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Rattenplage in Zschertnitz

Eine Gruppe der Tiere treibt auf der Räcknitzhöhe ihr Unwesen. Eine Plage in Dresden sieht die Stadt nicht.

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© privat

Von Nora Domschke

Bei einem Spaziergang mit seinen zwei Kindern hat er sie zum ersten Mal entdeckt: tote Ratten. Um den Kleinen den ekligen Anblick zu ersparen, wechselt Martin Ilsche in Höhe des Müllplatzes an der Räcknitzhöhe seitdem immer die Straßenseite. „Einige Tiere liegen da mehrere Tage und werden offenbar angefressen“, erzählt der Dresdner. Als er sich mit der SZ vor dem Hochhaus an der Michelangelostraße trifft, bildet sich sofort eine Menschentraube. Junge und ältere Zschertnitzer berichten von ihren Beobachtungen. Die Ratten seien zur richtigen Plage geworden.

Martin Ilsche
Martin Ilsche © Sven Eller

„Nachts ist es besonders schlimm, da traue ich mich gar nicht mehr an die Mülltonnen“, sagt Heiko Hübel. Seit 20 Jahren wohnt er in dem Sechzehngeschosser. „So etwas habe ich hier noch nicht erlebt!“ Seit eineinhalb Jahren würden die Ratten in einem Tunnelsystem unter dem Müllplatz hausen. Die Löcher der Eingänge sind überall in der Erde zu sehen. Schnell huscht eine doch recht stattliche Ratte an den Mülltonnen entlang. Mitten am Tag, trotz der vielen Menschen. „Sie gehen auch bis zum Supermarkt und bis zur Schule hinüber.“ Hübel deutet mit dem Kopf zum Vitzthum-Gymnasium auf der anderen Straßenseite.

Unhaltbar nennt Stefan Launitz die Zustände in dem Zschertnitzer Hochhaus, in dem auch er seit 20 Jahren lebt. Das Problem sei der Müll. Tatsächlich liegen auch an diesem Nachmittag Essensreste wie alte Tomaten, leere Joghurtbecher, alte Küchenschwämme, ja sogar eine volle Windel auf den Steinplatten vor den abgeschlossenen Tonnen. Genau diese sind nämlich das Problem, sagt Launitz. Zum einen sind die Deckel so hoch, dass Kinder dort nicht herankämen. Das andere Problem wird offenbar, als gerade ein Vater mit seinem Sohn einen Tonnendeckel öffnen will. Denn der bleibt hartnäckig verschlossen. Erst die vierte Tonne kann der Mann mit seinem Schlüssel öffnen. „Die Schlösser sind kaputt“, sagt Heiko Hübel.

Mittlerweile ist die Schädlingsbekämpfungsfirma wieder aktiv. Schwarze, kleine Boxen stehen überall um dem Müllplatz herum – Rattenfallen. Auch im Keller des Hochhauses gebe es diese Kisten, sagt Launitz. Ein Hinweis darauf, dass auch dort die Tiere nach Nahrung suchen. Großvermieter Vonovia bestätigt, dass die Firma sofort beauftragt wird, wenn Ratten von den Bewohnern gemeldet werden. Schon im vergangenen Jahr wurden die Tierfallen aufgestellt, um gegen die Ratten vorzugehen. Gebracht hat es offensichtlich nicht viel.

Als Martin Ilsche die toten Ratten kürzlich entdeckte, meldete er das sofort dem Dresdner Gesundheitsamt. Noch am selben Tag sei die zuständige Verwaltung des Grundstückseigentümers schriftlich aufgefordert worden, etwas gegen die Ratten zu unternehmen, heißt es aus dem Rathaus. Zwei Wochen später habe man sich erkundigt, ob die Maßnahmen auch regelmäßig umgesetzt werden.

Jeder Eigentümer von bebauten oder auch unbebauten Grundstücken ist nämlich verpflichtet, eine „ordnungsgemäße Bekämpfung durchzuführen“, sollten Ratten bemerkt werden. Das regelt die Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Allerdings macht der Müllplatz an der Räcknitzhöhe zurzeit nicht wirklich einen ordentlichen Eindruck. Zwar würde einmal in der Woche ein Vonovia-Auto kommen und den Sperrmüll abholen – immer wieder stehen alte Möbel vor dem Hochhaus, berichtet Launitz. Eine regelmäßige Reinigung des Müllplatzes und der Tonnen gebe es aber nicht, bestätigen die Bewohner.

In der Tat seien es mittlerweile etwas weniger Tiere, bestätigt Stefan Launitz. Er schätzt, dass in den unterirdischen Gängen und Höhlen zeitweise bis zu 40 Tiere lebten. Kein Wunder: Immerhin wird nach knapp einem halben Jahr aus einem Rattenpärchen eine Gruppe mit gut 50 Tieren. Eine generelle Plage gebe es in der Stadt aber nicht, teilt Stadtsprecherin Anke Hoffmann mit. Pro Jahr gehen rund 35 Hinweise zu Ratten beim Gesundheitsamt ein. Nicht erfasst werden die Meldungen, wenn Grundstückseigentümer von sich aus aktiv werden. Das müssen sie nämlich beim Gesundheitsamt anzeigen. Übrigens ist das Auslegen von Rattengift nicht generell verboten. Allerdings dürfen Menschen und andere Tiere nicht gefährdet werden.

Hotline Gesundheitsamt: 4885322