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Reichmühle – arm dran

Udo Hirth gehört das imposante Gebäude – mehr denn je ist unklar, was daraus wird.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Von 20 Gebäuden, die sich zum großen Teil in Privathand befinden, ist in Gerüchten die Rede, die in diesen Tagen in der Stadt kursieren. Sie sollen nach dem Willen der Stadtverwaltung zum Abriss freigegeben werden. Häuser am Schlossberg sollen ebenso betroffen sein wie am Neumarkt, in der Obergasse, die Bienenwirtschaft, die frühere Reichmühle. „Es gibt definitiv keine Abriss-Liste der Stadt“, weist Baudezernent Steffen Wackwitz solche Behauptungen zurück. – So stand es am 19. Mai 2009 in der SZ.

Was die Bienenwirtschaft und die Reichmühle betrifft, hat sich bis heute, acht Jahre später, nichts geändert. Zur ehemaligen Bienenwirtschaft hatte einer der Eigentümer der Immobilie, Hans Breitsamer aus München, im März in dieser Zeitung erklärt, dass es keine ernst zu nehmenden Kauf- oder Nutzungsangebote gäbe, weshalb der Gebäudekomplex gehalten und nicht verkauft werde. Das bedeutet, dass sich in absehbarer Zeit nichts an dem Gebäudeensemble tun wird.

Und die benachbarte Reichmühle? Was wird aus ihr? Irgendjemand hat den Zeiger der Uhr am Treppenturm des Gebäudes auf 5 vor 12 gestellt – symbolträchtiger geht es nicht. Und in der Tat bietet das einst stattliche Industriegebäude von Jahr zu Jahr mehr einen Anblick des Jammers. Die Rückfront ist mit Unkraut zugewuchert, Fensterscheiben sind zerbrochen, und aus der Wand ragende Stahlträger und die Ranken von Wein bilden eine bizarre Skulptur.

„Einen Bauantrag zur alten Reichmühle gibt es nicht“, antwortet Stadtsprecherin Katharina Reso auf eine entsprechende Nachfrage. Und: „Der Zustand der Immobilie ist statisch stabil, äußerlich jedoch desolat – kaputte Fenster, defekte Dacheindeckung und Dachentwässerung, Außenflächen am Gebäude wirken ungepflegt, starker Grünbewuchs.“

Die Stadtverwaltung stehe im Kontakt mit dem Eigentümer, so die Sprecherin, „hierbei seien teils mündlich und teils schriftlich auch notwendige Sicherungsmaßnahmen benannt worden: „Diese hat der Eigentümer bislang wie gefordert beauftragt, so dass eine Sicherungsanordnung bisher noch nicht erforderlich war.“

Eigentümer der Reichmühle ist Udo Hirth aus Meschede im Sauerland, 70 Kilometer Luftlinie südöstlich von Dortmund. Er habe nirgends Fördermittel für die Mühle bekommen, so Hirth, der angibt, auf die 80 zuzugehen. „Jetzt weiß ich auch nicht, was daraus wird, es sind schwierige Zeiten.“ Er habe kein Geld, um etwas mit der Mühle anzufangen. „Man könnte ein Parkhaus einbauen, in Meißen fehlen Parkplätze, aber ich habe die Mittel dazu nicht. Meine eigene Tochter lässt mich vor die Wand fahren, ich habe ihr anderthalb Millionen überschrieben.“

Warum er die Reichmühle nicht einfach verkaufe, lautet die Frage. „Wir sind in der 12. Generation Müller, es ist äußerst selten, dass wie in der Reichsmühle die alten Produktionsanlagen noch intakt sind. Wenn ich die Mühle verkaufe, ist alles weg.“ Wenn das Gebäude verfalle, sei auch niemandem geholfen. „Solange das Dach dicht ist, geht´s doch.“ Die Mühle und ihr Umfeld bieten keinen schönen Anblick, zumal sie am Porzellanpfad liegen, der die Altstadt mit der Manufaktur verbinden soll. Hirth beschwert sich, dass an der Seite der Talstraße die Scheiben der Kellerfenster eingeschlagen würden und Müll ins Gebäude geworfen würde. Er habe schon drei Container abfahren lassen. „Man verliert die Lust am Eigentum. Wenn mir niemand unter die Arme greift, wird nichts.“