Merken

Razzia bei NPD-Gemeinderat

Martin Hering hatte gestern Besuch von der Polizei. Die Staatsanwaltschaft Koblenz wirft ihm Volksverhetzung vor.

Teilen
Folgen

Von Ines Mallek-Klein

Die Beamten klingelten kurz vor 8 Uhr an dem Haus in Kleinhennersdorf. Sie waren gekommen, um die Wohnung von Martin Hering zu durchsuchen. Der 28-Jährige wurde gerade erst in den Gemeinderat von Gohrisch gewählt. Er ist Mitglied der NPD, verdient sein Geld als selbstständiger Unternehmer und ist mit seinem Internethandel offenbar mit geltendem Recht in Konflikt geraten.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Martin Hering wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 Strafgesetzbuch und der Gewaltdarstellung gemäß Paragraf 131 Strafgesetzbuch, bestätigt deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Rolf Wissen. Es gibt bundesweit acht Beschuldigte. Auf Martin Hering ist die Staatsanwaltschaft Koblenz bei Ermittlungen gegen einen Mann aus dem Westerwaldkreis aufmerksam geworden. Hering und den anderen Betroffenen wird vorgeworfen, CDs mit volksverhetzenden Inhalten vertrieben zu haben. Die Tonträger stammen von mehreren Bands aus der Nazi-Szene, so Oberstaatsanwalt Wissen. Das Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. Bei Verstößen gegen den Paragrafen 130 Strafgesetzbuch drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Die Polizeibeamten waren mit fünf Fahrzeugen vor Ort und haben für ihre Durchsuchung nach SZ-Informationen etwa zwei Stunden benötigt. Sie waren dabei sowohl im Haus unterwegs als auch im benachbarten umgebauten Schweinestall. Dort lehnen an der Wand noch fein säuberlich aufgereiht NPD-Plakate von der letzten Wahl.

Ob CDs oder anderes Material in der Wohnung von Martin Hering beschlagnahmt wurden, teilte Oberstaatsanwalt Wissen noch nicht mit. „Die Durchsuchungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen“, sagte er. Fest steht aber, die Beamten kamen ohne Haftbefehl nach Kleinhennersdorf. Martin Hering war bei der Durchsuchung selbst anwesend, für die Sächsische Zeitung aber zumindest gestern nicht mehr zu sprechen.

Mandat kann verloren gehen

Die Polizeibeamten, die im Einsatz waren, gehören zum Operativen Abwehrzentrum Sachsen (OAZ), das seinen Sitz in Leipzig hat. Sprecherin Kathleen Doetsch bestätigte, dass man im Rahmen der Amtshilfe für die Staatsanwaltschaft in Koblenz tätig war. Mehr Informationen gab es aus Leipzig nicht. Die Koblenzer Staatsanwaltschaft hat sich das Auskunftsrecht für den Polizeieinsatz vorbehalten. Doch auch die hält sich zu den Hintergründen ihrer Ermittlungen bedeckt. „Um den Erfolg nicht zu gefährden, bitte ich um Verständnis, dass ich derzeit keine weiteren Auskünfte erteilen kann“, sagt Oberstaatsanwalt Wissen.

Offen sind auch die Konsequenzen für Martin Hering. Sein Mandat im neu gewählten Gemeinderat verliert er jedenfalls so schnell nicht, sagt der Leiter der Kommunalaufsicht im Pirnaer Landratsamt, Thomas Obst. Das Wahlrecht und die Wählbarkeit verliere nur, wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. Der Verlust des Mandates tritt dann automatisch ein. Auch der Gemeinderat dürfe einem seiner Mitglieder nicht im freien Ermessen einfach das Mandat entziehen, sagt Thomas Obst.

Martin Hering hat bei der letzten Kommunalwahl insgesamt 383 Stimmen, vorzugsweise aus seinem Wohnort Kleinhennersdorf, erhalten und ist damit für die NPD in den Gemeinderat eingezogen. Bürgermeister Heiko Eggert hatte er bei der 575-Jahrfeier von Kleinhennersdorf vor wenigen Wochen eine konstruktive Zusammenarbeit zugesichert. Es gehe um das Wohl der Gemeinde. In der machte gestern die Nachricht von der Razzia schnell die Runde. Es war nicht der erste Polizeibesuch in dieser Straße von Kleinhennersdorf.