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Gohrischheide: Bau auf und reiß nieder – wegen Naturschutz

Die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain hat in der Gohrischheide einen nachgestellten Giebel einer ehemaligen Gefängnisbaracke aufgestellt. Aber nur für einen Tag.

Von Jörg Richter
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Mitglieder eines internationalen Jugendcamps stellen den roten Giebel einer ehemaligen Gefängnisbaracke am Rande der Gohrischheide auf.
Mitglieder eines internationalen Jugendcamps stellen den roten Giebel einer ehemaligen Gefängnisbaracke am Rande der Gohrischheide auf. © Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Zeithain. Es ist etwa sieben Meter breit und knapp vier Meter hoch. Das rote Holzgerüst, das Jugendliche eines internationalen Lagers vor Kurzem zusammengebaut und mit gemeinsamer Kraft aufgestellt haben, soll den Giebel einer Gefängnisbaracke darstellen. Diese und viele andere Gebäude befanden sich nachweislich am Rande der Gohrischheide bei Jacobsthal.

Hier stand bis 1945 eines der größten Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht auf deutschen Boden. "Wenn nicht sogar das größte", sagt Jens Nagel, der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. "Ich kenne zumindest kein größeres." Entsprechend groß sei das Interesse bei Besuchern des Ehrenhains an der B 169, auch den eigentlichen Ort des ehemaligen Stalag 304 ansehen zu können. Doch der befindet sich mehrere Kilometer weiter in einem heutigen Naturschutzgebiet.

Aufwertung der Gedenkstätte

Seit 2003 wird auf dem Gelände des ehemaligen Stalag 304 hin und wieder gegraben, um sich heute über die Ausmaße des hiesigen Kriegsgefangenenlagers ein Bild zu machen. Mehrere Fundamente und Fußböden wurden in der zugewachsenen Heide entdeckt. Sie wurde bis Anfang der 1990er-Jahre von der Sowjetarmee als Panzerübungsgelände genutzt.

Bereits seit einigen Jahren machen sich die Mitarbeiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain Gedanken, wie sie das Stalag 304 für Besucher besser darstellen können. Dort, wo jetzt Gras und Bäume wachsen, ist das nicht so einfach. Ein rund zwei Kilometer langer und befestigter Rundweg ist vorgesehen. An ihm entlang sollen rote Holzgiebel mit entsprechenden Tafeln stehen. Auf ihnen soll zu lesen sein, um welche Gebäude es sich handelte.

"Der Geschichtslehrpfad wäre eine unglaubliche Aufwertung der Gedenkstätte", sagt Markus Pieper. Er ist seit knapp einem Jahr Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Mit Interesse verfolgt er das Engagement von Jens Nagel und seinem Team. Dass das Jugendcamp jetzt probehalber einen solchen roten Giebel zusammengezimmert und aufgestellt hat, findet er super.

Die Architektin Barbara Schulz erklärt den Mitgliedern des Jugendcamps, wo weitere rote Giebel errichtet werden sollen.
Die Architektin Barbara Schulz erklärt den Mitgliedern des Jugendcamps, wo weitere rote Giebel errichtet werden sollen. © Jörg Richter

Leider musste das Gestell noch am selben Tag wieder abgebaut werden. Denn dafür fehlt der Stiftung eine Baugenehmigung. Nicht, weil das Gerüst besonders baufällig wäre. Überhaupt nicht. Es darf einfach nicht im Naturschutzgebiet aufgestellt werden. Die untere Umweltbehörde des Landkreises Meißen hat scheinbar etwas dagegen.

Trotz jahrelangem Kontakt zu dieser Behörde hat die Stiftung erst in diesem Jahr einen Bescheid erhalten, dass für das Gesamtprojekt ein Bauantrag notwendig wäre. Nagel ist empört, spricht von Hinhaltetaktik. Sein Chef Markus Pieper ist da diplomatischer. "Das ist tatsächlich rechtlich sehr kompliziert", sagt er. "Wir sind im Augenblick dabei, das zu prüfen."

Für ihn als Historiker sei das alles Neuland. Denn das ehemalige Kriegsgefangenenlager Zeithain ist die einzige Gedenkstätte innerhalb der sächsischen Stiftung, die sich in einem Naturschutzgebiet befindet. Natürlich sei der Schutz solcher Heidelandschaften wichtig, so Pieper, "andererseits gibt es auch ein öffentliches Interesse an der Geschichtsaufarbeitung."

Auf Nachfrage teilt das Landratsamt Meißen mit, dass das Kreisumweltamt bereits 2011 konkrete Rechtshinweise bezüglich der Planung und der damit einhergehenden naturschutzrechtlichen Relevanz erteilt habe. "Der Planungsträger kennt seither die zu bewältigenden Rechtsanforderungen", so Landkreissprecherin Anja Schmiedgen-Pietsch.

Die Gesamtmaßnahme des geplanten Geschichtslehrpfades mit seiner Zielsetzung und seinen Inhalten, seiner räumlichen Ausdehnung und seiner Umsetzung in Stationen mit mehreren konkreten Maßnahmen stellt sich baurechtlich als Ausstellungsplatz dar. Das sei eine bauliche Anlage, die der Baugenehmigungspflicht unterliege.

Jahrelange Verzögerung gefährdet Projekt

Nagel und Pieper befürchten, dass durch den notwendigen Bauantrag weitere Zeit verloren geht. "Eine jahrelange Verzögerung wäre schlecht", sagt Pieper und fügt hinzu: "nicht nur wegen der Fördermittel."

Im Frühjahr wurde bekannt, dass das Ehrenhain Zeithain für die Realisierung des Geschichtslehrpfades eine halbe Million Euro aus den Vermögen ehemaliger DDR-Parteien erhält. Nach Angaben von Nagel sollen sie bis 2025 ausgegeben werden. Eine jahrelange Behördentortur kann das Projekt gefährden.

"Wir hoffen, dass das aber nicht so lange dauert", sagt Pieper. Er erinnere sich an sehr konstruktive Gespräche mit dem Kreisumweltamt. Und Landkreissprecherin Anja Schmiedgen-Pietsch betont, dass das Landratsamt Meißen dem Geschichtslehrpfad grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Trotzdem könne dem Ergebnis des Bauantragsverfahrens nicht vorgegriffen werden.