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Renaissance am Ring-Café

Die legendäre Leuchtreklame strahlt wieder: Das einst größte Tanzlokal der DDR lädt zu Walzer, Cha-Cha-Cha oder Disco-Fox und die Senioren .

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© Waltraud Grubitzsch/dpa

Von Birgit Zimmermann

Leipzig. Als der DJ Roland Kaiser auflegt, hat Birgit Heßler (60) zum ersten Mal an diesem Abend ein bisschen Zeit. Der Schlagerbarde singt von Liebe und Verlangen. Auf der Tanzfläche des Ring-Cafés in Leipzig drehen sich schwungvoll die Paare, die meisten - aber nicht alle - im Rentenalter. Und Heßler erzählt, wie sie vor inzwischen elf Jahren mit den Tanzveranstaltungen eine Legende wiederbelebt hat: Das denkmalgeschützte Ring-Café galt einst als größtes Tanzlokal der DDR.

Senioren-Schwoof im Ring-Café

Eine gutbesuchte Tanzveranstaltung im ehemals größten Tanzlokal der DDR.
Eine gutbesuchte Tanzveranstaltung im ehemals größten Tanzlokal der DDR.
Der DDR-Klassiker Ragout fin geht immer.
Der DDR-Klassiker Ragout fin geht immer.
Das ehemals größte Tanzlokal der DDR, das inzwischen denkmalgeschützte «Ring-Cafe» in Leipzig, entstand zwischen 1952 und 1956 auf zwei Etagen als Element des charakteristischen Stalin-Baus am Leipziger Innenstadtring.
Das ehemals größte Tanzlokal der DDR, das inzwischen denkmalgeschützte «Ring-Cafe» in Leipzig, entstand zwischen 1952 und 1956 auf zwei Etagen als Element des charakteristischen Stalin-Baus am Leipziger Innenstadtring.
Das Tanzparkett verlangt nach einer gewissen Eleganz.
Das Tanzparkett verlangt nach einer gewissen Eleganz.
Geschäftsführerin Birgit Heßler sitzt an der mit festlichem Interieur der 50er Jahre ausgestatteten Bar des Ring-Cafés.
Geschäftsführerin Birgit Heßler sitzt an der mit festlichem Interieur der 50er Jahre ausgestatteten Bar des Ring-Cafés.
Spielt Alleinunterhalter Reiner Herrmann auf, drängeln sich die Paare auf der Tanzfläche.
Spielt Alleinunterhalter Reiner Herrmann auf, drängeln sich die Paare auf der Tanzfläche.
Die Leuchtreklame strahlt wieder.
Die Leuchtreklame strahlt wieder.

„Ich war 1986/87 im Ring-Café Restaurantleiterin“, berichtet Heßler. Dass sie gelernte Kellnerin ist, kann man sehen. Vier Ragout fin müssen an Tisch 18 gebracht werden? Kein Problem für die 60-Jährige; leichthin balanciert sie die Teller mit den kleinen Auflaufförmchen aus der Küche in den Saal. Nach dem Mauerfall habe sie das Ring-Café eigentlich aus den Augen verloren, sagt sie. 1992 wurde es nach Angaben der kommunalen Wohnungsgesellschaft LWB geschlossen. Nach der Jahrtausendwende wurde dann Heßlers Lebensgefährte - ein Österreicher - darauf aufmerksam.

„Er war ein Hans Dampf in allen Gassen, wollte immer etwas anders machen“, erzählt Heßler. Sie selbst hatte sich inzwischen mit einem Reisebüro selbstständig gemacht, organisierte aber auch damals schon Tanzabende „für die reifere Jugend“, wie sie sagt. Zwei Jahre mietete sie das Ring-Café tageweise an, bevor sie sich 2006 entschloss, das 500 Quadratmeter große Lokal in dem charakteristischen Stalin-Bau am Leipziger Innenstadtring gänzlich zu übernehmen.

Sechs, sieben Veranstaltungen im Monat organisiert Heßler selbst in dem Traditionslokal. Neben den Tanzabenden und -nachmittagen waren auch schon Modenschauen oder ein Brunch während des Wave-Gotik-Treffens (WGT) dabei. In diesem Jahr plant sie Leipzigs ersten Hochzeitskleiderball. Zudem wird der Saal für Preisverleihungen, Abifeiern und Empfänge genutzt. Eine tägliche Gastronomie wie früher sei im Ring-Café dagegen nicht mehr zu machen, sagt Heßler. Dafür sei es zu groß.

Zu den Tanzveranstaltungen kommen im Schnitt 100 Gäste. Heßler macht den Einlass, springt ab und an als Kellnerin ein, sucht auch mal eine Jacke aus der Garderobe. Sie ist die Geschäftsführerin der Ring-Café GmbH - aber auch „Mädchen für alles“. Auch ihr Reisegeschäft betreibt sie noch, allerdings in kleinerem Ausmaß. Sie habe 7 Tage die Woche einen 10- bis 14-Stunden-Job. „Aber ich mache es halt gerne. Ich kann nicht sagen, dass es eine Belastung ist“, sagt die 60-Jährige.

Bestätigung findet Heßler in den Rückmeldungen ihrer Gäste. Sie schätzt, dass 80 Prozent der Tänzer Stammgäste sind. „Hier haben sich schon so viele Gruppen gebildet. Wir haben auch schon Pärchen verkuppelt“, sagt sie und lacht. Gerade für „die reifere Jugend“ gebe es wenig Angebote, findet Heßler.

Das bestätigt Jürgen Mäde (77), der mit Karin Ruft (76) und zwei Bekannten aus Halle anreist, um im Ring-Café zu tanzen. „Soll ich Ihnen sagen, warum wir herkommen?“, fragt der ehemalige Fregattenkapitän. „Wir kommen her, weil in Halle nichts los ist.“ Der Tanz und die Silvester-Feier im Ring-Café stehen fest im Terminkalender des Quartetts. „Und wenn in Leipzig Schwarze Messe ist“, sagt Ruft und meint das WGT, „dann kommen wir auch!“ (dpa)