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Riesa: Volle Erntekisten vom alternativen Acker

Seit 2021 wird ein Feld bei Neunickritz solidarisch bewirtschaftet. Die erste Ernte läuft besser als erwartet. Nun sucht die Initiative weitere Gleichgesinnte.

Von Stefan Lehmann
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Ursula Grellmann (.), Elke Schumann und Andreas Hartzsch zeigen auf dem Feld in Neunickritz den Inhalt einer Erntekiste - fürs Foto ausnahmsweise verteilt auf zwei.
Ursula Grellmann (.), Elke Schumann und Andreas Hartzsch zeigen auf dem Feld in Neunickritz den Inhalt einer Erntekiste - fürs Foto ausnahmsweise verteilt auf zwei. © Sebastian Schultz

Riesa. Die grüne Plastikkiste ist randvoll. Hokkaido-Kürbisse, mehrere Salatsorten, Schnitt- und Zwiebellauch, Möhren, Kartoffeln und Rucola, dazu Pak Choi. Als kleinen Gruß an die Abholer hat Elke Schumann noch eine Sonnenrose hinzugefügt.

Insgesamt 15 solcher Kisten erntet die Solidarische Landwirtschaft in Neunickritz zurzeit jeden Mittwoch. "Das reicht für eine vierköpfige Familie", erklärt Elke Schumann.

Es ist das erste Erntejahr für die "Solawi", die unter dem Namen "Baum, Frucht, Gemüse" firmiert. Die Gruppe bewirtschaftet gemeinsam unter fachkundiger Anleitung das Feld, die Arbeit wird genauso geteilt wie die geernteten Feldfrüchte. Landwirt und Verbraucher gehen sozusagen eine Symbiose ein. Die Ziele sind vielfältig: nachhaltiges Wirtschaften, Erhalt der Kulturlandschaft, regional produzierte Lebensmittel.

Mit den Erntemengen sind sie in diesem Jahr durchaus zufrieden. "Wir hatten alle nicht so viel erwartet", sagt Elke Schumann. Bis Mitte Januar dürfte wohl jeder Einzelne eine volle Kiste mit nach Hause nehmen können.

Organisiert, etwa als eingetragener Verein, sind sie derzeit nicht. Es gehe vielmehr darum, gemeinsam für die gute Sache zu wirtschaften, sagen Elke Schumann, Ursula Grellmann und Andreas Hartzsch unisono. Insgesamt zählt die Initiative 16 Mitstreiter, aber an diesem Freitagvormittag sind viele noch arbeiten. "Vom Alter her ist es bei uns bunt gemischt", sagt Ursula Grellmann.

Die Gemüseernte haben sich die Mitstreiter hart erarbeitet. Mehr als 200 Obstbäume und -sträucher waren 2021 gepflanzt worden, die Fläche musste auch erst mal urbar gemacht werden. Der Acker hat ein Problem mit der Quecke. Die Wurzeln des Süßgrases sind überall. Das heißt: Es muss viel umgegraben werden. Nach dem ersten Tag auf dem Feld habe sie die Arbeit auch deutlich gespürt, sagt Ursula Grellmann und lächelt.

Die Arbeitseinsätze konzentrieren sich aufs Wochenende. "Jeder leistet, was er kann", betont Elke Schumann. Andreas Hartzsch beispielsweise kümmert sich in erster Linie um die Technik. Es gibt keine festgelegten Pflichtstunden für die Feldarbeit. Bisher klappt das gut: An den Wochenenden sei eigentlich immer die Hälfte der Mitglieder da. Dieses Wir-Gefühl schätzen die drei.

Auf dem Feld in Neunickritz blühen derzeit die Sonnenrosen. Die Fruchtfolge sorgt dafür, dass der Boden nicht ausgelaugt wird. Die Landwirtin kann sich das leisten, weil sie nicht zur Gewinnmaximierung gezwungen ist.
Auf dem Feld in Neunickritz blühen derzeit die Sonnenrosen. Die Fruchtfolge sorgt dafür, dass der Boden nicht ausgelaugt wird. Die Landwirtin kann sich das leisten, weil sie nicht zur Gewinnmaximierung gezwungen ist. © Sebastian Schultz

Einzige Verpflichtung ist ein finanzieller Beitrag, der sogenannte Ernteanteil. Der bewegt sich monatlich derzeit im oberen zweistelligen Eurobereich, wird aber individuell festgelegt. Auch das ist die Solidarität, betont das Trio: Gemüsegärtnerin Ramona Kempf wird unabhängig von der Ernte bezahlt. Das erlaubt es ihr, anders zu arbeiten als die konventionelle Landwirtschaft, die zur Ertragsmaximierung gezwungen ist. "Man bekommt hier für das Geld jede Woche auch eine ganz andere Qualität als im Supermarkt", schwärmt Elke Schumann.

Dass nur geerntet werden kann, was auch da ist, hat sich bisher jedenfalls nicht negativ bemerkbar gemacht. Eher sei es die Herausforderung für den Koch, das variierende Lebensmittelangebot binnen einer Woche auch kreativ weiterzuverarbeiten, sagt Andreas Hartzsch. "Ich habe jetzt schon öfter bei mir im Haus etwas vom Gemüse verschenkt. Auch das gehört für mich zur Solawi dazu." Und nebenbei sei es auch noch Werbung, um weitere Menschen zum Mitmachen zu überzeugen.

Um das zu schaffen, wollen sie auf dem Acker in Neunickritz demnächst einen Infotag für Gleichgesinnte veranstalten. Am 15. Oktober könne man Details besprechen und Fragen loswerden. Reichlich eine Handvoll Ernteanteile könne man jedenfalls noch vergeben, schätzen sie.

  • Acker-Infotag bei der Solidarischen Landwirtschaft Neunickritz am Sonnabend, 15. Oktober, von 10 bis 12 Uhr. Die Zufahrt zum Acker erfolgt über die Gostewitzer Straße in Neunickritz. Kontakt und weitere Informationen unter https://baumfruchtgemuese.de/