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Wie laut darf es in einer Gartensparte sein?

Eine Anwohnerin beschwert sich in Riesa über laute Musik von Pächtern. Der Gartenvorstand widerspricht.

Von Christoph Scharf
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Waldfrieden heißt die Riesaer Gartensparte, bei der Gunter Starcke und Sonja György im Vorstand sitzen. Eine Anwohnerin beschwert sich über Lärm von dort.
Waldfrieden heißt die Riesaer Gartensparte, bei der Gunter Starcke und Sonja György im Vorstand sitzen. Eine Anwohnerin beschwert sich über Lärm von dort. © Sebastian Schultz

Riesa. Der Name klingt nach Ruhe und Idylle: Waldfrieden heißt die Gartensparte in Riesa-Merzdorf, hinter der Teigwarenfabrik am Ufer der Döllnitz gelegen. Doch Ruhe ist genau das, was eine Anwohnerin vermisst, die sich mit einem langen Schreiben an die Zeitung wandte. "Seit 24 Jahren wohnen wir in Sicht- und Hörweite zum Merzdorfer Park und der dort liegenden Kleingartenanlage", schreibt die Riesaerin. Es habe nie Probleme mit den Pächtern der Kleingärten gegeben, ganz im Gegenteil. "Es war ein schönes nachbarschaftliches Miteinander."

Nun aber sei alles anders: Vor etwa zwei Jahren hätten einige der älteren Pächter ihre Kleingärten aus Altersgründen abgeben müssen. "Nun sind junge Leute in die Gartenanlage eingezogen und somit auch die Probleme", schreibt die Frau, die ihren Namen nicht öffentlich genannt haben möchte.

Dort werde nun mehrmals in der Woche bis spät in die Nacht bei lauter Musik und Feuerschein gefeiert. "Oftmals ist von dort schon am Vormittag Musik zu hören - in circa 150 Meter Entfernung!", sagt die Anwohnerin. Eine kleingärtnerische Nutzung sei von außen nicht zu erkennen. Viele Kleingarten-Vorschriften zur Höhe der Hecken, Aufstellung von Pools und der gärtnerischen Nutzung schienen nicht eingehalten. "Die Gärten werden als Party-Gelände und Spielplatz und Wochenend-Ausflug der Freunde und Bekannten der Pächter zweckentfremdet."

Die Sparte Waldfrieden liegt an der Merzdorfer Straße, zwischen Döllnitz und Fußballplatz.
Die Sparte Waldfrieden liegt an der Merzdorfer Straße, zwischen Döllnitz und Fußballplatz. © Sebastian Schultz

Die erzürnte Anwohnerin hat sich nach eigenen Angaben bereits an die Vorsitzende der Sparte gewandt und auch an den Dachverband der Riesaer Kleingartenvereine - ohne Erfolg. Der Verband habe zurück an die Spartenchefin verwiesen - und die, Sonja György, sehe keinen Handlungsbedarf. "Es ist zum Verzweifeln!"

Auf die Beschwerden angesprochen, weiß die Gartenchefin gleich, von wem sie kommen. "Bei uns beschwert sich immer nur ein und dieselbe Person", sagt Sonja György. Nachvollziehen könne sie das nicht. "Ja, die Pächter hören manchmal Musik. Aber so leise, dass man sie schon am Tor der Sparte nicht mehr wahrnimmt." Wäre es anders, würde sie das selbst hören - wohne die Spartenchefin selbst doch nur 300 Meter entfernt.

Vorstandskollege Gunter Starcke sieht das ähnlich. "Auch ich wohne gleich nebenan - und höre keine laute Musik aus unserer Sparte." Womöglich komme der umstrittene Lärm von nebenan, mutmaßt er. "Auf dem öffentlichen Spielplatz treffen sich immer wieder Kinder, die laute Musik mit ihren mitgebrachten Lautsprechern hören", sagt der Mann. Über so leistungsstarke Beschallungstechnik, wie sie Kinder heute ans Smartphone anschließen, wäre er früher als DJ froh gewesen. Und auch die Jugendlichen, die sich nebenan im Park an der Döllnitz treffen würden, würden Musik mit viel Bass abspielen.

In dieser Parzelle wird offenbar kaum eine gärtnerische Nutzung betrieben. Nach Auskunft des Vorstands wird die nicht verpachtete Laube für Vorstandssitzungen genutzt.
In dieser Parzelle wird offenbar kaum eine gärtnerische Nutzung betrieben. Nach Auskunft des Vorstands wird die nicht verpachtete Laube für Vorstandssitzungen genutzt. © Sebastian Schultz

112 Parzellen gehören zum Verein, nur vier Gärten stehen leer. Und die würden von den anderen Gärtnern mit gepflegt - auch von denen, die angeblich zu laute Musik hören. "Das läuft super", sagt die Spartenchefin, während sie durch die Anlage geht und in den Schaukästen den Aushang verteilt, dass das Wasser am 2. April wieder angestellt wird. Und Kinder brauche man doch im Kleingarten, sagt Gunter Starcke. "Wenn die Kinder das Gärtnern nicht von früh auf lernen, übernehmen sie später den Garten nicht." Und so findet sich in einer Parzelle auch ein kleiner aufgestellter Sandkasten. An ersten Sträuchern hängen Ostereier zur Dekoration, an vielen Stellen kommen Tulpen aus dem Boden. Die ersten Bienen fliegen herum. "Wir achten drauf, dass immer was blüht", sagt Sonja György.

Rund zwei Drittel der Pächter seien derzeit Rentner. Zwei Jahre Pandemie aber hätte dafür gesorgt, dass einige junge Familien mit zwei, drei Kindern das Kleingärtnern für sich entdeckt hätten. Und auch die Leute, die in der Sparte Musik hören würden, würden sich "liebevoll" um ihre Gärten kümmern - und auch die nötigen Pflichtstunden für den Verein ableisten.

"Die Vorstellung, dass wir jetzt für immer mit dem Lärm der Kleingärtner leben müssen, nur weil diese sich so derartig rücksichtslos verhalten, ist einfach furchtbar für uns", schreibt dagegen die Anwohnerin. Sie würden aus Gesprächen wissen, dass sich sowohl einige der Anwohner als auch die alteingesessenen Gärtner belästigt fühlen und bei Frau György beschwert hätten.

Die Spartenvorsitzende widerspricht energisch: Wenn die Anwohnerin sich beschwere, würde sie die Leute vor Ort im Garten ansprechen. "Die sagen mir dann, dass nichts zu hören sei." Und wenn sie selbst laute Musik wahrnehmen würde, würde sie gleich selbst kontrollieren kommen. Sie habe der Beschwerdeführerin gesagt, sie solle die Lärm-Zeiten notieren und mitteilen. "Aber da kam nichts."

Im Bundeskleingartengesetz findet sich gar keine Regelung zum Lärm, in der Riesaer Polizeiverordnung nur der Verweis auf Ruhezeiten Montag bis Donnerstag 22 bis 6 Uhr, Freitag 24 Uhr bis Sonnabend 8 Uhr, Sonnabend 13 bis 15 und 24 Uhr bis Montagfrüh 6 Uhr. Und nun? Wenn es gar nicht anders gehe, solle die Beschwerdeführerin beim nächsten Lärm die Polizei holen, sagt die Spartenchefin. "Ansonsten hilft es, wenn sich jeder ein bisschen zurücknimmt und man miteinander redet." Man könne auch die Gartenfreunde, die einem zu laut vorkommen, direkt ansprechen.