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Richterin hat Erbarmen mit krankem Reichsbürger

Weil er einer Zahlungsauflage nicht nachkam, muss ein Pirnaer vor Gericht erscheinen. Doch das will er nicht anerkennen.

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© Symbolbild/dpa

Von Yvonne Popp

Osterzgebirge. Seiner Sache scheinbar sicher, marschierte ein 31-jähriger Mann in den großen Sitzungssaal des Pirnaer Amtsgerichts. Hoch erhobenen Hauptes blieb er vor der Richterin stehen und verlangte vor Beginn der Verhandlung, dass sie ihre Berechtigung vorweist. David W., der wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln angeklagt war und auf den vor dem Saal zwei Polizeibeamte mit einem Haftbefehl wegen der Vollstreckung nicht gezahlter Bußgelder gewartet hatten, berief sich damit auf die Argumente der sogenannten Reichsbürger.

Dieser Gruppierung zufolge existiert das Deutsche Reich völkerrechtlich bis heute weiter, da die Weimarer Reichsverfassung weder von den Nationalsozialisten noch von den alliierten Siegermächten jemals abgeschafft wurde. Damit, so meinen die „Reichsbürger“, sei die Bundesrepublik völker- und verfassungsrechtlich illegal und rechtlich betrachtet nicht existent. Und deshalb glaubte der Angeklagte, könnten ihm die Staatsanwaltschaft und Richterin rein gar nichts.

Richterin Simona Wiedmer ließ sich darauf aber nicht ein. „Ihnen geht es hier nicht um die Aufarbeitung deutscher Geschichte, sondern darum, etwas zu Ihren Gunsten auszunutzen.“ Sie fragte den Mann, ob er allen Ernstes angenommen habe, dass sie seinen Ausführungen folgen und nicht gegen ihn verhandeln würde. Darauf hatte der Angeklagte keine Antwort. Ohnehin hätte sich der vorbestrafte Deutsche den erneuten Gang vors Gericht leicht ersparen können, denn ursprünglich war das Verfahren gegen ihn wegen des Besitzes von rund 18 Gramm Haschisch unter Auflagen eingestellt worden, da er glaubhaft machen konnte, dass er das Cannabis zur Behandlung seiner Multiplen Sklerose benötigte. Das Gericht hatte dem Erkrankten allerdings zur Auflage gemacht, sich bei der Bundesopiumstelle eine Erlaubnis über Drogenkonsum zu schmerztherapeutischen Zwecken zu besorgen und zusätzlich eine Summe von 300 Euro zu zahlen. Zudem bekam der Mann einen Anwalt zur Seite gestellt, der ihn bei den Behörden- und Arztbesuchen unterstützen sollte. Weil sich der Angeklagte aber nie bei seinem Anwalt gemeldet und sich weder um die Bescheinigung noch um die Zahlung der Geldauflage gekümmert hatte, musste das Hauptverfahren eröffnet werden.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bemühte sich um Verständnis, als sie den gelernten Verfahrensmechaniker fragte, warum er all seine Chancen in den Wind geschlagen hatte. Er antwortete, dass er keinen Arzt gefunden habe, der ihn beim legalen Konsum von Cannabis unterstützen wollte. Das Geld, so erklärte er, wieder auf die Reichsbürgerbewegung verweisend, habe er nicht vollständig gezahlt, weil er sich in einem Zustand der „Rechtsunsicherheit“ befunden habe. „Der böse Rechtsstaat, den Sie so verachten, hat aber eine ganze Menge für Sie getan“, betonte Richterin Wiedmer. Anschließend machte sie dem Mann klar, dass die Einstellung des Verfahrens ein großes Zugeständnis war, zumal er zum Zeitpunkt der Tat noch unter Bewährung gestanden hatte.

Mit der Wiederaufnahme war die Einstellung nun hinfällig geworden. Wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilte die Richterin den Angeklagten zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1 500 Euro. Zudem muss er auch für die Prozesskosten aufkommen. Obwohl eine kurze Freiheitsstrafe durchaus angemessen gewesen wäre, habe sie dieses Mal noch ein „Sozialurteil“ gefällt, da der Angeklagte den Drogenbesitz eingeräumt hatte und im Übrigen mit seiner Krankheit genug gestraft sei, sagte Simona Wiedmer. Abschließend mahnte sie den Mann eindringlich, seine Einstellung bezüglich der Reichsbürgerbewegung zu überdenken, denn sollte er daran festhalten, verbaue er sich dadurch künftig vieles.