Vermieter reagieren auf Einwohnerschwund

Riesa. Erst ging es behutsam zu. Jetzt hat der Abrissbagger das Sagen: Nachdem an der Steyerstraße alle Fenster ausgebaut wurden und die Haustechnik deinstalliert war, geht der Abbruch des Wohnblocks nun zügig voran. Nicht jeder findet es gut, dass die Wohnungsgenossenschaft Riesa das schon einmal sanierte Haus abreißen lässt. Die Genossenschaft selbst hatte es mit der steigenden Leerstandsqoute begründet (sächsische.de berichtete).
Demnach hatte man den Block Heinz-Steyer-Straße 1-9 eigentlich gar nicht abreißen wollen, hatte Vorstandsvorsitzende Kerstin Kluge bereits im Februar erklärt. Dann sei unter der Mieterschaft das Gerücht entstanden, dass die Genossenschaft den Bestand dort "auflockern" wolle. Und so seien innerhalb von zwei Jahren 13 Mietparteien ausgezogen. Damit stand fast jede zweite Wohnung leer - und man habe den Block in die Abrisskonzeption aufnehmen müssen.

Die Steyerstraße und die Genossenschaft sind nicht die Einzigen, die von Abrissen betroffen sind: Auch der andere Riesaer Großvermieter, die städtische Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR), muss abreißen lassen. Unter anderem fallen demnächst mehrere Blöcke an der Dresdner Straße. Hauptgrund ist hier wie dort die Einwohnerentwicklung von Riesa. Die kennt seit 1990 nur eine Richtung: konstant nach unten. Waren es zur Wendezeit noch mehr als 50.000 Einwohner, sind es mittlerweile weniger als 30.000.
Immerhin: Ganz so drastisch wie in den 90ern verringert sich die Einwohnerzahl nicht mehr. Aber auch noch in den vergangenen Jahren war am Jahresende stets ein Minus zu verzeichnen. Entsprechend verringerten die Vermieter ihren Wohnungsbestand - auch mit Fördergeldern, die für den Abriss flossen und fließen.
Die WGR, der Vermieter mit den meisten Wohnungen in Riesa, hat jetzt einen Einblick in die Entwicklung seines Wohnungsbestands gegeben (siehe Grafik). Demnach sank die Zahl der Wohnungen seit 2011 ähnlich kontinuierlich wie die Riesaer Einwohnerzahl. Nur 2012 ging die Zahl der Wohnungen einmalig deutlich nach oben. "Damals haben wir drei Blöcke in der Riesaer Delle mit mehr als 100 Wohnungen dazugekauft", erklärt WGR-Geschäftsführer Roland Ledwa. Abgerissen wurde in dem Jahr trotzdem - die Zahl der Wohnungen im WGR-Bestand stieg in dem Jahr lediglich um 55.

Der scheinbare Widerspruch erklärt sich, weil längst nicht alle Wohngebiete, Wohnungsgrößen, Wohnformen gleichermaßen gefragt sind. Und so wird in einem Stadtteil abgerissen, während anderswo - etwa am Karl-Marx-Ring - beide Großvermieter ihre Blöcke sanieren, umbauen und lediglich um eine Etage schrumpfen lassen.
Direkten Neubau gibt es ebenfalls, etwa von der Wohnungsgenossenschaft an der Alleestraße - gleich um die Ecke vom Abriss-Block an der Steyerstraße. Was neu gebaut oder in den vergangenen zehn Jahren voll saniert wurde, sei bis auf einzelne Wohnungen voll vermietet, hatte Kerstin Kluge erklärt. Und auch bei der WGR sind die aufwendig sanierten Häuser - zuletzt etwa das Hochhaus an der Chemnitzer Straße - anschließend gefragt, so das Unternehmen.

Gleichzeitig hätten aber die überdurchschnittlich hohen Sterbezahlen im letzten Quartal 2020 jetzt Folgen für die Vermietung, sagt der WGR-Geschäftsführer. "Wir merken vor allem im betreuten Wohnen, dass es in den Altenheimen keine langen Wartezeiten mehr gibt", sagt Roland Ledwa. Dadurch würde manch Mieter schneller beim betreuten Wohnen aus- und ins Pflegeheim einziehen. Das sei sowohl in Riesa selbst als auch in Nünchritz - bei der WGR-Tochter Wohnungsgesellschaft Nünchritz - festzustellen.
Abrisse wird es in Riesa in den folgenden Jahren deshalb weiter geben. Gleichzeitig werden aber auch Wohnungen umgebaut, um gefragte Grundrisse zu schaffen - etwa an der Schweriner Straße. Und es entstehen Alternativen zu Mietwohnungen: etwa Eigenheime an der Segouer Straße oder ein komplett neues Wohnviertel auf dem Gelände der einstigen Brauerei.