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Kreisräte streiten in Riesa über Windkraftanlagen

Die AfD verlangt vom Landrat, sich für strikte Windrad-Auflagen einzusetzen. Die Grünen halten das für populistisch. Die CDU setzt auf Vertagung.

Von Christoph Scharf
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Der Windpark zwischen Streumen und Glaubitz ist der größte im Kreis Meißen.
Der Windpark zwischen Streumen und Glaubitz ist der größte im Kreis Meißen. © Matthias Seifert

Riesa. 1.000 Meter Abstand bis zur nächsten Wohnbebauung, keine Windräder im Wald: Mit diesem Thema soll Landrat Ralf Hänsel (CDU) in Dresden vorstellig werden. Das sieht ein Antrag der AfD-Kreistagsfraktion vor, der bei der Sitzung am Donnerstag für eine Debatte sorgte. Die AfD verlangt, dass der Landrat bei der Staatsregierung "schnellstmöglich Rechtssicherheit bei der Errichtung von Windkraftanlagen" einfordert, wie es im Antrag heißt. Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag, in dem von 1.000 Metern ohnehin die Rede sei, ebenso wie von den sächsischen Wäldern. Eine gesetzliche Grundlage dafür sei aber längst überfällig, um Rechtssicherheit für die Bürger zu erhalten.

Außerdem fordert die AfD, dass der Landrat sich für die sogenannte 10H-Regelung stark macht - also einen Mindestabstand vom Zehnfachen der Höhe des Windrads zur nächsten Wohnbebauung. "Ob massenhaft getötete Vögel und Insekten, ob Schallwellen oder den Schattenwurf auf den Grundstücken: Ich kenne niemandem im ländlichen Umfeld, der von neuen und größeren Windrädern begeistert ist", sagt Christian Reck, AfD-Kreisrat aus Nauwalde bei Gröditz. "Abgesehen natürlich von Landeigentümern, die ihre Fläche für Windparks verpachten."

Als Kommunalpolitiker seien Kreisräte die Ersten, die dem Bürger beim Thema Windkraft ins Auge sehen müssten, sagt Reck.

In der Begründung zum Antrag heißt es, dass die Landesregierung den 1.000-Meter-Abstand zwar im Koalitionsvertrag stehen hat - aber das bis heute nicht gesetzlich verankert hat. Dadurch trete das Bundesrecht des Immissionsschutzgesetzes ein, das keine Abstandsvorgaben beinhalte. "Infolge dieser rechtlichen Grauzone planen Unternehmen in ganz Sachsen die Errichtung neuer Windkraftanlagen in erheblich kürzerer Distanz zur Wohnbebauung als 1.000 Meter", schreibt AfD-Kreisrätin Angelika Meyer-Overheu. Das sei unzumutbar für Anwohner und gesundheitsschädlich für Mensch und Tier.

Martin Wengenmayr von der Fraktion Grüne/SPD bezeichnet den AfD-Antrag als "Sammlung von Halbwahrheiten und bewussten Falschaussagen". So argumentiere der Antrag von einem 1.000-Meter-Abstand zur "nächstgelegenen Wohnbebauung unabhängig von der Anzahl der Wohnungen". Tatsächlich sei eine Wohnbebauung im Sinne des Baugesetzbuchs nicht schon mit einem einzelnen Bauernhof gegeben, sondern müsse "von einigem Gewicht sein, nach einschlägiger Rechtsprechung in der Regel ab vier Wohnhäusern". Das wisse auch die AfD - und habe deshalb in den Antrag zusätzliche Halbsätze wie "unabhängig von der Anzahl der Wohnungen" oder "unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der dort aktuell gemeldeten Personen" eingefügt.

"Die leerstehende Ruine eines ehemaligen Gehöfts soll damit künftig den Bau und sogar die Modernisierung von Windkraftanlagen verhindern", argumentiert der Grünen-Kreisrat aus Coswig. "Nach unserem Eindruck geht es hier ausschließlich um die Verhinderung von Windkraftnutzung zugunsten von Kohleverstromung und nicht um den Schutz von Menschen, Flora und Fauna, verbunden mit einer gewohnt populistischen Argumentation."

Bei der Sitzung der Meißner Kreisräte am Donnerstag im Riesaer Stern herrschte Maskenpflicht.
Bei der Sitzung der Meißner Kreisräte am Donnerstag im Riesaer Stern herrschte Maskenpflicht. © Matthias Seifert

Die AfD argumentiere mit "völlig überzogenen Gefahren" durch Windkraft. So sei der Infraschall bei einer Autofahrt gefährlicher als der von einem Windrad, sagt Martin Wengenmayr. Durch Kollisionen mit Glasscheiben, Hauskatzen oder den Verkehr würden viel mehr Vögel sterben als durch Windräder. Man könne die negativen Auswirkungen von Windenergienutzung durch technische und planerische Vorkehrungen so stark reduzieren, "dass Windkraft mit großem Abstand die nachhaltigste Art der Energiegewinnung darstellt".

Am Ende stimmen die Kreisräte gar nicht über den AfD-Antrag ab, weil noch ein Antrag zur Geschäftsordnung dazwischen kommt: Für die CDU-Fraktion beantragt Bert Wendsche eine Vertagung des Antrags in den Technischen Ausschuss. "Weil es gerade viele Entwicklungen auf Landes- und Bundesebene gibt, wollen wir uns qualifiziert bei diesem Thema beteiligen." In der CDU-Fraktion habe man sich ohnehin schon mit diesem Thema beschäftigt. Auch Sven Mißbach (Fraktion Freie Wähler) hält das Anliegen für wichtig, plädiert aber für eine Vertagung. "Bürgermeister und Kreisverwaltung sollten sich zunächst dazu abstimmen."

Auch die AfD ist einverstanden: "Mit einer Vertagung geben wir unserem Antrag etwas mehr Zeit", sagt Julien Wiesemann, AfD-Kreisrat aus Nossen. Mit großer Mehrheit wird das Thema in den Ausschuss verwiesen, Gegenstimmen kommen im Wesentlichen aus der Grünen/SPD-Fraktion.

Aktuell verzeichnet ein Online-Portal des Freistaats Sachsen im Landkreis Meißen größere Windkraft-Standorte vor allem zwischen Glaubitz und Wülknitz im Norden des Landkreises sowie bei Nossen ganz im Süden. Bei Wülknitz sind 16 Anlagen verzeichnet, darunter auch welche der größten Klasse mit mehr als zwei Megawatt Leistung. In Nossen sind es zwölf bei Wendischbora, fünf nahe Katzenberg, außerdem vier bei Graupzig. Weitere Standorte gibt es bei Klipphausen (5), Garsebach (2), Lommatzsch (9), Wölkisch (10), Mautitz/Bloßwitz (11). In der Region Radebeul, Coswig, Großenhain spielen Windparks dagegen bislang keine Rolle.