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Landkreis Meißen: Bis zu einem Jahr Wartezeit fürs neue Fahrrad

Der Fahrrad-Boom im Elbland lässt nicht nach. Großer Gewinner ist das E-Bike.

Von Sarie Teichfischer
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Ronald Weser (r.) leitet das Zweirad-Center in Riesa. Weil in Werkstatt und Geschäft viel zu tun ist, hat Weser im September mit Jens Stephan einen neuen Mitarbeiter eingestellt.
Ronald Weser (r.) leitet das Zweirad-Center in Riesa. Weil in Werkstatt und Geschäft viel zu tun ist, hat Weser im September mit Jens Stephan einen neuen Mitarbeiter eingestellt. © Sebastian Schultz

Landkreis Meißen. Spätestens seit Corona ist er nicht mehr aufzuhalten: der Trend zum Fahrrad, besonders zum E-Bike. Statt in die Ferne zu reisen, sattelte man zunehmend aufs Rad um - besonders gerne auf eins, das mit wenig Anstrengung große Entfernungen macht.

Gegensätzlich dazu verhielt sich allerdings in den vergangenen Jahren die Angebotssituation: Durch Produktionsausfälle und unterbrochene Lieferketten mussten potenzielle Radkäufer lange auf ihr Fahrzeug warten. Und das ist teilweise bis heute so. Ronald Weser, Inhaber vom Zweirad-Center in Riesa sagt: "Musste man früher vier bis sechs Wochen auf sein Wunsch-Rad warten, sind es derzeit im Schnitt drei bis sechs Monate; im schlimmsten Falle bis zu einem Jahr." Das sei sehr ärgerlich, denn der Kunde wolle ja direkt losfahren.

Die Lösung sei das Finden von Alternativen: "Wir weichen dann eben auf eine andere Farbe, eine andere Schaltung, ein ähnliches Modell aus." Apropos Farbe: In dieser Hinsicht seien die Hersteller momentan eher langweilig unterwegs - es dominiere schwarz in allen Schattierungen. Das sei nicht unbedingt der Renner, vor allem nicht bei Damenrädern. Zweirad-Weser hat eine Lösung gefunden: "Wir haben unser Werbestudio angesprochen und die haben uns Muster designt, sodass aus komplett schwarz wenigstens schwarz mit Farbakzenten wird." So kann man quasi sein eigenes Rad gestalten, was natürlich eine Preisfrage ist.

Reparaturen sind komplexer geworden

War das Fahrradgeschäft früher ein Saisongeschäft, ist man nun rund um die Uhr im Einsatz; auch und gerade in der Reparatur. "Wir könnten im Grunde die ganze Woche durchschrauben", so Maik Bormann von Fahrrad Borgly in Großenhain. Die Reparaturen seien komplexer geworden, auch am herkömmlichen Rad. Hydraulische Bremsen, innen verlegte Bautenzüge und ähnliches machten es dem Kunden schwerer, selbst Hand anzulegen.

Das Zweirad-Center Weser in Riesa hat aufgrund der stetig wachsenden Nachfrage an Käufen und Reparaturen diesen Monat einen neuen Mitarbeiter eingestellt. Die "Fahrradkette" - inzwischen tatsächlich eine Ladenkette - hatte ihr erstes Geschäft in Weinböhla und ist in den vergangenen 14 Jahren auf fünf Filialen in der Region angewachsen.

E-Bikes sind überall der Verkaufsrenner; bei Fahrrad Borgly in Großenhain machen sie inzwischen 90 Prozent des Umsatzes aus. Grundsätzlich sähe der Anschaffungs-Prozess meistens so aus: "Die Frau bekommt zuerst ein E-Bike, weil der Mann auf Radtouren schneller ist. Er selbst holt sich dann sehr bald auch eins." Als Paar ohne E-Bike sei man im Bekanntenkreis ganz schnell raus - "man wird dann einfach nicht mehr gefragt, ob man bei Touren mitfahren will".

Die Fahrradhändler haben die Beobachtung gemacht, dass nicht nur bei den Älteren die Wahl aufs E-Bike fällt: Auch junge Leute mit Knie-Problemen seien dadurch zum Beispiel wieder wesentlich mobiler. Maik Bormann hat sogar die Erfahrung gemacht, dass für die meisten Kunden über 30 Jahren fast nur noch E-Bikes als Neuanschaffung infrage kämen.

Leasing-Angebote für E-Bikes locken

Einen Riesen-Schub geben dem E-Bike die Leasing-Angebote über den Arbeitgeber, wie zum Beispiel das Jobrad; da sind sich alle Fahrrad-Händler einig. "Gäbe es diese Angebote nicht, würden wir um die 70 Prozent weniger E-Bikes verkaufen", so Weser. In Großenhain sieht das anders aus, berichtet Maik Bormann. "Wir haben viel ältere Kundschaft, die sind aus dem Leasing raus und holen sich trotzdem E-Bikes."

Momentan sei die Kaufkraft generell sehr ausgebremst, sagt Ronald Weser. "Wenn man überlegt, wie man Heizkosten und Benzin bezahlen soll, kauft man sich nicht so schnell nebenbei ein Fahrrad." Genau das mache den Reiz der Leasing-Angebote aus, dass man damit, ohne eine große Summe auf den Tisch zu legen, sofort mit einem Fahrzeug das Geschäft verlassen kann. "Das ist was anderes, als wenn man drei- bis viertausend Euro auf einmal hinblättern müsste", soviel koste ein gutes E-Bike im Durchschnitt.

Akku-Reichweiten bis zu 200 Kilometer

Herkömmliche Drahtesel gehen noch gut in der Großstadt, beobachtet Mario Warnke von der "Fahrradkette" in Coswig. Außer bei Lastenrädern; auch dort gewinne in den letzten Jahren die E-Mobilität. Grundsätzlich gäbe es inzwischen jedes Fahrrad als elektrische Variante - egal, ob Mountainbike, Renn- oder Trekkingrad. "Angefangen hat alles mit dem klassischen City-Rad. Da ging es darum, dass man seinen Einkauf nicht den Berg hochschieben wollte."

Was tut sich aktuell auf dem Markt? "Es gibt unheimlich viel Innovation, die E-Räder werden permanent technisch angepasst, was Leistungsfähigkeit und Reichweite betrifft", so Warnke. Die Reichweite von E-Bike-Akkus liege derzeit bei 150 bis 200 Kilometern. "Was Antriebssysteme betrifft - da kommen 2023 tolle Neuigkeiten." Im klassischen Fahrradbereich sei die Entwicklung nicht so rasant, egal, ob es um Farben oder Formen ginge. Ein Trend in diesem Segment sei das Gravel Bike: "Sieht aus wie ein Rennrad, ist aber geländegängig", erklärt Warnke.

Ein Ende des Fahrrad-Booms ist nicht abzusehen; ein Ende des Wartens aufs Wunschrad allerdings schon, mutmaßt Ronald Weser: "Es wird ja bereits seit einer Weile wieder rund um die Uhr produziert."