Riesa
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Autor von Stasi-Buch: "Es ist notwendig, die Namen der Täter zu nennen"

Der ehemalige SZ-Journalist Jens Ostrowski hat ein 220-Seiten-Werk über die Riesaer Petition geschrieben. Im Gespräch gibt er Einblicke in seine Recherchen.

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Autor Jens Ostrowski und sein Buch: Am Freitag stellt der Journalist das Werk über die Riesaer Petition in der Elbestadt vor.
Autor Jens Ostrowski und sein Buch: Am Freitag stellt der Journalist das Werk über die Riesaer Petition in der Elbestadt vor. © Fotos: Privat/Montage: SZ

Riesa. Die Riesaer Petition von 1976 gehört zweifelsohne zu den spannendsten DDR-Geschichten, die Riesa zu erzählen hat. 79 Menschen kämpften damals gemeinsam um ihre Ausreise und wurden deshalb von der Stasi verfolgt, isoliert, mit perfiden Mitteln diskreditiert und viele von ihnen verhaftet. Der ehemalige SZ-Journalist Jens Ostrowski hat dazu ein Buch geschrieben: Hilferufe aus Riesa. Es wird am Freitag, 9. Dezember, um 19 Uhr im Stadtmuseum Riesa am Poppitzer Platz vorgestellt. Mit der SZ hat er über sein Buch gesprochen.

Jens, was im Buch sofort auffällt: Du nennst viele Namen von Stasi-Hauptamtlichen und Inoffiziellen Mitarbeitern. Ist das 32 Jahre nach der Wende noch notwendig?

Aus meiner Sicht ist es das. Ich halte es mit dem ehemaligen Beauftragten der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn. Täter haben Namen. Und ihre Opfer haben es verdient, diese zu kennen. Nur wenn die Täter benannt werden, ist Aufarbeitung möglich.

Warum?

Ich konnte für das Buch mit rund einem Dutzend Menschen sprechen, die die Riesaer Petition selbst unterzeichnet haben und dadurch in die Mühlen des Geheimdienstes geraten sind. Während der Gespräche gab es Tränen, ein Zeitzeuge ist dabei zusammengebrochen. Viele haben bis heute Albträume. Was die Stasi, was das System mit ihnen damals gemacht hat, ist für diese Menschen auch 50, 60 Jahre danach nicht ausgestanden. Ihr Leid wurde viele Jahrzehnte nicht anerkannt. Sie brauchen diese Aufarbeitung.

Gibt es Ausnahmen?

Auf manch einen Petenten waren mehrere Dutzend IMs angesetzt, wie auf Karl-Heinz Lange und seine Ehefrau Annerose. Ich nenne die Namen der Spitzel, die regelmäßig Berichte geschrieben oder auch ihre vermeintlichen Freunde besonders hinterlistig getäuscht haben. In einem Fall habe ich einen Deal geschlossen und den Namen nicht genannt, weil ich nur so besondere Unterlagen zur Riesaer Petition erhalten konnte, die in keinem Archiv zu finden und für das Buch sehr wichtig waren. Aber das ist wirklich eine besondere Ausnahme gewesen.

Was macht die Riesaer Petition so besonders?

Die Geschichte der Riesaer Petition zeigt die gesamte Bandbreite dessen, wozu DDR und Stasi bereit waren, gegen Menschen vorzugehen, die selbstbestimmt und in Freiheit leben wollten. Da wurden Wohnhäuser von Petenten mit Militärfahrzeugen abgeschirmt; Unterzeichner auf den Wegen des alltäglichen Lebens verfolgt; Ehefrauen wurde weisgemacht, ihre Männer hätten Affären; es gab Postkontrollen und Hausdurchsuchungen; Menschen wurden reihenweise verhaftet und selbst in der BRD noch mit perfiden Mitteln bearbeitet. Die Riesaer Petition zeigt sehr detailliert, wie Behörden, Partei , Betriebe und Staatssicherheit – von der Kreisdienststelle bis zum Ministerialebene – zusammengearbeitet haben, um Menschen zu zermürben. Bei vielen war das erfolgreich.

Das Buch wird am Freitagabend um 19 Uhr im Stadtmuseum Riesa erstmals vorgestellt. Was haben Besucher zu erwarten?

Ich zeige Fotos, Akten und lese Teile aus dem Buch. Und das Buch gibt es an dem Abend auch erstmals zu kaufen.

Zur Person

  • Jens Ostrowski, Jahrgang 1982
  • 2011 bis 2015 Leiter der SZ-Redaktion in Riesa
  • seit 2017 Mitglied der Chefredaktion bei der Zeitung Ruhr Nachrichten in Dortmund
  • Autor verschiedener Bücher, unter anderem zur Geschichte deutscher Passagiere der 1912 gesunkenen RMS Titanic