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Rebelliert die FDP gegen Zastrow?

Seit 17 Jahren ist der Dresdner Chef der Sachsen-Liberalen. Diese Ära gehe nun zu Ende, sagen Parteifreunde.

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© Ronald Bonß

Von Julia Vollmer und Tobias Wolf

Will sich die Dresdner FDP neu erfinden, und nur einer steht im Weg? So richtig aus dem Schatten treten will noch keiner aus dem Kreisverband, um den langjährigen Vorsitzenden Holger Zastrow offen zu kritisieren, obwohl hinter den Kulissen längst an Umsturzplänen gefeilt wird. Von Rücktritt ist die Rede. „Mir sind solche Forderungen oder Gerüchte in der Partei nicht bekannt“, sagt der 47-Jährige.

Dabei sitzen Schmerz und Wut bei den Liberalen tief über die vergeigten Kommunal- und Landtagswahlen vor knapp zwei Jahren, die der sonst so selbstbewusste Zastrow damals fassungslos mit den Worten kommentierte: „Versteht ihr das? Ich nämlich nicht.“ Seither gärt es in der Partei.

Immer mehr fordern deshalb hinter vorgehaltener Hand, dass eine Neuausrichtung auch nur mit einem neuen Vorsitzenden zu machen sei. Er schade inzwischen mehr, als er der FDP nütze, so der Tenor. Vor allem Zastrows „sächsischer Weg“ gilt als Relikt der Vergangenheit, als Worthülse ohne jeden Inhalt. „Es reicht eben nicht, zu sagen, wir sind anders als die in Berlin“, ätzt ein langjähriges Mitglied. „Dass das ein Irrweg war, sehen inzwischen viele, auch auf höherer Ebene“, sagt ein anderer von der Basis, der Zastrow schon länger kritisiert und prophezeit: „Den Frühjahrsparteitag wird er wohl nicht überleben.“ Politisch, wohlgemerkt.

Auf dem letzten Bundesparteitag sei er herumgeschlichen wie ein einsamer Wolf. Der neue FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und er würden nicht gerade als Freunde gelten. Zastrows Zeit sei schon nach der Landtagswahl 2009 abgelaufen gewesen. Zu lange habe sich die Partei an ihren Vorsitzenden geklammert. Vor allem die Leipziger Liberalen wollen die bisherige Dresdner Dominanz brechen und ihre eigene Politik stärker in den Landesverband tragen. Seit 1999 steht Zastrow an der Spitze der Sachsen-FDP. In Dresden führt er die Fraktion im Stadtrat als Vorsitzender.

Der Harthaer Parteitag im vergangenen Jahr kündete vom Ende der Zastrow-Ära. Zwar wurde der Dresdner Werbeagenturinhaber noch einmal als Parteichef bestätigt, aber nur mit 58 Prozent der Stimmen – ein desaströses Ergebnis, nachdem er jahrelang Zustimmungsraten von um die 95 Prozent gewöhnt war.

In jüngster Zeit hat Zastrow vor allem sein Festhalten an FDP-Stadtrat Jens Genschmar geschadet, den viele Parteimitglieder als zu pegidanah kritisieren und der in Kommentaren im Internet immer wieder für Irritationen sorgte: mit Verständnis für die islamfeindliche Bewegung, Angriffen auf Politiker anderer Parteien und Verbalattacken auf Journalisten.

Genschmar gehört mit Pegida-Mitbegründer René Jahn und Ex-FDP-Stadträtin Barbara Lässig zum Initiatorenkreis der umstrittenen Bürgerdialoge in der Kreuzkirche. Auf dem Dresdner FDP-Parteitag im März sorgte die Personalie Genschmar für Streit. Kreischef Holger Hase stellte klar: „Den Weg, den Jens Genschmar vor allem auf Facebook einschlägt, spiegelt nicht die allgemeine Meinung der Partei wider.“

Die FDP sprach sich „grundsätzlich gegen jegliche Form der Unterstützung von Pegida“ aus. Dennoch sei es Genschmars Sache, was er auf seinem privaten Facebook-Profil treibt, so der Kreisvorstand. Man müsse mit Pegida-Anhängern reden und sie nicht abschieben, auch wenn reden nicht immer hilft, sagt Hase. Viele der Vorurteile, der sich rechte Hetzer bedienen, seien das Resultat fehlenden Wissens. „Unser Ziel ist es, wieder mehr Vertrauen der Menschen in die Politik aufzubauen“, sagt der Kreischef. „Wir müssen mehr Zeit und als Gesellschaft mehr Geld in die politische Bildung investieren.“ Zastrow könnte nun auf die Füße fallen, dass er sich nicht klar abgegrenzt hat von Pegida.

Die FDP will klassische Themen bedienen: die Wirtschaft fördern, Investoren anlocken. Die Woba-Neugründung lehnt sie ab, Dresdens Schuldenfreiheit sei wichtiger. Ebenso wichtig sei eine sinnvolle Integrationspolitik, mehr Deutschkurse anzubieten, statt Teddys zu verteilen. Das ist zwar keine wirkliche Neuerfindung der Partei  – nur vielleicht bald ohne Zastrow.