Riesa: Nickritzer ärgert sich über wilden Grünstreifen

Riesa. Wenn er von seinem Garten aus Richtung Ortseingang schaut, dann blickt Rolf Dumpf auf "Weißrussland", wie er sagt. Das mag erst einmal übertrieben klingen - aber der Nickritzer ärgert sich eben fürchterlich über den verwildernden Grünstreifen. Auf den letzten Metern vor dem Ortseingang stehen trockenes Gras und Disteln bald kniehoch.
Alle Jahre wieder sei das der Fall, erzählt der Riesaer. Erst vor ein paar Wochen sei wieder gemäht worden - nur nicht der Abschnitt vor seinem Haus. "Das Gras wird in Richtung Pausitz kurz gehalten, aber am Ortsschild drehen sie um."
Rolf Dumpf gehört nicht zu der Sorte, die sich gleich beschweren gehen. In der Vergangenheit habe er stattdessen selbst zur Sense gegriffen, erzählt er. "Da haben die Leute manchmal schon gesagt, du bist doch schön blöd, die Arbeit für die anderen zu machen." Allzu viel ausgemacht hat ihm das offenbar nicht. Aber nun sei er 80 Jahre. Zuletzt hatte auch die Agrargenossenschaft das kleine Wiesenstück kurz gehalten, wenn geerntet wurde. "Da war ich auch sehr dankbar." Aber nun wachsen auf dem Feld Zuckerrüben, da seien die Feldarbeiten deutlich später dran.
Das Landratsamt mäht früher als die Stadt
"Ich hatte eigentlich Hoffnung, nachdem die Auenwaldstraße und der Radweg neu gemacht wurden", sagt Rolf Dumpf. Stattdessen sei nun die Fahrbahn nagelneu saniert und daneben verwildere alles. "Als mein Schwiegersohn neulich zu Besuch war, hat er direkt gemeint, das sei immer noch der verlumperte Osten."
Den Kontakt zur Stadt habe er gesucht. Aber ohne Termin sei es eben nicht möglich, mit jemandem zu sprechen, ärgert sich Rolf Dumpf.
Dass der Rasenmäher am Nickritzer Ortsschild bei der jüngsten Mahd umgedreht ist, hat einen einfachen Grund: Für den Randstreifen ist im Bereich zwischen Pausitz und Nickritz der Landkreis zuständig.
Erst ab dem Ortseingangsschild ist die Stadt zuständig. Laut Stadtsprecher Uwe Päsler werde in Nickritz alle zwei- bis dreimal innerhalb der Ortschaft gemäht. Gerade erst sei das auch wieder passiert. Das Gras vor Rolf Dumpfs Haus aber blieb stehen. Wurde der Streifen am Radweg vergessen?
Auf erneute Nachfrage im Rathaus heißt es, die Stelle stehe noch auf dem Plan: "Die AGV hat den Streifen am 19. Mai gemäht und wird Ende August, Anfang September wieder mähen." Mit der Sense jedenfalls wäre die Arbeit jetzt mühselig, sagt Rolf Dumpf. "Das Gras ist schon so trocken, das Blatt ist nach zehn Metern stumpf."
Andernorts gibt es Klagen über zu häufiges Mähen
Erst im vergangenen Jahr hatte die Grasmahd in einem anderen Riesaer Ortsteil für kritische Fragen gesorgt. Aber nicht, weil das Gras nicht kurz genug gehalten wurde - im Gegenteil: Anwohner aus Merzdorf hatten nachgehakt, ob man eine Wiese an der Döllnitz nicht einfach sich selbst überlassen könne. Dort schritt die AGV damals schon zweimal im Jahr zur Tat. Noch seltener zu mähen, ergebe keinen Sinn, hatte die Stadt damals mitgeteilt.
Beide Fälle zeigen vor allem, dass die Haltung zu brach liegenden Grünflächen nach wie vor auseinander gehen. Während gerade Naturschützer dafür plädieren, Feldraine und Wiesen nicht allzu oft zu stutzen, sich mancher auch an den blühenden Disteln erfreuen kann, ärgern sich die direkten Nachbarn öfter über verwildernde oder einfach "unordentliche" Grundstücke - so wie eben Rolf Dumpf in Nickritz.
Die Stadtverwaltung hat mit diesen gegenläufigen Meinungen zur extensiven Wiesenbewirtschaftung schon in den vergangenen Jahren ihre Erfahrungen gemacht: Auch über bewusst selten gemähte Blühflächen sei da regelmäßig geschimpft worden, verriet Stadtsprecher Uwe Päsler schon 2021. Damals hieß es, dass mittlerweile die Hälfte aller Wiesenflächen in Riesa extensiv bewirtschaftet wird.