Riesa. Man kann auch in die Mühlen der Justiz geraten, wenn man nur eine geringfügige Schuld auf sich geladen hat. Diese Erfahrung musste Carla Z. (Name geändert) machen, die aus einem Dorf in der Nähe von Riesa stammt. Die 51-Jährige ist der fahrlässigen Körperverletzung angeklagt. Sie soll ihren alten bettlägerigen Vater derart vernachlässigt haben, dass er mit stark entzündeten, wundgelegenen Stellen am Becken ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
So steht es zumindest in der Anklageschrift. Diese beruht auf einer Anzeige des Rettungsdienstes, der zur Wohnung des 80-jährigen Mannes gerufen worden war. Der Notfallsanitäter stellte ein Liegetrauma und eine Nekrose am Oberschenkel fest. Außerdem war das Bett, in dem der Vater lag, nass. Und der alte Herr hatte Spuren von Speise- und Tablettenresten an seiner Oberbekleidung. Das Rettungsteam kontaktierte noch in der Notaufnahme des Krankenhauses die Polizei und zeigte einen vermeintlichen Fall von Verwahrlosung an.
Pflegedienst selbst abbestellt
Während der Verhandlung vorm Riesaer Amtsgericht stellt sich die Sache allerdings etwas anders dar. Der 80-Jährige konnte nach einem Schlaganfall und einem Oberschenkelhalsbruch nicht mehr laufen. Aber er war nach der Reha zumindest einigermaßen in der Lage, sich selbst zu behelfen. Etwa beim Essen oder bei der Benutzung des Toilettenstuhls neben seinem Bett.
Aber ihr Vater sei auch eigensinnig gewesen, sagt Carla Z. vor Gericht aus. Sie habe es nicht geschafft, ihn davon abzubringen, auf seiner „Lieblingsseite“ zu liegen. Deshalb die wunde Stelle. Das stellte die Hausärztin der Familie bei einem turnusmäßigen Besuch fest und veranlasste die Einweisung ins Krankenhaus. Die Ärztin hielt sich allerdings beim Eintreffen des Rettungsdienstes nicht mehr in der Wohnung auf. Möglicherweise wäre es sonst gar nicht zu der Anzeige gekommen.
Man kann Carla Z., die den Vater gemeinsam mit ihrer Mutter pflegte, nicht gänzlich von schuldhaftem Verhalten freisprechen. Der Zustand des alten Mannes hatte sich wohl kurz vor den geschilderten Ereignissen stark verschlechtert. Und er hatte, weil er mit seinem Pflegedienst nicht zufrieden war, diesen kurzerhand telefonisch abbestellt. Die Tochter wiederum, die noch berufstätig und außerdem gehbehindert ist, war mit der Situation offenbar überfordert. Sie hätte gar nicht eingesehen, dass ihr Vater professionelle Hilfe braucht, erklärt der Notfallsanitäter im Zeugenstand.
Diese für alle Beteiligten schwierige Situation scheint aber mittlerweile aufgelöst zu sein. Die Familie hat einen neuen Pflegedienst engagiert, mit dem der Vater wohl auch zufrieden ist. Der alte Herr bekam außerdem eine gerichtlich bestellte Betreuerin zur Seite gestellt. Richterin Rita Großmann sieht deshalb keinen Grund, Carla Z. zu verurteilen. Sie stellt das Verfahren ein, ohne eine Geldauflage zu verhängen.