Von Thomas Schade
Auf dem Oberdeck wird es unheimlich. Neben Julien Pascalet, dem Kapitän, steht Ioana Mitu. Sie stimmt Adeles „Skyfall“ an, die Titelmelodie des gleichnamigen James-Bond-Klassikers. Es wird immer dunkler. „This is the end“, singt Ioana, das hier ist das Ende. Einige Passagiere genießen das dramatische Spektakel bei einem Glas Wein und zücken die Handys, als sich vor ihnen mächtige Tore öffnen. Langsam verlässt die A-Rosa Stella die Schleuse von Bollène, die größte von 13 Schleusen, die Schiffe auf dem Weg von Lyon zum Mittelmeer auf der Rhone passieren. In Bollène sinkt der Pegel um 23 Meter.
Flusskreuzfahrten werden zunehmend eine Alternative zu den schwimmenden Bettenburgen auf den Ozeanen. Kein Seegang, keine Seekrankheit und trotzdem komfortables Reisen – das kommt an. 700.000 Deutsche waren laut Statistikportal Statista im vergangenen Jahr auf den Flüssen der Welt unterwegs. Allein auf europäischen Gewässern fahren schätzungsweise 400 Kreuzfahrtschiffe.
Die A-Rosa Stella ist eines von ihnen. Sie gehört zu den zwölf Schiffen mit dem Kussmund und der roten Rose am Bug, Markenzeichen der A-Rosa-Flussschiff GmbH. Fast alle wurden auf der Neptunwerft in Warnemünde gebaut. Die A-Rosa Stella beherbergt etwa 170 Passagiere. Eine 52-köpfige Crew sorgt für deren Wohl. Unter Deck gibt es Spa, Physiotherapie, Sauna und eine Muckibude. Das Oberdeck bietet Platz für Minigolf und einen Pool. E-Bikes stehen für Ausflüge an Land bereit.
Der Grand Canyon Frankreichs
Am Flusskilometer 166 taucht Viviers auf. Kreuzfahrer machen hier Station, weil die Gäste nach wenigen Hundert Metern zu Fuß in einem mittelalterlichen Städtchen stehen, dessen Gassen verschont blieben von Industrie, Moderne und Krieg. Eine Brücke zeugt von den römischen Ursprüngen, die in vielen Orten entlang der Rhone zu finden sind. Kreuzfahrer erkunden von Vivier aus die Ardèche. Ein Nebenfluss der Rhone gibt dem Landstrich seinen Namen. In Jahrmillionen schuf das Wasser die Gorges de l’Ardèche, den Grand Canyon Frankreichs.
Tief unten, am Vallon-Pont-d’Arc, einem 54 Meter hohen Natursteinbogen, lassen Touristen ihre Kajaks zu Wasser. Wassersportler brauchen für die 30 Kilometer lange Tour durch die grandiose Kalksteinlandschaft sieben Stunden. Freizeitpaddler genießen die Strecke zwei Tage lang. Kreuzfahrer bewundern die Ardèche in 300 Metern Höhe von der Panoramastraße.
Hinter Vivier passiert die A-Rosa Stella einige Flusskilometer, die mal sehr gefährlich waren wegen ihrer Stromschnellen. Eine Qual für Menschen und Pferde, die die Lastenboote früher stromaufwärts zogen, bis Dampfmaschine und später Dieselmotor den Antrieb übernahmen. Mit der Regulierung des Flusses beseitigte man die Gefahren. So gleitet die 124 Meter lange A-Rosa Stella in der Flussmitte sicher dahin. Vorbei ziehen alte Siedlungen wie Orange oder Châteauneuf-du-Pape, früher Sommerresidenz der Päpste von Avignon, heute bekannt für seine Rotweine.
Präzisionsarbeit an den Schleusen
Im Osten erheben sich die französischen Alpen, am Westufer sind Ausläufer des Zentralmassivs ständige Begleiter. Kapitän Julien zeigt nach vorn und erklärt, dass das Rhonetal nun immer breiter werde. „Vor uns liegt die Provence, es wird mediterran.“ Neugierige Passagiere schrecken den Kapitän nicht. „Come in“, ruft der Franzose und erklärt, wie er das Schiff navigiert. Ihm hilft kein Autopilot wie im Flugzeug, sondern ein Flussradar, das die A-Rosa Stella auf Kurs hält.
Auch sonst laufen hier alle Informationen zusammen: wie die Maschinen laufen, wie schnell das Schiff fährt und wann die nächste Schleuse den Weg versperrt. Dann ist die Plauderei zu Ende. Der Kapitän muss Präzisionsarbeit leisten. Die Schleusen auf der Rhone sind zwölf Meter breit – sein Schiff 11,40 Meter.
Die Provence – das sind Metropolen wie Marseille und Nizza, Glamourorte wie Cannes oder Saint-Tropez, aber auch Perlen wie Arles oder Avignon. Und diese Perlen liegen an der Strecke.
Van Gogh fand kein Glück in Arles
Mitten in Arles, am Place du Forum, tummeln sich Japaner vor einem gelben Haus und schießen Selfies. 136 Jahre zuvor stand Vincent van Gogh an der Stelle an seiner Staffelei und malte an einem Septemberabend 1888 die „Café-Terrasse am Abend in Arles“, eines seiner bekanntesten Bilder.
Auf der Suche nach Licht und Freiheit war der Holländer in die Provence gereist und in Arles hängen geblieben – für mehr als ein Jahr. 187 Bilder schuf er in dieser Zeit, darunter die Sonnenblumen und die nächtlichen Sternenhimmel. Keines dieser Werke ist in der Stadt geblieben. Dennoch bietet sie reichlich antike und neuzeitliche Kultur. Das römische Amphitheater wird bis heute für unblutige Stierkämpfe und Konzerte genutzt. Van Gogh fand kein Glück in Arles.
Der südliche Nachthimmel verwirrte seine Seele. Die Leute nannten ihn „den rothaarigen Verrückten“. Ein Vierteljahr nachdem er die „Café-Terrasse am Abend“ gemalt hatte, verstümmelte van Gogh sein linkes Ohr. Das Hospital, das ihn aufnahm und das er malte, ist heute ein Kulturzentrum. Das Café am Place du Forum ist geschlossen – seit Jahren schon, sagt die Stadtführerin.
Einst einer der wichtigsten Orte Europas
Am nächsten Morgen liegt das Schiff im Hafen von Port Saint Louis du Rhone. Allein das Mittelmeer sehen Reisende nur, wenn sie einen Ausflug zur Küste buchen. Küchenchef Stefan Petrov nutzt die Zeit und kauft bei Joaline, einer örtlichen Fischhändlerin, frische Meeresfrüchte. Am folgenden Tag steht er auf dem Oberdeck und bereitet eine Bouillabaisse zu. Diese Fischsuppe hat ihren Ursprung in den Fischerhütten von Marseille. Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, Fenchel, Olivenöl gehören dazu, Weißwein, Riesengarnelen, Miesmuscheln und Fische wie Drachenkopf, Seeteufel, Knurrhahn oder Wolfsbarsch. Stefan schmeckt den dampfenden Fischtopf mit Thymian, Lorbeer und Safran ab. Für Fischesser ein Genuss.
Auf dem Heimweg macht die A-Rosa Stella in Avignon fest, bei der Pont Saint-Bénézet. Die unvollendete Brücke hat mit dem Volkslied „Sur le pont d’Avignon“ ebenso zur Popularität der Stadt beigetragen wie die historischen Sakralbauten aus dem 13. und 14. Jahrhundert, als die Päpste von Rom für 70 Jahre ihre Residenz nach Avignon verlegt hatten. Damals war die Stadt einer der wichtigsten Orte Europas. Das wirkt bis heute nach. Vier Millionen Besucher schauen sich jährlich die Altstadt mit dem Papstpalast und dem Sitz der Bischöfe an.
Östlich von Avignon liegen zwei der schönsten Dörfer der Provence. Gordes schmiegt sich eng an eine Hügelkette und wird gerade zum Refugium der französischen Prominenz. Roussillon, ein malerisches Dorf mit Oleanderbäumchen an jeder Ecke lockt wegen der ockerfarbenen Felslandschaft viele Besucher an.
Zufriedenheit macht sich breit
Bei Flusskilometer 91 legt die A-Rosa Stella noch einmal an. Am linken Ufer erhebt sich der Zeugenberg. Hier reifen die Weine der Hermitage. Vom Schiff aus sind die Weinhänge leicht zu erreichen. Wer hinauf bis zur Christopherus-Kapelle gekommen ist, hat Durst auf dem Heimweg zum Schiff. Im Ort laden Händler zum Probieren ein. Nach ein paar Gläsern macht sich Zufriedenheit breit. Im Keller stehen die Preise auf den Flaschen. Sie beginnen um die 60 Euro. Probiert wurden diese edlen Tropfen nicht.
Der Händler lächelt: In den Gläsern war Crozes-Hermitage. Der wächst auf fast 2.000 Hektar jenseits des Zeugenberges. Die Kernlage misst nur 136 Hektar. Die rund 70.000 Hektoliter, die auf der viel größeren Lage Crozes-Hermitage erzeugt werden, sind schon ab 15 Euro zu haben – mit etwas Glück auch bei Aldi.
Auf der Rhone
- Flusskreuzfahrten auf der Rhone werden von mehreren Reedereien angeboten. Die meisten Schiffe bewegen sich auf den rund 300 Kilometern zwischen Lyon und dem Mittelmeer.
- A-Rosa fährt seit mehreren Jahren mit den Schiffen Stella und Luna auf dieser Strecke.
- Beide Schiffe verfügen über Außenkabinen verschiedener Kategorien. Alle Kabinen haben WC, Dusche und Klimaanlage.
- Wählbar sind Reisen von 5, 7 und 14 Tagen.
- Gebucht werden kann bei A-Rosa direkt oder Vertriebspartnern.
- Auch SZ-Reisen bietet eine Flusskreuzfahrt auf der Rhone mit A-Rosa inklusive Haustürtransfer an.
- Die Preise richten sich nach Kabinenkategorie, Reisezeit und Reisedauer. Preise der siebentägigen Fahrt beginnen bei etwa 1.000 Euro.
- Angeboten werden zahlreiche Ausflüge an Land, so in die Ardèche, die Camargue oder die Weinberge von Tain-l’Hermitage. Alle Ausflüge werden zusätzlich gebucht.
- Ausgangspunkt ist stets Lyon. Passagiere reisen mit dem Flugzeug, mit dem TGV oder mit dem Auto an.
- Diese Reise wurde organisiert von der A-Rosa Flussschifffahrt GmbH.