Leipzig
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Raupen fressen sich in Leipzig satt

Der Schwammspinner und der Eichenprozessionsspinner treten derzeit in einigen Regionen als Plagen auf. Was die Folgen für den Menschen sind.

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© Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Von Lisa Forster und Christian Brahmann

Sie sind nur einige Zentimeter lang, treten aber in großen Schwärmen auf - und werden für manche Menschen in Deutschland zur großen Belastung. Raupen von Schwammspinnern und Eichenprozessionsspinnern fressen derzeit Wälder und Gärten kahl.

In Teilen Thüringens, in Franken und um Leipzig tummeln sich derzeit Millionen der schwarzbraunen Schwarmspinner-Raupen. Sie knabbern nicht nur massenweise Eichen und andere Pflanzen ab, sondern kriechen auch in Gärten und an Häuserwänden entlang - und manchmal an Beinen der Menschen hoch. Andere Bundesländer haben zwar keine derart drastischen Fälle, melden aber auch steigende Zahlen, etwa die Umweltministerien von Hessen und Rheinland-Pfalz.

Zur Plage hat sich vielerorts auch der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) entwickelt. Anders als beim Schwammspinner (Lymantria dispar) können diese Raupen Menschen gefährlich werden - wegen ihrer feinen Gifthärchen. Nach Angaben des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in Braunschweig tritt der Schmetterling seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt in Deutschland auf, allerdings sei der Befall regional unterschiedlich.

Doch woher kommt die teils explosionsartige Vermehrung der Raupen? "Sicherlich ist das ein Indiz für den Klimawandel", sagt der Insektenforscher Ronald Bellstedt aus dem thüringischen Gotha. "Die Insekten brauchen Wärme, Licht und Sonne, dann klappt das mit der Vermehrung besser. Wie beim Wetter werden die Extreme durch den Klimawandel immer größer."

"Da es durch den Klimawandel zukünftig verstärkt sommerwarme, sommertrockene Perioden geben wird, wird der Schwammspinner-Befall zunehmen", bestätigt eine Sprecherin des Thüringer Landwirtschaftsministeriums. Der Schwammspinner ist ein wärmeliebender Nachtfalter, der als Raupe bevorzugt Eichenblätter isst. Seit dem heißen und trockenen Jahr 2015 steige seine Populationsdichte, schreibt die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).

Seine Raupen seien für den Menschen zwar lästig, aber in der Regel nicht gesundheitsgefährdend, betont Konrad Nickschick, Fachdienstleiter Umwelt im ostthüringischen Gera. Dort färben Schwammspinner-Raupen gerade einen ganzen Ortsteil dunkel ein. "Wenn man dort lebt, kann man sich nicht in den Gärten aufhalten", sagt Nickschick. "Es ist eine echte psychische Belastung für die Menschen - und ein wirtschaftlicher Schaden, da die Raupen die Laubgehölze in den Gärten abfressen."

Auch vor Hausfassaden machen die hungrigen Raupen nicht halt.
Auch vor Hausfassaden machen die hungrigen Raupen nicht halt. © Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Der Schwammspinner sei ein altbekannter Forstschädling, erläutert ein Sprecher des Thünen-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig. Die Tiere kämen zwar nicht häufig vor, aber wenn, dann sehr massiv. Eine länderübergreifende Ausbreitung in Europa gab es nach Informationen der Bayerischen LWF zwischen 1992 und 1995. Ohne Gegenmaßnahmen dauern Massenvermehrungen demnach etwa vier bis fünf Jahre.

Momentan verzichtet man in Thüringen und Sachsen auf eine Bekämpfung mit Insektiziden, weil dadurch auch Nützlinge vernichtet würden. Im kommenden Frühjahr könnten biologische Schädlingsbekämpfungsmittel wie etwa der Mikroorganismus Bacillus thuringiensis gegen junge Raupen eingesetzt werden, sagt Nickschick. Jetzt seien die Raupen dafür schon zu weit entwickelt.

In Teilen Unter- und Mittelfrankens wurden im April und Mai rund 1000 Hektar Forst mit einem für Schwammspinner giftigen Insektizid besprüht. Im bayerischen Gunzenhausen, wo die Schwammspinner unter anderem ein nahegelegenes 117 Hektar großes Waldgelände kahlgefressen haben, verzichtete man auf die chemische Bekämpfung des Insekts.

Sobald sich die Raupen verpuppen, sei das Problem erst einmal erledigt, sagt Nickschick. Dem Gothaer Experte Bellstedt zufolge entwickeln gesunde Eichen beim sogenannten Johannistrieb, einem zweiten Blattaustrieb Ende Juni, neues Laub. Die Raupen verpuppen sich gewöhnlich bis spätestens Anfang Juli. Die Weibchen legen laut LWF im Sommer bis zu 1000 Eier an Baumstämmen oder dicken Ästen ab. Der deutsche Name der Tiere rührt daher, dass die Gelege mit gelbbrauner Afterwolle bedeckt werden und schwammartig aussehen.

Die Stadt Gera erwägt, im Herbst bei massenhaftem Auftreten die Eier manuell einzusammeln, bevor daraus im nächsten Frühjahr neue Raupen schlüpfen.

Im Gegensatz zum Schwammspinner ist der Eichenprozessionsspinner wegen ihrer feinen Gifthärchen für den Menschen gefährlich. 
Im Gegensatz zum Schwammspinner ist der Eichenprozessionsspinner wegen ihrer feinen Gifthärchen für den Menschen gefährlich.  © Lisa Ducret/dpa

Problematisch kann es für die Bäume werden, wenn sie von weiteren Schadinsekten heimgesucht werden - etwa dem Eichenprozessionsspinner. Da dessen Raupen auch Einzelbäume in Parks, Gärten oder in Freibädern befallen, können sie außerdem zum Problem für Menschen und Tiere werden. Denn die feinen Gifthärchen der Raupen können bei Kontakt zu Hautjucken, Atemnot oder einem allergischen Schock führen.

Derzeit warnt etwa der Landkreis Celle vor dem Berühren der Nester. Vor wenigen Tagen bekamen neun Schulkinder im nordrhein-westfälischen Mülheim an der Ruhr Gesundheitsprobleme, die wahrscheinlich durch Eichenprozessionsspinner ausgelöst wurden. Laut Bericht der Feuerwehr bekam ein Kind bei einem Sportfest Kreislaufbeschwerden, dann klagten mehrere Schüler über Luftnot und Hautreizungen.

Wegen der Raupen des Eichenprozessionsspinners wurden auch schon Straßen und Parks gesperrt. Als mögliche Gegenmaßnahme im öffentlichen Grün nennt das Julius-Kühn-Institut das Absaugen der Nester durch Spezialisten. Und im niedersächsischen Landkreis Gifhorn wurden Eichenprozessionsspinner in diesem Jahr sogar mit Hubschraubern aus der Luft bekämpft: Sie besprühten die Tiere mit dem Mikroorganismus Bacillus thuringiensis. (dpa)