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Razzia gegen Hooligans in Cottbus

Ku-Klux-Klan-Masken, Bedrohungen, organisierte Kriminalität: Die Polizei durchsucht Räume in Cottbus, aber auch Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

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Fans von Energie Cottbus.
Fans von Energie Cottbus. © Symbolbild: dpa/Thomas Eisenhuth

Von Alexander Fröhlich

Die Polizei Brandenburg geht seit Mittwochmorgen mit einem Großaufgebot gegen die rechtsextremistische Szene in Cottbus (Brandenburg) vor. In dem seit einem Jahr laufenden Verfahren wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt - nun folgt eine groß angelegte Razzia. Die Einsatzkräfte und Ermittler sind am früheren Mittwochmorgen angerückt, um mehr als 30 Objekte vorwiegend in Cottbus zu durchsuchen, aber auch in Frankfurt (Oder), in Hennigsdorf und Kolkwitz, Görlitz in Sachsen, in Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin.

Nach Tagesspiegel-Informationen wird gegen mehr als 20 Personen ermittelt, die in der breit gefächerten Cottbusser Szene aus Kampfsportlern, Sicherheitsfirmen, Neonazis, der Hooligan-Gruppe „Inferno“ des FC Energie Cottbus und Rockern aktiv sind. Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte diese besondere Mischung in Cottbus, das als Hotspot der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg gilt, vor einiger Zeit als „toxisches Gebilde“ bezeichnet. Vorwürfe: Körperverletzung, Verstoß gegen das Waffenbesitz, Bedrohung, Steuerhinterziehung.

Ausgelöst worden waren die Ermittlungen durch Erkenntnisse aus der Cottbusser Szene. Dort sollen Bedrohungen gegen Journalisten ausgesprochen worden sein. Zugleich sind mehrere andere Straftaten in die Ermittlungen eingeflossen, darunter Körperverletzung, Verstoß gegen das Waffengesetz und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Dabei geht es auch um Attacken auf Journalisten, auf Flüchtlingshelfer und Fans anderer Fußballvereine. Unter den Beschuldigten sind bekannte Namen von Neonazis, die bereits in der Vergangenheit durch Gewalttaten aufgefallen und in die 2012 verbotene „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“, auch bekannt als „Spreelichter“, verstrickt waren.

Rechtstremes Wirtschaftsnetzwerk

Die Cottbusser Szene gilt als besonders gewaltbereit - aber auch als geschäftstüchtig. Die Rechtsextremisten haben ihre eigenen wirtschaftlichen Grundlagen geschaffen - mit florierende Sicherheitsfirmen, Tattoostudios, Kleidungsmarken und Label für rechtsextremistische Musik. Ermittler sprechen auch von einer neuen Qualität der organisierten Kriminalität

Obendrein nehmen Mitglieder der Cottbuser Szene regelmäßig an Kampfsport-Events teil. Für die Neonazis ist der Kampfsport Teil der Vorbereitung auf den „Endkampf“, den „Tag x“, um sich für „den angestrebten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung zu wappnen“.

Ihren Ursprung hatten die Ermittlungen bereits Anfang 2017: Damals waren mehr als 100 Neonazis nachts mit Fackeln ungestört durch Cottbus marschiert. Die Ermittler hatten den Aufmarsch als Machtdemonstration der rechtsextremen Szenen gewertet - auch an die Fanszene des FC Energie.

Dort war es seit Anfang 2017 zu Auseinandersetzungen gekommen. Bedrohungen, Hausbesuche, Gewalt - „Inferno“ hatte Fanszene und Kurve im Stadion der Freundschaft eingehegt und auf Linie gebracht. Die größte Ultra-Gruppe im Stadion des FC Energie Cottbus hatte sich zum Aufgeben gezwungen gesehen.

Die Polizei reagierte auf die Eskalation und gründete 2017 die Ermittlungsgruppe „Feuer“. Diese nahm jedoch zunächst nur einzelne Straftaten in den Blick. Dabei hatten die Ermittler aber auch davon erfahren, dass in der Szene mit Gewalttaten gegen Journalisten gedroht wird.

Auch deshalb lösten Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Cottbus im April 2018 dann die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung aus. Das Verfahren ist in der Brandenburger Polizei hoch angebunden, Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke wurde stets direkt informiert, der Fall liegt beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes.

Die Gewalt und die Bedrohungen halten in der Fanszene bis heute an: Zwar hatte Inferno Cottbus im Mai 2017 vorgeblich seine Auflösung bekannt gegeben, nachdem die Tagesspiegel-Schwesterzeitung „Potsdamer Neueste Nachrichten“ und der RBB nach gemeinsamen Recherchen berichtet hatten, dass die Schläger-Truppe ein Klima der Angst in der Fanszene verbreitet. Mit der Auflösung wollten die Rechtsextremisten einem Verbot durch die Sicherheitsbehörden zuvorkommen.

Doch die Neonazi-Hooligans machten hinter den Kulissen einfach weiter. Die frühere „Inferno“-Truppe hat ihre Vormachtstellung in der Kurve gewaltsam durchgesetzt. Auch der Brandenburger Verfassungsschutz stellte zur angeblichen „Inferno“-Auflösung klar: „Es darf davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei nur um ein Lippenbekenntnis handelt.“ Als Beleg führte der Nachrichtendienst gemeinsame Fahrten der „Inferno“-Hooligans zu Rechtsrock-Konzerten und rechtsextremen Kampfsportturnieren an.

Schließlich tauchten die Neonazis-Hooligans auch bei den regelmäßigen Demonstrationen des fremdenfeindlichen Vereins „Zukunft Heimat“ auf. Sie werden auch für Attacken am Rande der Demonstrationen verantwortlich gemacht.

Und Ende August 2018 kam es zu einem Vorfall, der deutschlandweit Schlagzeilen machte. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Wiederaufstieg in die dritte Liga waren mehrere Hundert Fans nach dem Spiel durch die Cottbuser Innenstadt gezogen. Auf dem Altmarkt zogen mehrere Fans weiße Mützen im Stil des rassistischen Ku-Klux-Klans auf. Ungestört konnten sie ihr Banner präsentieren - es trug den Schriftzug „Aufstieg des Bösen“ - offenbar eine Anspielung auf eine bekannte Filmbiografie über „Adolf Hitler“.