei ging es in der einstündigen Sondersitzung nur um eine Frage: Darf die Stadtverwaltung die Rathausmitarbeiter vor Feuer schützen?

Immerhin bezweifelte niemand, dass die rund 600 Mitarbeiter in Lebensgefahr schweben, wenn irgendwo im unsanierten Teil des Gebäudes ein Brand ausbrechen sollte. Zu diesem Schluss kamen schon zwei Gutachter. Da alle Flure und Treppenhäuser miteinander verbunden sind, kann der giftige Qualm innerhalb weniger Minuten von ganz oben nach ganz unten ziehen. Stattdessen lieferten sich Rot-Grün-Rot auf der einen Seite und die CDU auf der anderen einen Schlagabtausch darüber, warum sie mitten im Sommer überhaupt hier sitzen müssen.

Vordergründig ist die Frage leicht zu beantworten: Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte den Stadträten im Juni vorgeschlagen, Brandschutztüren und eine automatische Feuermeldeanlage einbauen zu lassen, bevor die Bauaufsicht das Rathaus ganz schließt. Dem wollte der Stadtrat in seiner letzten Sitzung vor den Ferien aber nicht uneingeschränkt zustimmen. Planen kann er, der OB. Aber bevor irgendein Bauauftrag vergeben wird, soll der Stadtrat noch mal darüberschauen, lautete das Ergebnis auf Wunsch der rot-grün-roten Ratsmehrheit. Außerdem setzte die Kooperation durch, parallel eine weitere Variante prüfen zu lassen: einen Komplettauszug aller Mitarbeiter. Dieser hätte ihrer Meinung nach den Vorteil, dass die restliche Rathaussanierung in einem Ritt vollendet werden kann, und keine Provisorien eingebaut werden müssen.

Das Ergebnis dieser letzten Sitzung an einem heißen Freitag? Die Stadtverwaltung hat den Beschluss kassiert, zur Sondersitzung einbestellt und lässt erneut darüber abstimmen. Denn die Bauaufsicht wolle sehen, dass die Brandschutzverbesserungen jetzt in die Wege geleitet werden, und nicht noch eine Hürde im Stadtrat bestehen müssen. „Sonst wird der Laden im schlimmsten Fall zugemacht“, machte Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) den Zeitdruck deutlich.

„Wegen Ihres unverantwortlichen Handelns befinden wir uns jetzt in dieser misslichen Situation“, raunte CDU-Bauexperte Gunter Thiele in Richtung der rot-grün-roten Mehrheit. Die war sich keiner Schuld bewusst. Schließlich könne die Verwaltung doch planen, sagte Linken-Stadtrat Jens Matthis. Er empfinde das alles als ein Sommertheater. Besonders deshalb, weil nicht ein Bürgermeister dem Änderungsantrag im Juni widersprochen hatte. „Es war eine äußerst harmonische Abstimmung und niemand hatte ein Problem.“ Vorjohann gestand ein, den 24 Stunden vorher eingereichten Antrag nicht so schnell überblickt zu haben.

Piraten-Stadtrat Martin Schulte-Wissermann war der einzige, der sich für die Sondersitzung offen bedankte, über sein Selbstverständnis als Stadtrat reflektierte und in Richtung des Oberbürgermeisters fragte, ob Stadträte nur die Vorschläge der Verwaltung abnicken sollen.

Gegen Hilberts Vorschlag stimmte im zweiten Anlauf am Donnerstag aber niemand. Nur die Linke enthielt sich.