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Die Helden aus der Putzkolonne

Denise Wagner und ihre Kollegen putzen in Mietshäusern, auf Baustellen und bei der Riesaer Feuerwehr. Wegen Corona teils noch öfter als sonst.

Von Stefan Lehmann
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Denise Wagner arbeitet seit fünf Jahren als Reinigungskraft für die RDL in Riesa. Mit dem Putzfrauen-Klischee hat der Job nicht mehr viel gemein, sagt sie.
Denise Wagner arbeitet seit fünf Jahren als Reinigungskraft für die RDL in Riesa. Mit dem Putzfrauen-Klischee hat der Job nicht mehr viel gemein, sagt sie. © Foto: Lutz Weidler

Riesa. Als kurz nach 6 Uhr die Sonne über Riesa-Gröba aufgeht, ist Denise Wagner schon seit drei Stunden auf den Beinen. Jetzt heißt es erst einmal aufstocken:  An der Kastanienstraße frischen sie und die anderen Reinigungskräfte der Riesaer Dienstleistungsgesellschaft ihre Vorräte an Wasser und Reinigungsmitteln auf. Eine kurze Pause, dann steigt Denise Wagner wieder in ihren weißen Pkw mit dem Schriftzug "Frauenpower". Weiter geht's.

Die 44-Jährige gehört zu jenen rund 35 RDL-Beschäftigten, die in Riesa für die Gebäudereinigung zuständig sind. Während andere Geschäftsbereiche bei der Tochterfirma des Großvermieters WGR wegen der Corona-Krise ruhen, Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt wurden, funktioniert die Reinigung nach wie vor. Stellenweise musste sie sogar intensiviert werden.

Desinfektionsmittel bekommen nur die Kliniken

Der erste Stopp, den Denise Wagner nach der Pause einlegt, ist aber Routine. Nach wenigen hundert Metern hält sie an. Die Reinigung des Geldautomaten an der Lauchhammerstraße ist fällig. Wagner öffnet die Heckklappe ihres Dienstwagens, zieht sich die hellblauen Gummihandschuhe über und macht sich an die Arbeit. Einige gründliche Wischer mit dem feuchten Lappen über die Tasten, danach ist noch der Bereich ringsherum dran. Einmal in der Woche müssen sie und ihre Kollegen die Automaten der Sparkasse säubern, erklärt sie. Mit Reinigungsmittel. "Desinfektionsmittel sind zurzeit den Krankenhäusern vorbehalten." 

Der Halt am Automaten dauert nur wenige Minuten, dann geht es direkt weiter, über die Hafenbrücke und zu den Wohnhäusern entlang der Oststraße. Mit den Parkplätzen ist es hier schwierig, den Wagen muss Denise Wagner vor der Feuerwehr abstellen. Derzeit sind sie und ihre Kollegen häufig in den Gerätehäusern. Täglich wird bei der Feuerwehr saubergemacht, um das Infektionsrisiko gering zu halten. 

An diesem Morgen ist das schon erledigt. Stattdessen lässt Denise Wagner das Auto stehen und geht die restliche Strecke zu Fuß weiter in Richtung der Mietshäuser, voll bepackt mit Putzmitteln und -geräten. Sie wird die Strecke zweimal laufen müssen. Die zusätzlichen Meter machen ihr nichts aus, sagt Denise Wagner. "Ich laufe gern!" Gerade ist das zwar nicht möglich, aber unter normalen Umständen geht sie regelmäßig ins Fitnessstudio. Die einseitige Bewegung wäre sonst nicht gut, sagt Denise Wagner. 

Erst Bandscheibenvorfall, dann arbeitslos

Die RDL-Mitarbeiterin weiß, wovon sie spricht. Vor ihrem aktuellen Arbeitgeber war sie zehn Jahre lang als Reinigungskraft in einem Autohaus angestellt. Ein stressiger Job, sagt sie. Irgendwann machte der Rücken nicht mehr mit. Bandscheibenvorfall. Nach der langen Krankheit folgte das Aus im Job. Zunächst ging es für sie zu einer Zeitarbeitsfirma, dann zur RDL. Dort ist sie mittlerweile seit mehr als fünf Jahren.

Auf dem Weg zum nächsten Einsatz: Denise Wagners Schicht beginnt schon vor 4 Uhr. Die RDL-Reinigungskräfte sind nicht nur in Mietshäusern unterwegs, sondern auch in Privatwohnungen, Schulen und bei der Feuerwehr.
Auf dem Weg zum nächsten Einsatz: Denise Wagners Schicht beginnt schon vor 4 Uhr. Die RDL-Reinigungskräfte sind nicht nur in Mietshäusern unterwegs, sondern auch in Privatwohnungen, Schulen und bei der Feuerwehr. © Foto: Lutz Weidler

In die Reinigungsbranche kam die gebürtige Leutewitzerin eher zufällig. Ihre Ausbildung absolvierte sie in einem Baumarkt. "Aber der Arbeitsmarkt war damals nicht so rosig." Denise Wagner reagierte pragmatisch: "Hauptsache, ich mache was und verdiene Geld." Einige Grundvoraussetzungen für den Job bringt sie sowieso mit. "Ich bin schon pingelig", gesteht sie. Auch zu Hause putze sie deshalb gern. Und einfach nur vor dem Schreibtisch sitzen, das sei nichts für sie. 

Etage für Etage arbeitet sich Denise Wagner durchs Treppenhaus: Geländer, Türrahmen und Klingeln wischt sie ab, die Fenster sowieso. Dann kommt der Boden an die Reihe. Die Bewegung hält warm: Nach kurzer Zeit hängt die blaue Fleece-Jacke überm Geländer. Eine knappe halbe Stunde braucht Wagner für jeden Eingang. "Normalerweise geht's schneller", sagt sie und grinst. Trödeln ist in ihrem Beruf nicht drin. In der Branche gebe es einen gewissen Leistungsdruck. "Aber ich habe einen kulanten Arbeitgeber." Natürlich müsse man die Zeit im Hinterkopf behalten, aber: "Wichtiger ist die Qualität." 

Geschenke von den Kunden

Ihr Job sei längst nicht mehr so, wie es das Klischee von der Putzfrau vermuten lässt. "Es gibt viele Hilfsmittel, und man kann heutzutage auch vieles falsch machen." Chemiekenntnisse seien da unverzichtbar, um etwa bei der Glasreinigung nicht das falsche Mittel anzuwenden. Trotzdem schenke dem Beruf kaum jemand Beachtung - oder schlimmer: "Es gibt natürlich auch Menschen, die nicht wertschätzen, was wir leisten, die es verpönen. Ich sag immer: Wenn wir nicht wären, würden die an ihrem eigenen Dreck ersticken." 

Lieber denkt Denise Wagner da an die schönen Momente. "Wenn man die Bestätigung bekommt vom Kunden, der persönliche Kontakt und ein Dankeschön - das freut mich mehr als kleine Geschenke." Die habe sie tatsächlich auch schon mal bekommen. Ansonsten sei neben den Kollegen auch der Dienst in der Sachsenarena und im Stern eine schöne Sache. "Wir sichern da ab, falls beispielsweise einem Kunden ein Malheur passiert." Da gebe es schon Gelegenheit, auch mal den Konzerten zu lauschen. 

Dafür müsse man eben auch mal am Wochenende arbeiten - und zu ungewöhnlichen Zeiten. "Normalerweise stehe ich um 3 Uhr früh auf und fange gegen 3.45 Uhr an", sagt Denise Wagner. Teils geht es auch am Nachmittag weiter, vor allem, wenn Kollegen krank sind und Schichten übernommen werden müssen. "Aber die Überstunden kann ich absetzen, da gibt es bei uns unter den Kollegen auch keinen Streit." 

Keine Angst vor Ansteckung

Nächster Halt, Baustelle. Es ist mittlerweile kurz nach 8 Uhr, an der Heinz-Steyer-Straße laufen schon die Maschinen. Die RDL-Mitarbeiter machen nicht nur in Mietshäusern sauber. Am späten Nachmittag ist das Rathaus dran, zeitig am Morgen die Schulen - normalerweise. Die mobilen Sanitäranlagen kommen dazwischen an die Reihe. Wegen der Corona-Pandemie sei das nun täglich der Fall, erklärt Denise Wagner, während sie kontrolliert, ob in den Kabinen noch genügend Toilettenpapier vorhanden ist. 

Vor allem auf Baustellen sind Denise Wagner und ihre Kollegen wegen Covid-19 häufiger im Einsatz. Die Sanitäranlage an der Heinz-Steyer-Straße wird beispielsweise täglich gereinigt, Seife, Papierhandtücher und Toilettenpapier aufgefüllt.
Vor allem auf Baustellen sind Denise Wagner und ihre Kollegen wegen Covid-19 häufiger im Einsatz. Die Sanitäranlage an der Heinz-Steyer-Straße wird beispielsweise täglich gereinigt, Seife, Papierhandtücher und Toilettenpapier aufgefüllt. © Foto: Lutz Weidler

Von den Hamsterkäufen in den Supermärkten bemerkt man bei der RDL noch nichts. Die Lieferketten funktionieren noch, heißt es vom für die Gebäudereinigung zuständigen Bereichsleiter Maximilian Frank. Auch die Aufträge sind weiterhin da. Schulen und Hotels hätten zwar storniert, weil sie schließen mussten. "Aber dafür fahren wir andere Auftraggeber teilweise täglich an, statt 14-tägig oder wöchentlich." Vor allem planerisch und logistisch sei Corona eine Herausforderung für die RDL, sagt Frank. 

Angst, sich bei ihrer Arbeit anzustecken, hat Denise Wagner nicht. Sie verschwende auch nicht allzu viele Gedanken daran. "Man macht sich sonst nur kirre." Zwar hängt eine Schutzmaske mit FFP2-Siegel über ihrem Fahrersitz. Das war aber schon vor Covid-19 der Fall. Es gebe auch Aufträge, bei denen staubige Dachböden auf Vordermann gebracht werden müssen. Da gehe sie nur mit Maske rein, sagt die 44-Jährige. 

Am späten Vormittag ist Denise Wagner für gewöhnlich mit der Arbeit fertig. Dann geht's in die eigenen vier Wände. "Mein Mann ist jetzt immer zu Hause, das heißt: dann wartet schon das Mittagessen auf mich."  Die Ausgangsregeln haben zumindest eine gute Seite. 

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