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Stadtrat kritisiert Riesas Flüchtlingspolitik

Riesa müsse viel mehr um die Menschen aus der Ukraine werben, findet Markus Mütsch. Auch eine Aussage des Oberbürgermeisters frustriert ihn.

Von Stefan Lehmann
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Markus Mütsch - hier 2020 im SZ-Interview - wettert gegen die Flüchtlingspolitik der Stadt.
Markus Mütsch - hier 2020 im SZ-Interview - wettert gegen die Flüchtlingspolitik der Stadt. © Klaus-Dieter Brühl

Riesa. Der Riesaer Stadtrat Markus Mütsch (Fraktion Gemeinsam für Riesa) hat sich kritisch zur Flüchtlingspolitik der Stadtverwaltung geäußert. Er wünsche sich, dass insbesondere Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) deutlich aktiver um die Unterbringung von Familien aus der Ukraine wirbt. "Andere Bürgermeister gehen wesentlich forscher an das Thema", so Mütsch. Er denke da etwa an das Beispiel Radebeul, das unter anderem die Verbindung zu seiner ukrainischen Partnerstadt nutze, um Menschen zu helfen.

Marco Müller hält dagegen: Die Stadt Riesa bringe sich sehr wohl aktiv ein. Er verweist etwa auf die 50 Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaft, die derzeit zur Aufnahme hergerichtet werden. "Außerdem vermittle ich im Hintergrund ständig eine Vielzahl von Kontakten und Patenschaften – bekannterweise ist so auch die Familie in Canitz untergekommen", so Müller. Erst am Donnerstag habe er mithilfe von Unterstützern organisiert, "dass eine weitere Mutter mit zwei kleinen Kindern am Wochenende aus Breslau nach Riesa kommen kann und hier eine Bleibe findet".

Anlass für Mütschs Kritik war auch eine Aussage des Riesaer Oberbürgermeisters Anfang des Jahres im Stadtrat. Müller hatte damals öffentlich erklärt, er habe beim Landratsamt um eine fairere Verteilung von Flüchtlingen gebeten. Mütsch bezeichnet diese Haltung als unsinnig. Für die Unterbringungskosten komme ohnehin der Landkreis auf. Statt Flüchtlinge als Bürde zu sehen, müsse das Stadtoberhaupt vielmehr die positiven Aspekte von Zuwanderung in den Vordergrund stellen - gerade angesichts der schrumpfenden Stadt. "In erster Linie können sie ein Gewinn für die Gesellschaft sein, wenn die politisch Verantwortlichen, in diesem Fall der Riesaer Oberbürgermeister, die richtigen Schlüsse daraus ziehen würden."

An der Grundaussage aus dem Stadtrat hält Marco Müller nach wie vor fest. Die Flüchtlingskrisen seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Lasten müssten gemeinsam und solidarisch getragen werden. "Dazu gehört aus meiner Sicht eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen." Im Rahmen der Zuwanderung 2015 habe das Landratsamt dreimal so viele Flüchtlinge nach Riesa abverteilt wie nach Weinböhla, Nossen und Radebeul zusammengenommen. "Hier sehe ich ein deutliches Ungleichgewicht – und das habe ich gegenüber dem Landratsamt auch mehrfach kritisiert."

Einig sind sich Mütsch und Müller dagegen in der Hoffnung darauf, dass Riesa von den Geflüchteten profitieren kann. "Wenn wir den Flüchtlingen, die meist gut ausgebildet, integrations- und arbeitswillig sind, eine Perspektive in unserer Stadt aufzeigen, bleibt der eine oder andere uns vielleicht dauerhaft erhalten", so Müllers Hoffnung. "Dass wir einen massiven Mangel an Arbeits- und Fachkräften in allen Bereichen haben, ist kein Geheimnis."

Nach Angaben des Landratsamtes waren Ende Februar 2022 kreisweit 1.385 Personen in Asylunterkünften untergebracht, davon 453 in Riesa. Von den fast 1.000 ukrainischen Flüchtlingen im Landkreis waren bis zur dritten Märzwoche lediglich 47 in Riesa gemeldet.