Riesa. Hier stehe ich also. Vor der großen Sachsenarena. Ich war schon lange nicht mehr hier. Zuhause in meiner Kommode verstauben die Karten für das Roland-Kaiser-Konzert. Das war ursprünglich für den vergangenen März vorgesehen. Meine Frau und ich hatten uns so darauf gefreut, mit Freunden dorthin zu gehen. Ob es jemals dazu kommt, wer weiß? Denn der Großmeister des deutschen Schlagers gehört ja auch schon zur Risikogruppe.
Die Sumo-Ringer vor der Arena sind eingeschneit. An den Türen kleben keine Plakate, die die nächsten Konzerte berühmter Künstler bewerben. Stattdessen lese ich "Impfzentrum" an den Scheiben und Hinweise, dass ich meine Mund-Nase-Maske aufsetzen soll.
Ich habe vorsichtshalber meine grüne Stoffmaske daheim gelassen und dafür die Himmelblaue aus der Apotheke mitgenommen. Doch drinnen im Foyer wird mir schnell klar, dass es darauf nicht ankommt. Hauptsache bedeckt.
Ministerin kommt - das ZDF nicht
Ich bin hier mit Falk Glombik, dem hauptamtlichen Vorstand des DRK-Kreisverbandes Riesa, verabredet. Er hält hier die Fäden in der Hand und will mir vorab für die Leser der SZ das Impfzentrum in der Sachsenarena zeigen. Einen Augenblick muss ich mich gedulden, denn er spricht gerade mit Riesas Oberbürgermeister Marco Müller, Vertretern des Landratsamtes und des DRK. Alles soll gut für die Eröffnung am Montag vorbereitet sein. Und nicht nur, weil sich Sachsens Sozialministerin Petra Köpping angekündigt hat.
Wie ich später erfahre, wollte sogar ein Kamerateam des ZDF-Morgenmagazins dabei sein, wenn die Ministerin kommt. Doch es hat abgesagt. Es bleibt also dabei: Nur Florian Silbereisen bringt Riesa ins Fernsehen. Aber auch er war schon lange nicht mehr hier.
Mehrere Stühle sind im Foyer aufgestellt. Natürlich mit Sicherheitsabstand. Sie seien für die Leute gedacht, die hier auf den Einlass warten und sich hinsetzen möchten. Durch die rechte Tür geht es in die Halle.
Sofort fällt mir auf, dass noch ein Teil der Zuschauerränge aufgebaut ist. "Wenn wir sie hätten abbauen lassen, hätten wir es bezahlen müssen", sagt Glombik. "Aber sie stören uns ja nicht." Das macht ein Blick von der anderen Seite deutlich. Zusammen mit dem DRK-Chef steige ich die Tribünen hinauf. Irgendwo hier hätte ich mit meiner Frau gesessen und die Hits von Roland Kaiser mitgesungen.
Von hier oben gibt es einen sehr guten Blick auf die weißen Wände des Impfzentrums. "Der Aufbau ist überall gleich und vorgegeben", so Glombik. In der Sachsenarena wäre Platz für mindestens zwei weitere derartige Plattenlabyrinths. Tatsächlich kann man sich darin kaum verlaufen. Sie sind klar strukturiert.
Rechts ist der nächste Wartebereich - mit einem gelben Streifen markiert. Dann wird man aufgerufen und geht in den Gang A zu einer der beiden Kabinen im roten Bereich. Hier sollen Ärzte ein Vorabgespräch führen über Vorerkrankungen und Impftauglichkeit. Glombik: "Das ist wie beim Blutspenden."
In den blau markierten Kabinen soll geimpft werden. Ein Piks, das ist alles. Dann geht es in den letzten Wartebereich. Hier sollen die Geimpften eine halbe Stunde verweilen. Danach geht es noch zum Checkout, wo sie einen Termin für die zweite Impfung nach 21 Tagen erhalten.
Nach 45 Minuten alles erledigt
Jeder, der sich impfen lassen möchte, soll nicht länger als 45 Minuten in der Sachsenarena sein. So ist der Plan. Doch ob es so klappt, wird sich zeigen. "Wir werden vor allem in der Anfangszeit Erfahrungswerte sammeln", sagt Glombik.
Das Nadelöhr sei das Arztgespräch. Fünf Minuten sind dafür vorgesehen. In den ersten Tagen und Wochen, wenn vorwiegend Mitarbeiter von Pflegediensten geimpft werden sollen, wird die Zeit vermutlich reichen. "Doch wenn ältere Menschen zum Impfen kommen, wird es wohl länger dauern", glaubt der DRK-Vorstand. Dann rechnet er mit bis zu zehn Minuten.
170 Impfdosen sind für jeden Tag vorgesehen. Davon bleiben am Montag 120 in der Sachsenarena. Den Rest benutzt das mobile Impf-Team, das in den Pflegeheimen des Landkreises Meißen unterwegs ist. - Die Zahl 170 pro Tag macht mich stutzig. Im Landkreis Meißen leben immerhin mehr als 240.000 Menschen. Wenn sie alle geimpft werden sollen, vergehen Jahre.
Ich begegne Dirk Mühlstädt, dem Veranstaltungsleiter der Sachsenarena, und spreche ihn darauf an. Er bestätigt mir, dass das Impfzentrum des Landkreises Meißen vorerst für ein Vierteljahr in die Halle eingemietet ist. "Wir rechnen aber mit einem halben Jahr", sagt er. OB Müller steht bei ihm und hofft, dass danach die Zeit beginnt, in der Konzerte und andere Veranstaltungen in der Arena wieder möglich sind.
Hoffnung auf Roland im September
Das Roland-Kaiser-Konzert, das bisher auf den 26. März dieses Jahres verschoben wurde, soll voraussichtlich im September nachgeholt werden. Die Karten sind nicht verfallen. Das beruhigt mich. Aber so richtig glauben mag ich dennoch nicht, dass das Impfzentrum in einem halben Jahr nicht mehr gebraucht wird.
Glombik hofft auf Impfstoffe, die nicht mehr mit viel Aufwand eiskalt gelagert werden müssen. Dann sollen Hausärzte in ihren Praxen das Impfen gegen das Coronavirus übernehmen.
In der Hoffnung auf einen Erfolg der Impfkampagne und ein Roland-Kaiser-Konzert in Riesa noch in diesem Jahr, verlasse ich die Sachsenarena. Beim Hinausgehen fallen mir die blauen Plakate an den Außentüren auf. Darauf steht: "Mit Abstand die besten Events".