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"Hinter jedem Bluten könnte Schlimmeres stecken"

Ärzte des Elbklinikums Riesa verwenden eine neue Operationsmethode gegen Hämorrhoiden.

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Chefarzt Prof. Dr. Oliver Stöltzing (rechts) und Oberarzt Dr. Petr Pachir zeigen den neuen Riesaer OP-Saal, wo Hämorrhoiden mit einer neuen Methode operiert werden.
Chefarzt Prof. Dr. Oliver Stöltzing (rechts) und Oberarzt Dr. Petr Pachir zeigen den neuen Riesaer OP-Saal, wo Hämorrhoiden mit einer neuen Methode operiert werden. © Foto: Lutz Weidler

Riesa. Es gibt eine neue Operationsmethode, das lästige Jucken im Hintern loszuwerden. Vom Elblandklinikum in Riesa aus soll es unter Sachsens Medizinern bekannter gemacht werden. Deshalb fand jetzt im neuen OP-Saal ein erster Workshop für chirugische Proktologen unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Oliver Stöltzing und Oberarzt Dr. Petr Pachir statt. Die SZ sprach mit ihnen.

Herr Dr. Pachir, sind Hämorrhoiden nur ein Problem älterer Menschen?

Nein, Hämorrhoiden ist eine Erkrankung des Enddarms und des Afters, die ein großes Spektrum der Patienten betrifft. Es kann mit etwa dem 30. Lebensjahr beginnen. Aber je älter man wird, um so häufiger gibt es diese Diagnose.

Kann man auch mit Hämorrhoiden gut leben?

Natürlich, es ist keine bösartige Erkrankung. Man kann gut mit ihnen leben, jedoch nur, wenn sie keine Beschwerden machen. Aber je schlimmer der Grad der Hämorrhoiden, um so schlimmer sind die Beschwerden. Die beginnenden kleinen Hämorrhoiden, die äußerlich gar nicht sichtbar sind, können sich mit Blutungen und Juckreiz bemerkbar machen. Und das ist schon eine Warnung, dass da was nicht in Ordnung ist. Schon bei diesen Anzeichen sollte man einen Proktologen aufsuchen und das Beschwerdebild  abklären lassen. 

Ab wann ist denn eine Hämorrhoiden-Operation ratsam?

Eine Hämorriden-OP ist ratsam, wenn eine korrekte Diagnose gestellt wird und der behandelnde Arzt einen Eingriff für angemessen hält. Das ist sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab.

Also wenn es blutet. Ist das so?

Es ist gründlich abzuklären, was hinter den Symptomen steckt. Die Blutung ist nur ein Begleitsymptom. Es ist keine Diagnose zur Feststellung eines Hämorrhoidalleidens. Dahinter kann eine andere Erkrankung stecken, sogar eine bösartige Tumorgeschwulst. Deshalb sollte es von einem erfahrenen Arzt genauer abgeklärt werden. Im Allgemeinen, wenn die Hämorriden sehr klein sind, sollte man sie konservativ behandeln, das heißt ohne Operation. Ab einer gewissen Größe ist eine Operation notwendig. 

Bedeutet konservativ, mehr Acht auf seine Ernährung zu geben?

Richtig, das unter anderem ist ein wichtiger Punkt. Natürlich gibt es auch verschiedene Empfehlungen zur Diät und einer ausgewogenen ballaststoffreichen Ernährung. Mit  solchen Maßnahmen ist diese Erkrankung meistens beherrschbar. Auch Salben mit einer lokalen Wirkung zählen zur konservativen Behandlung. Wichtig ist aber, dass ein Proktologe die exakte Diagnose stellt und nicht der Patient selbst. Man sollte sich auch nicht von irgendwelchen Werbungen verleiten lassen. Also wenn es nässt, juckt oder blutet, sollte man unbedingt den Arzt aufsuchen. Wie gesagt, hinter einer Blutung kann eine viel schlimmere Diagnose stecken, zum Beispiel ein Tumor-Leiden, das bisher nicht erkannt wurde. Der Patient sollte es nicht geheim halten, sondern zum Arzt gehen. 

Das ist ja sicherlich bei vielen auch mit Scham verbunden?

Diese Erkrankungen fallen sozusagen in eine Tabuzone. Das macht eine Diagnosestellung schwierig bis unmöglich. Eine Therapie kann sich so um viele Jahre verzögern und hinausschieben. Deswegen sind wir für sie da, in einer Spezialsprechstunde, in der wir behutsam mit dem Patienten umgehen.

Gibt es da verschiedene Operationsmethoden?

Es gibt insgesamt rund 50 verschiedene Methoden. Laut altem klassischem Lehrbuch sollte man die Methode nach Milligan-Morgan anwenden. Das ist eine offene Operation mit chirurgischer Entfernung der hämorrhoidalen Knoten. Das bedeutet, ich muss das Gewebe wegschneiden. Aber wir sind absolut gegen dieses Verfahren, da hieraus eine langwierige Nachbehandlung und Narben resultieren. Wir arbeiten mit einer einzigartigen Methode, die wir in unseren OP-Workshops gern deutschlandweit verbreiten möchten. Bei diesem neuen Verfahren müssen wir kein Gewebe wegschneiden. Es werden stattdessen spezielle Nähte im Enddarm gesetzt. Es kommt zu einer Art „Lifting“ des Anus. Das hervorstehende Gewebe wird in den Analkanal zurückgezogen. Dort werden die Hämorrhoidalknoten geschrumpft und fixiert. 

Und das hält ein Leben lang?

Es hält zumindest viele Jahre. Momentan ist es noch zu früh für eine abschließende Beurteilung ob diese Methode ewig hält, denn sie ist noch sehr jung. Der Italiener Claudio Pagano hat sie vor drei Jahren verfeinert und auch ein Spezialgerät dafür entwickelt.

Seit wann wird in Riesa nach dieser Methode operiert?

Am Elblandklinikum Riesa arbeiten wir mit dieser Methode seit etwa einem Jahr. Und das mit sehr guten Erfolgen. Es ist das Beste, was wir unseren Patienten anbieten können. 

Wie viele Patienten haben Sie damit schon operiert?

So um die 50 Patienten.

Und sie haben alle keine Beschwerden mehr?

Ich würde nach unseren bislang vorliegenden Ergebnissen und Nachbefragungen diese Methoden in mehr als 90 Prozent der behandelnden Patienten als erfolgreich bewerten. Im Vergleich zu anderen Hämorrhoiden-Operationstechniken sind wir damit sehr zufrieden. 

Gibt es irgendwelche Risiken bei dieser Operation?

Ein Risiko besteht grundsätzlich bei jeder Operation. Hier ist das Risiko aber minimalisiert, weil wir das Gewebe nicht einschneiden, sondern nur Nahtstiche setzen müssen. Dann wird der Faden durchgezogen und verknotet. Es kann theoretisch zu einer Nachblutung kommen, weshalb diese OP stationär durchgeführt wird. Ansonsten ist es eine sichere Methode. Drei Monate nach der Operation ist alles spurlos weg. Es bleiben nur kleine Narben, die nicht sichtbar sind. Der Patient ist in der Regel völlig kontinent und hat keine Beeinträchtigungen.

Zum Schluss noch eine Frage an Prof. Dr. Stöltzing: Wie beurteilen Sie diese neue Methode und übernimmt das die Krankenkasse?

Ich bin außerordentlich stolz, so einen erfahrenen und höchst ambitionierten Proktologen und Chirurgen, wie Oberarzt Dr. Pachir, in meinem Team zu haben. Er leitet erfolgreich dieses Spezialgebiet und erhält von mir uneingeschränkte Unterstützung zum weiteren Ausbau, inklusive neuer OP-Verfahren. Ja, diese Operation wird von der Krankenkasse bezahlt. Wir führen diese Operation aber nicht ambulant durch, sondern, aufgrund der postoperativen Überwachung, ​stationär mit zwei Übernachtungen. 

  • Das Gespräch führte Jörg Richter.

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