Merken

Real-Markt wird Flüchtlingslager

Trotz bislang gegenteiliger Information will der Freistaat das leerstehende Gebäude in Niederau für mehr als 500 Asylbewerber nutzen.

Teilen
Folgen
© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Niederau. In den nächsten Tagen sollen mehr als 500 Asylbewerber in der leerstehenden Halle des Real-Marktes in Niederau untergebracht werden. Das erfuhr die SZ gestern aus zuverlässiger Quelle. Der Freistaat will demnach die Immobilie als Erstunterkunft nutzen. Bisher hatte die Landesdirektion immer dementiert, dass dieses Gebäude auch nur als Möglichkeit geprüft würde. Die 5 000 Quadratmeter große Halle steht seit vorigem Sonnabend leer. Real hat den Markt wegen Unrentabilität geschlossen. Eigentümer des Grundstückes ist die Taurus Investment Holding (Deutschland) GmbH aus München. Geschäftsführer Ulrich Gerhardt hatte schon Anfang August abgelehnt, sich jetzt und auch in „naher Zukunft“ dazu zu äußern, wie die Immobilie genutzt werden soll. Vermutet wird, dass er damals das Objekt schon dem Freistaat Sachsen als Flüchtlingsunterkunft angeboten hatte.

Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen, hat die Meldung am gestrigen Nachmittag weder bestätigt noch dementiert. „Das Objekt befindet sich in einer intensiven Prüfung. Ich gehe davon aus, dass spätestens am Mittwoch eine Entscheidung fällt“, sagte er. Für Landrat Arndt Steinbach (CDU) steht die Entscheidung schon fest: „Ich verstehe die Not des Freistaates. Das Innenministerium hat keine leichte Aufgabe. Auf der anderen Seite haben wir schon drei Einrichtungen des Freistaates in Meißen. Die laufen zwar relativ problemlos. Aber in Summe werbe ich um eine gerechte Verteilung der Einrichtungen im Freistaat“, sagte er.

Kritik an Freistaat

Steinbach kritisiert die Informationspolitik des Freistaates: „Ich erwarte, dass auch die Menschen in Niederau und Weinböhla vorab informiert werden, dass Hunderte Asylbewerber in den nächsten Tagen in der Gemeinde untergebracht werden und natürlich die Infrastruktur auch von Weinböhla nutzen werden.“ Der Landkreis werde das Innenministerium bei der Lösung seiner Probleme im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen, so Steinbach weiter.

Der Niederauer Bürgermeister Steffen Sang (parteilos) findet klare Worte: „Sollte der Freistaat das Objekt für mehrere hundert Asylsuchende auswählen, könnte ich dies nur aufs Schärfste verurteilen. Natürlich werden jetzt alle leerstehenden und beheizbaren Immobilien zu prüfen sein. Im Bereich Meißen, Niederau und Weinböhla könnten nun mehrere Tausend Flüchtlinge untergebracht werden. Für mich wäre die Aufnahme im Meißner Land unverhältnismäßig hoch und keinesfalls gerecht im Freistaat verteilt.“

Der Ort Niederau mit seiner überwiegend ländlichen Prägung wäre überfordert. „Berechtigte Ängste unserer Bürger muss ich ernst nehmen“, so Sang. Informationen werde er erfahrungsgemäß sehr kurzfristig erhalten.

Das Wohnheim der Sächsischen Verwaltungsfachschule in Meißen-Bohnitzsch sei derzeit mit rund 600 Flüchtlingen belegt. Die oft sich selbst überlassenen Bewohner besuchten als „Wandergruppen“ auch das benachbarte Ockrilla. „Man darf diese Flüchtlinge nicht kriminalisieren. Aber leider wächst die Angst unserer einheimischen Bevölkerung, wenn auch zum überwiegenden Teil nicht begründet“, sagt der Bürgermeister.