Riesa: Wenn die Vaterliebe eskaliert

Riesa. Beim nächsten Vergehen geht es ab ins Gefängnis! So lautet die Standard-Ermahnung von Strafrichtern, wenn der Delinquent zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wird.
Manchmal aber schafft es ein Angeklagter, Justitia ein zweites Mal zu einem milden Urteil zu bewegen. Unglückliche Lebensumstände zum Beispiel, wie im Falle des Riesaers Marco F.*, lassen sogar die Staatsanwaltschaft nicht kalt. Der 39-Jährige sitzt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auf der Anklagebank. Er soll sich der Aufforderung, sich auszuweisen, widersetzt haben, und zwar so heftig, dass ihn gleich vier Polizisten zur Raison bringen mussten. Dabei bekamen auch die beteiligten Beamten leichte Blessuren ab.
Die Geschichte, die dahintersteht, ist aber weitaus vielschichtiger.
Seit Jahren im Sorgerechtsstreit
Marco F. lebt getrennt von einer früheren Partnerin, mit der er zwei Kinder hat. Diese wachsen im Heim auf und sehen ihren Vater nur gelegentlich. Seit Jahren ficht der Riesaer mit seiner Ex einen Sorgerechtsstreit aus, was an den Kindern nicht spurlos vorübergegangen ist.
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Im August vorigen Jahres war der neunjährige Junge bei seiner Mutter ausgebüxt und hatte den Papa aufgesucht. Die Mama informierte daraufhin die Polizei mit dem Hinweis, dass sie wohl beim Erzeuger fündig werden könnte. Nach einem vergeblichen ersten Versuch trafen die Beamten Vater und Sohn dann vor der Wohnung von Marco F. in der Riesaer Innenstadt an. Der Junge lief sofort weg, und als die Polizisten ihm folgen wollten, stellte sich F. vor den Streifenwagen und blockierte ihn. Er wolle sein Kind selber suchen, rief er, schwang sich aufs Fahrrad und fuhr davon.
Keiner kann sich an Angriffe erinnern
Etwas später trafen die Polizisten Marco F. am Poppitzer Platz wieder. Er habe sofort sein Fahrrad hingestellt und mit den Beamten sprechen wollen, sagt der Angeklagte. Worauf diese ihn festhielten und zu Boden brachten.
Dort widersetzte er sich heftig und kam erst im Polizeitransporter wieder einigermaßen zur Ruhe. Er wurde noch vor Ort vom Rettungsdienst verarztet, weil er sich Knien und Ellbogen aufgeschlagen hatte, später noch einmal im Krankenhaus. In der Anklageschrift steht, dass Marco F. versucht haben soll, einem der Polizisten einen Kopfstoß zu versetzen. Und dass er nach den Beamten geschlagen und getreten haben soll. Das aber bestätigt sich bei der Zeugenbefragung nicht. Keiner der Beteiligten kann sich an aktive Angriffe von F. erinnern. Er habe sich gedreht und gewunden, auch herumgebrüllt, aber weiter sei er nicht gegangen.
Vater bedauert die Eskalation
Auch das höfliche und einsichtige Auftreten des Angeklagten vor Gericht bleibt nicht ohne Eindruck. Er habe eigentlich großen Respekt vor der Arbeit der Polizei, sagt der studierte Informatiker. Und er bedaure sehr, dass die Sache so weit eskaliert sei.
Am Ende fordert die Staatsanwältin trotz der noch nicht abgelaufenen Bewährungszeit nur eine Geldstrafe von knapp 1.000 Euro. Richter Alexander Schreiber bleibt mit seinem Urteil sogar darunter, sodass F. am Ende nur 720 Euro berappen muss. Hier habe sich ein Vater schützend vor seinen Sohn stellen wollen, so die Begründung. Noch dazu ein Vater, der durch den langwierigen Sorgerechtsstreit psychisch zermürbt sei.
Die Bewährungsstrafe hatte sich Marco F. übrigens wegen des unerlaubten Anbaus von Cannabis eingehandelt – ein Tatbestand, der ziemlich weit vom aktuell angeklagten Delikt entfernt ist. Ein weiterer Grund, den Riesaer mit einem zweiten blauen Auge davonkommen zu lassen.
*Name des Angeklagten von der Redaktion geändert.