SZ + Riesa
Merken

Über den Dächern von Riesa

Mit einem Infotag wollen die Canitzer Segelflieger neue Mitglieder anlocken. Die SZ ist vorab mitgeflogen.

Von Stefan Lehmann
 5 Min.
Teilen
Folgen
Diesen Ausblick von Canitz nach Riesa genießen die Segelflieger häufig: Im Vordergrund die Kleingärten auf dem Dimmelsberg, hinten sind Elbe und Muskator zu sehen.
Diesen Ausblick von Canitz nach Riesa genießen die Segelflieger häufig: Im Vordergrund die Kleingärten auf dem Dimmelsberg, hinten sind Elbe und Muskator zu sehen. © Klaus-Dieter Brühl

Riesa. Eine kurze Funkdurchsage, dann geht's auch schon vorwärts - und in Sekundenschnelle in die Höhe. Die Nase des Flugzeugs ragt steil in die Luft, über dem Cockpit ist nur der blaue Himmel zu sehen. Dann ein kurzes Klacken - und der Segelflieger ist von der Winde entkoppelt, die ihn gerade gezogen hat, bis er 400 Meter über dem Boden fliegt. "Ich koppel jetzt auch noch mal aus, zur Sicherheit", sagt Peter Simon. Dann kann der Flug über Riesa richtig beginnen.

Der Start sei eigentlich das Aufregendste, hatte der Vorsitzende des Segelfliegerclubs Riesa-Canitz Jens Neumann noch ein paar Minuten zuvor gesagt. Der weckte tatsächlich kurz Erinnerungen an die Achterbahnfahrten der Kindheit. Nun liegt die Bocian, wie der zweisitzige Segelflieger heißt, ruhig in der Luft. Nur ein leises Rauschen ist zu hören. Jetzt heißt es nur noch: Aufwind suchen.

Es ist Samstagmittag, ein heißer Tag - und kaum eine Wolke am Himmel. Keine optimalen Bedingungen für den Segelflug. Fürs kommende Wochenende hoffen Peter Simon und Jens Neumann schon auf etwas günstigeres Flugwetter. Am Samstag will der Verein ab 10 Uhr sechs Stunden lang einen Infotag anbieten - Flüge an der Seite des Fluglehrer inklusive. Man erwarte nicht unbedingt einen gewaltigen Ansturm, sagt Neumann. "Wenn am Ende fünf Leute kommen, die ernsthaft interessiert sind, ist das doch gut."

Fluglehrer Peter Simon (vorn) und SZ-Reporter Stefan Lehmann kurz vor dem Abflug.
Fluglehrer Peter Simon (vorn) und SZ-Reporter Stefan Lehmann kurz vor dem Abflug. © Klaus-Dieter Brühl

Mittlerweile hat Pilot Peter Simon die Bocian über den Westrand von Riesa gesteuert. Entgegen dem Uhrzeigersinn dreht der Segelflieger seine Kreise. Eigentlich, um sich weiter nach oben zu schrauben. Die Bordinstrumente verraten allerdings, dass das nicht so recht klappen will. Die Piloten orientieren sich an den Wolken, kleine Fetzen zeigen an, dass dort Luft aufsteigt. Aber momentan ist zu wenig Bewegung am Himmel über Riesa. "Da drüben fliegt ein Bussard, vielleicht haben wir dort mehr Glück", sagt Peter Simon und steuert den Segelflieger noch ein Stück weiter Richtung Elbe.

Der Greifvogel, der noch ein gutes Stück über dem Flugzeug seine Kreise zieht, dreht ab. Genützt hat die Aktion nicht viel. Nach einigen Minuten gibt der Fluglehrer auf. "Schade, aber das wird nichts." Es geht zurück auf den Segelflugplatz. Die Landung verläuft überraschend weich. Gemeinsam mit Jens Neumann bringt Peter Simon den Flieger wieder an die Startposition am Ostende des Platzes.

Start frei: Ein Vereinsmitglied stützt den Flügel, während die Winde den Segelflieger in hohem Tempo über die Startbahn zieht. Den Rest erledigt der Luftstrom.
Start frei: Ein Vereinsmitglied stützt den Flügel, während die Winde den Segelflieger in hohem Tempo über die Startbahn zieht. Den Rest erledigt der Luftstrom. © Klaus-Dieter Brühl

Dort warten auch schon eine Handvoll andere Vereinsmitglieder. Einer sitzt am Funkgerät, die anderen warten - entweder auf die Flugstunde, oder auf eine gute Gelegenheit zum Starten. Auf dem Dach eines VW-Transporters haben die Segelflieger eine kleine Wetterstation installiert, dahinter stehen vier weitere Flugzeuge. An einem macht sich gerade Gerd Kurzbach startklar. "Da hinten die Wolke sieht gut aus", sagt der 54-Jährige und legt eine mit Wasser gefüllte Trinkblase hinter den Sitz. Das ist auch nötig, nicht nur wegen der Hitze: Wenn die Bedingungen stimmen, können die Segler stundenlang in der Luft bleiben, bis nach Polen und Magdeburg sind sie von Riesa aus unterwegs. Per Handy-App kann Gerd Kurzbach navigieren. "Das Programm zeigt unter anderem auch die Flugplätze an, die ich bei der aktuellen Höhe noch erreiche."

Den Flugschein hat der Softwareentwickler aus Diera im vergangenen Jahr gemacht, davor war er fünf Jahre lang Flugschüler. Wie lang die Ausbildung dauert, hängt von jedem Einzelnen ab. "Mein Sohn hat damals zwei Jahre gebraucht", erzählt der 54-Jährige. Dafür müsse man aber schon ziemlich gut sein. Niemand könne damit rechnen, schon nach einem Jahr die Fliegerlizenz zu bekommen. Das absolute Minimum sind 15 Flugstunden mit 45 Starts, plus Theorie. "Die Jungen lernen deutlich schneller", sagt Gerd Kurzbach. Schon ab 13 Jahren dürfen Jugendliche abheben, dann allerdings in Begleitung eines Erwachsenen. Der Jüngste im Verein ist gerade mal 16, der Älteste über 70.

Jens Neumann ist Vorsitzender des Segelfliegerclubs. "Wir sind ein sehr spezieller Verein", sagt er. Es gehe hier lockerer zu als bei den größeren Vereinen.
Jens Neumann ist Vorsitzender des Segelfliegerclubs. "Wir sind ein sehr spezieller Verein", sagt er. Es gehe hier lockerer zu als bei den größeren Vereinen. © Klaus-Dieter Brühl

Gefragt nach dem Reiz, beschreiben die Riesaer Segelflieger vor allem das wunderbare Gefühl, frei durch die Luft zu gleiten - ohne Motor, allein mit Hilfe der natürlichen Luftströme. "Wenn ich in der Luft bin, habe ich keine Zeit, an etwas anderes zu denken", erklärt Gerd Kurzbach. "Da konzentriere ich mich völlig aufs Fliegen."

Reichlich 60 Mitglieder zählt der Segelfliegerclub Canitz derzeit. "Es geht hier etwas lockerer zu als bei den größeren Vereinen", sagt Chef Jens Neumann. So mancher Segelflieger nimmt dafür auch weitere Wege in Kauf. Bis aus Freital und Pirna kommen einige Piloten. "Die nutzen dann auch häufig die Möglichkeit, bei uns zu campen." Ein allzu teurer Sport ist das Segelfliegen übrigens nicht, auch wenn ein topmodernes Flugzeug heute um eine Viertelmillion Euro kostet. Die Fluggeräte stellt der Verein, zu den etwas mehr als 25 Euro Mitgliedsbeitrag im Monat kommt noch eine Gebühr für die Flugzeit.

  • Über Preise, die Bedingungen vor Ort und zu weiteren Fragen rund ums Fliegen informiert der Segelfliegerclub am Samstag, 21. August, von 10 bis 16 Uhr auf dem Segelflugplatz in Riesa-Canitz, Siedlungsstraße 51. Auch Probeflüge sind möglich.