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Riesa: "Es ist immer eine Wundertüte vor Gericht"

Alexander Schreiber war als Rechtsanwalt bundesweit unterwegs. Mit Anfang 40 wechselte er noch mal an den Richtertisch – und arbeitet nun in Riesa.

Von Stefan Lehmann
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Alexander Schreiber im Flur des Riesaer Amtsgerichts. Bis Ende des Jahres ist der Leipziger als Proberichter für Strafverfahren zuständig.
Alexander Schreiber im Flur des Riesaer Amtsgerichts. Bis Ende des Jahres ist der Leipziger als Proberichter für Strafverfahren zuständig. © Sebastian Schultz

Riesa. An Abwechslung hat es Alexander Schreiber in seinem bisherigen Berufsleben nicht gefehlt. "Es gab schon Tage, da bin ich morgens ins Flugzeug gestiegen und nach München geflogen, für eine halbe Stunde Verhandlung." Als Rechtsanwalt hatte sich der Leipziger auf Arbeitsrecht spezialisiert, vertrat für seine Kanzlei Klienten deutschlandweit, etwa im Gesundheits- und Dienstleistungssektor.

Mit Anfang 40 aber bekam Schreiber noch mal Lust auf einen Tapetenwechsel. "Ich habe schon während der Zeit als Rechtsanwalt gemerkt, dass ich mich gut in beide Seiten hineindenken kann", erklärt Schreiber. "Also dachte ich mir: Da kannst du auch Richter werden." Und er sei gerade noch in dem Alter gewesen, in dem ein solcher Wechsel Sinn ergeben hätte.

Ein Jahr lang Pendeln von Leipzig nach Riesa

Also ging es zunächst für anderthalb Jahre zur Staatsanwaltschaft nach Dresden, anschließend war Alexander Schreiber am Zivilgericht in Eilenburg. Nun also noch die Strafrichter-Station in Riesa, wo er die Stelle von Ingeborg Schäfer ausfüllt. Die war mit dem neuen Jahr ans Justizministerium gewechselt.

Ein Jahr lang pendelt der Proberichter nun von seinem Wohn- und Geburtsort Leipzig aus in die Stahlstadt. "Unter den Möglichkeiten in Sachsen habe ich es da schon nicht schlecht getroffen", sagt Alexander Schreiber. Der Blick zur Elbe hin sei hübsch, die Zugverbindung günstig. Nur mit dem Auto sehe das ein wenig anders aus – mit der B169 aus Richtung Döbeln hat er schon Bekanntschaft gemacht. "Da ist Zugfahren doch deutlich entspannter."

Aufregung vorm ersten Prozess

Auch wenn er schon elf Jahre als Anwalt hinter sich hatte und die Richterstation nach dem Jurastudium Teil des Referendariats ist: Ein wenig Lampenfieber sei schon dabei gewesen, als er in Eilenburg erstmals wieder auf der Richterbank Platz nahm, erzählt der 43-Jährige. "Wissen, wie es geht, ist das eine. Es selbst machen, ist natürlich etwas anderes." Die Aufregung habe sich aber mittlerweile gelegt. "Und Strafverfahren laufen auch sehr formal ab." Zivilprozesse seien da ein wenig anders. Ohnehin bekommen die Proberichter noch einmal Einführungslehrgänge.

Schreibers erste Verhandlungen in Riesa waren schon bunt gemischt: Einmal Fahren ohne Fahrerlaubnis war dabei, und ein Betrugsvorwurf gegen eine Frau, die mit falschen Daten Internetbestellungen aufgegeben hatte. Typische Amtsgerichtsfälle eben.

Es brauche eine gewisse Neugier für den Beruf, sagt Schreiber. Er komme auch gern mit Menschen zusammen, und es macht ihm Spaß, "verschiedene Lebenssachverhalte zu erhellen".

Fast wäre er Lehrer geworden

Beides sind Punkte, die ihm wohl auch bei seinem anderen Traumberuf zugutegekommen wären. "Ursprünglich wollte ich Lehrer werden, weil ich Leuten gern etwas beibringe", erzählt Schreiber. Nach dem Abitur Ende der 90er-Jahre erschienen ihm die Aussichten für den Beruf in Sachsen dann aber doch nicht so rosig. Die Alternative habe er zunächst aus ganz pragmatischen Gründen gewählt: "Mit Jura kann man alles machen, das ist solide, man kann seinen Lebensunterhalt bestreiten."

Mehr als zwei Jahrzehnte später ist er dem Juristenleben immer noch treu. Das zeigt schon: Er hat längst eine Leidenschaft für den Beruf entwickelt. "Hier ist kein Tag wie der andere, das ist spannend", sagt Alexander Schreiber. Manchmal erscheine ein Vorwurf auf dem Papier ganz klar – und in der Verhandlung stelle sich dann raus, dass sich die Sache ganz anders zugetragen hat. "Dafür muss man offen sein, man darf sich nicht schon festlegen. Es ist immer eine Wundertüte vor Gericht."

Ausgleich von der juristischen Arbeit holt sich Schreiber beim Sport: "Im Gerichtssaal sitzt man viel. Ich gehe deshalb Joggen und mache Rückensport. Das ist körperlicher und auch geistiger Ausgleich." Außerdem ist er in der Freizeit als Hobbyfotograf unterwegs. "Vor allem Porträts und Landschaften."

Wohin es für Assessoren wie Alexander Schreiber nach ihrer Probezeit geht, entscheidet das Justizministerium. Üblich sei zunächst eine Station bei der Staatsanwaltschaft, sagt er. Könnte er es sich aussuchen, dann würde er aber Richter für Arbeits- und Zivilrecht werden wollen, sagt er selbst. Ein Kriterium für den 43-Jährigen bleibt aber die Nähe zum Wohnort, zumal er demnächst heiraten will.

Vom Riesaer Stadtgebiet hat Alexander Schreiber in den ersten Tagen noch nicht allzu viel gesehen. "Ich habe schon mitbekommen, dass es bis zum Stadtzentrum ein Stück ist", sagt er und lächelt. Das kann ja noch werden – das Jahr in Riesa hat schließlich gerade erst begonnen.