Landkreis Meißen schickt Hilfskonvoi los

Von Jörg Richter und Anna Konrad
Glaubitz. Die Geburtstagsfeier muss warten. Dirk Zenker ist an diesem Dienstag 49 Jahre geworden. Großenhains Stadtwehrleiter trägt sich nach der Ankunft im Feuerwehrtechnischen Zentrum (FTZ) Glaubitz in die Listen ein. Jeder, der mit ins Katastrophengebiet fährt, wird registriert. Dabei fällt sein Geburtstag auf und macht schnell die Runde.
Feuerwehrleute und Johanniter gratulieren ihm. Fast ist es ihm peinlich. Von allen Seiten gibt es Schulterklopfen. Zum eigenen Geburtstag in einen Einsatz fahren, ohne zu wissen, wann man wieder nach Hause kommt - das nötigt Respekt ab. "Ich hatte eh nichts geplant", sagt Dirk Zenker lächelnd.
Er und seine fünf Kameraden, die mit ihm im Löschfahrzeug sitzen, gehen von einem Einsatz von 48 Stunden aus. So laute jedenfalls der Einsatzbefehl. "Ich habe mir Brötchen und zwölf Bockwürste eingepackt", sagt Zenker. "Das müsste so lange reichen." Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Der zweitägige Einsatz beginnt erst am nächsten Morgen auf dem Nürburgring.
"48 Stunden können verdammt lang werden"
Im dortigen Bereitstellungsraum kommen Hilfskonvois aus ganz Deutschland an und erhalten ihre konkreten Einsatzbefehle. "Wenn man 48 Stunden im Einsatz ist, ist man eigentlich völlig geschafft", sagt Ronald Voigt, Leiter des Amts für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen im Kreis Meißen. Kreisbrandmeister Ingo Nestler pflichtet ihm bei: "48 Stunden können verdammt lang werden." Beide haben die Vorahnung, dass es nicht dabei bleibt. Möglicherweise dauert der Einsatz noch länger.
Der Landkreis Meißen hatte über den Freistaat Sachsen seine Hilfe für die beiden am meisten vom Hochwasser betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angeboten. Am Morgen waren schon Einsatzzüge des DRK aus Meißen und Radebeul sowie zwei Mitarbeiter des FTZ Glaubitz ins Krisengebiet losgefahren. Letztere sollen Notstromaggregate und Hochdruckreiniger des ASB Riesa nach Bergisch Gladbach bringen.
Am Mittag wurden die Feuerwehren aus Meißen, Riesa, Radebeul, Coswig und Großenhain alarmiert. Sie besitzen je einen Hochwasser-Anhänger, die der Landkreis vor Jahren angeschafft hatte. Auf jedem Anhänger befinden sich vier leistungsfähige Chiemsee-Pumpen. Sie fördern bis zu 3.000 Liter Schmutzwasser pro Minute und hatten sich bei den Hochwassern 2002 und 2013 sehr bewährt. Noch nie waren die fünf Hochwasser-Anhänger im Einsatz. "Das ist ihre Feuertaufe", so Nestler.
Er lässt alle Gruppenführer noch einmal antreten und ermahnt sie: "Bleibt zusammen, lasst euch nicht auf mehrere Einsatzorte verteilen!" Das sei schwierig für ihre Versorgung. Um sie kümmert sich der Glaubitzer Einsatzzug der Johanniter Unfall-Hilfe, der im hiesigen FTZ stationiert ist.
Acht Johanniter mit vier Fahrzeugen fahren mit und sollen sich um Essen und Unterkunft sorgen. "Ich glaube nicht, dass wir in einem Hotel schlafen werden", sagt Falk Müller von den Johannitern. "Wir sind auf Camping eingestellt." Der Geschäftsführer des Meißner Hallenbades "Wellenspiel" wirft seinen Schlafsack in den Einsatzleitwagen zu den anderen Rucksäcken. Auch Zelte, Biertischgarnituren und ein Gasgrill werden in die weißen Transporter verladen. Ebenso Lebensmittel für die 35 Feuerwehrleute und Johanniter, die in wenigen Minuten losfahren.
Müller hat sich am Morgen noch von seiner Frau und den beiden Kindern verabschieden können. "Ich bin seit 19 Jahren bei den Johannitern. Meine Familie ist das gewöhnt", sagt er. Nur für seine Jüngste, die viermonatige Julia, sei es die bisher längste Trennung von ihrem Papa. "Als Helfer stehen wir oft im Mittelpunkt. Aber es kommt nicht nur auf uns an", sagt der 38-Jährige. "Es ist wichtig, dass Familie und Arbeitgeber mitspielen."
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Die jüngste Johanniterin, die mit ins Katastrophengebiet fährt, ist etwas aufgeregt: Jenny Hornung, seit zwei Jahren ehrenamtlich bei den Johannitern. "Es ist mein erster Hochwasser-Einsatz", sagt die 21-jährige Studentin. Doch weil sie gerade Semesterferien hat, fällt es ihr leichter, sich dafür zu melden.
Acht Stunden Fahrt liegen vor dem Hilfskonvoi aus dem Landkreis Meißen. Voraussichtlich gegen 22.30 Uhr wird er den Nürburgring erreichen. Dann wird Dirk Zenker den Kasten Bier herausholen, den er noch schnell besorgt hat. Am Abend will er mit seinen Kameraden wenigstens mit einer Flasche auf seinen Geburtstag anstoßen. Am nächsten Tag müssen sie fit sein. Sie wissen noch nicht, was sie erwartet.
- Der Landkreis Meißen hat für die Betroffenen der Hochwasser-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein Spendenkonto eingerichtet: Sparkasse Meißen, IBAN: DE21 8505 5000 9871 8718 70, Verwendungszweck: Hochwasser 2021.