Zeithain: Neue Hürde für Geschichtslehrpfad

Zeithain. Eine Archäologin ist Bärbel Schulz nicht. Aber jedes Mal, wenn sie mit Jugendlichen den südwestlichen Teil der Gohrischheide betritt, fühlt sie sich wie eine. Seit 2003 gräbt und forscht sie hier nach Spuren des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Zeithain. "Echte Archäologen interessieren sich nicht so sehr für die jüngere Zeitgeschichte", sagt sie. Erst was älter als 500 Jahre sei, würde Archäologen reizen.
Für die studierte Architektin ist das ein Glücksfall. So sei sie einst an diesen Auftrag der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gekommen, das Stammlager Stalag 304 zu erkunden. "Es war das größte Kriegsgefangenenlager in Deutschland", sagt Jens Nagel, der Leiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. Er kenne jedenfalls kein größeres auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.
Und es dürfte auch einer der schrecklichsten Orte im Zweiten Weltkrieg gewesen sein. Denn die Wehrmacht ließ hier Soldaten, größtenteils aus der ehemaligen Sowjetunion, jämmerlich zugrunde gehen. Schätzungsweise 30.000 Kriegsgefangene starben hier an Hunger, Krankheit und Unterversorgung.
Die Erinnerung an dieses Leid zu bewahren ist Ziel des internationalen Jugendcamps, das hier jährlich stattfindet. Auch in diesem Sommer haben sich wieder junge Leute aus mehreren Ländern, die mindestens 18 Jahre alt sein müssen, für Zeithain angemeldet. Sie kommen diesmal aus Spanien, Italien, Mexiko, Aserbaidschan, England und der Türkei.
Das Puzzle wird immer größer
Sie folgen gespannt Bärbel Schulz, die sie zu den Orten der Schande führt. Die freie Architektin hat mittlerweile viele Hinweise gefunden, die Rückschlüsse auf das Leben in dem Lager zulassen. Mithilfe von Camp-Teilnehmern vergangener Jahre hat sie im Boden der Heide Überreste von Fundamenten und viele Alltagsgegenstände entdeckt. Mehrere davon wurden bereits in der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain ausgestellt.
Das Puzzle wird immer größer. Längst besteht es aus so vielen Fundstellen, um einen Lehrpfad eröffnen zu können. Seit Jahren bemühen sich die Mitarbeiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain und die Mitglieder des zugehörigen Fördervereins darum, ihn zu verwirklichen.
Ideen, wie der Geschichts- und Naturlehrpfad gestaltet werden könnte, gibt es genug. So sollen die Giebelseiten der ehemaligen Baracken, deren Fundamente gefunden wurden, mit roten Holzrahmen angedeutet werden. Auf Informationstafeln sollen die einzelnen Gebäude und das Leben in dem Kriegsgefangenenlager beschrieben werden.

Mit einem QR-Code auf den Tafeln soll es auch möglich sein, den historischen Ort auch per Handy oder Tablet interaktiv erlebbar zu machen. Mit Letzterem wird bereits seit einiger Zeit erfolgreich gearbeitet, können Schulklassen ihren Geschichtsunterricht an den Rand der Gohrischheide bei Jacobsthal verlagern.
Vieles ist möglich und umsetzbar. Und sogar das notwendige Geld für den Lehrpfad ist bereits da. Im April teilte der Freistaat Sachsen mit, dass die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain eine halbe Million Euro für das Projekt erhält. Die Mittel stammen aus dem früheren Vermögen ehemaliger Parteien und Massenorganisationen (PMO) der DDR, das die ostdeutschen Bundesländer jährlich verteilen.
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Bis 2025 sollen die PMO-Gelder ausgegeben werden. Der Gedenkstätte bleiben also noch drei Jahre, die Lehrpfad-Pläne umzusetzen. Doch es gibt ein Problem: Auf dem Gelände des einstigen Kriegsgefangenenlagers befindet sich heute ein Naturschutzgebiet. Darüber wacht das Umweltamt.
Bereits vor einigen Jahren hat das Landratsamt Meißen erklärt, dass es den Lehrpfad, der an das Stalag 304 erinnern soll, prinzipiell befürwortet. Doch die Belange des Naturschutzes müssten berücksichtigt werden.
Verschwendung öffentlicher Gelder?
"Deshalb gibt es eine abgespeckte Variante, von dem, was wir uns ursprünglich vorgestellt haben", sagt Bärbel Schulz. Doch im Mai erreichte die Gedenkstätte ein neuer Hinweis des Landratsamtes. Es verlangt jetzt einen schriftlichen Bauantrag für das Gesamtprojekt. Das hat weitere Untersuchungen zur Folge, wie zum Beispiel die Umweltverträglichkeitsprüfung.
Jens Nagel ist sauer. "Das hätten sie uns auch schon letztes Jahr sagen können." Bärbel Schulz ist nicht minder verärgert und vermutet eine Hinhaltetaktik. Auch sie sagt: "Das ist aus meiner Sicht eine Verschwendung öffentlicher Gelder." Eine kurzfristige Anfrage von Sächsische.de zum Thema an das Landratsamt blieb bisher unbeantwortet.