Riesa. Im Sommer 2011 waren die Männer von der Initiative "B 169 jetzt" noch stolz: Da war ein Teil der neuen B 169 zwischen Riesa und Seerhausen gerade fertig geworden. Knapp zehn Jahre später ist einer von ihnen - Dirk Zschoke - zum Bürgermeister in Stauchitz gewählt worden. Kurt Hähnichen und Matthias Mückel melden sich regelmäßig für das Wirtschaftsforum Riesa zu Wort. Die neue B-169-Trasse aber endet nach wie vor bei Seerhausen auf dem Acker.
Der Weiterbau des Autobahnzubringers zur A 14 war nur einer der zehn Punkte, die Kurt Hähnichen als Chef des Riesaer Handels- und Gewerbevereins (HGV) damals als "zehn Zukunftsvisionen" für Riesa in der SZ vorstellte. Knapp ein Jahrzehnt später schaut er zurück, was davon geworden ist - und was nicht.
Vision 1: Der Rathausplatz und Kaffee Starke
2011 war die stadtbildprägende frühere Rösterei "Kaffee Starke" noch eine Ruine. Der HGV wünschte sich eine Sanierung des Eckhauses am Rathausplatz; außerdem die Erneuerung des kompletten Rathausplatzes. Diese Vision hat sich erfüllt: Mit Fördergeld vom Freistaat für den Tag der Sachsen 2019 konnten beide Projekte geschafft werden. Der Rathausplatz ist nun auch im unteren Abschnitt neu gestaltet, Kaffee Starke wurde von der stadteigenen Wohnungsgesellschaft WGR saniert. Dort sind mehrere neue Wohnungen und Flächen für die neue Geschäftsstelle des SC Riesa entstanden. "Schade nur, dass es mit unserem eigentlichen Ziel nicht geklappt hat", sagt Kurt Hähnichen. "Wir hätten dort sehr gern ein Handwerkermuseum drin gehabt." Fazit trotzdem: Vision erfüllt

Vision 2: Die Hauptstraße als geschlossene Händlermeile
Ziel von vor zehn Jahren: Die Riesaer sollen vom Rathausplatz bis zum Riesenhügel flanieren und einkaufen können. Zwar hat die Stadt mittlerweile mit viel Geld den Abschnitt zwischen Rathausplatz und Niederlagstraße neu möbliert - mit Sitzbänken, Spielgeräten, großen Pflanzkübeln. Nach wie vor prägen vor allem dort aber etliche leere Schaufensterscheiben das Stadtbild, auch wenn einzelne Handelsflächen bereits in Büroflächen umgenutzt wurden. "Ziel war eigentlich, die Geschäfte in Riesa zu verdichten", sagt Kurt Hähnichen. Fazit: Das hat nicht geklappt.

Vision 3: Das Stadtmuseum an die Hauptstraße anbinden
Für den Abschnitt zwischen Külz-Straße und Poppitzer Platz hatte der HGV vor einem Jahrzehnt ein ehrgeiziges Ziel: "Die Poppitzer Straße soll beleuchtet und als Boulevard gestaltet werden, um das Museum näher an die Innenstadt heranzuholen." Das sei schon damals Thema im Bauausschuss gewesen, erinnert sich der langjährige CDU-Stadtrat. Auch Jahre später ist der Abschnitt allerdings eine Holperpiste, die wenig zum Flanieren einlädt - und von Autofahrern allenfalls als Abkürzung genutzt wird. "Das Stück wird sicher attraktiver, wenn es mit der benachbarten Brauereisiedlung losgegangen ist", sagt Kurt Hähnichen. Und für eine Brache schräg gegenüber gibt es nach wie vor Pläne für einen Einkaufsmarkt. Fazit: Diese Vision braucht noch Zeit.

Vision 4: Der Stadtpark als Oase der Sinne
An Freibad, Konzertmuschel und Imbiss im Stadtpark erinnern sich viele Riesaer noch heute. Tatsächlich gibt es heute nicht einmal mehr einen Spielplatz im Stadtpark. Das Letzte, was dort zuletzt enthüllt wurde, war ein sogenannter Point de vue - eine Steinsäule als Blickfang unterhalb der Freitreppe. Dass sich seit 2011 so wenig im Stadtpark getan hat, liegt vor allem am Hochwasser, das 2013 zum zweiten Mal die Grünanlage heimsuchte. Dementsprechend gelten Auflagen für Bauwerke im Stadtpark. "Ein Spielplatz wäre toll", sagt Kurt Hähnichen. "Aber es müssten Anlagen sein, die sich innerhalb weniger Tage wieder abbauen ließen." Fazit: Bis auf neue Sitzbänke ist im Stadtpark wenig geworden.

Vision 5: Das Volkshaus als Eingangstor der Stadt
Viele Jahrzehnte verfiel das Volkshaus an der Breitscheidstraße. Damit ist Schluss, seit der Riesaer Geschäftsmann Lutz Steinchen das denkmalgeschützte Objekt sehr aufwendig sanierte. Die Wohnungen dort sind gefragt, auch die meisten Gewerbeflächen vermietet. "Das ist wirklich toll geworden", lobt Hähnichen den Eigentümer. Auch bei der Mondscheinführung hätten Besucher gestaunt, was aus dem Volkshaus geworden sei. Fazit: Das sanierte Volkshaus ist ein echter Gewinn für das Stadtbild.

Vision 6: Die B 169 führt bis zur A 14 bei Döbeln
Sichtbar hat sich in einem Jahrzehnt an der B 169 so gut wie nichts getan: Die Neubautrasse endet seit 2011 unverändert in Seerhausen. Wann es Baurecht für den nächsten Abschnitt gibt, ist offen. Sehr schade, findet Kurt Hähnichen. "Am geplanten Freizeitpark Karls Erdbeerhof sieht man, was eine gute Autobahnanbindung für Investoren bedeutet", sagt der Riesaer. Die ursprünglich für den Dresdner Stadtrand geplante Anlage soll nun am Schnittpunkt von B 169 und A 14 bei Döbeln entstehen. Fazit: Diese Vision bleibt eine Vision.

Vision 7: Packende Spiele im sanierten Ernst-Grube-Stadion
Regelrecht euphorisch sei man gewesen, als sich die Querelen um den Fußballbetrieb zwischen SC Riesa und BSG Stahl gelöst hatten, erinnert sich Kurt Hähnichen. "Ich dachte, dass man dann mit vereinten Kräften an die Sanierung des Ernst-Grube-Stadions geht." Doch das war den Beteiligten offenbar eine Nummer zu groß: Stahl Riesa ging in die heutige Feralpi-Arena an der Teigwarenfabrik, im "Grube" blieb nur der Trainingsbetrieb der Jugendmannschaften. Damit ist es nun auch vorbei. Fazit: Für das Grube-Stadion gibt es angesichts des Sanierungsaufwands wohl keine Hoffnung mehr. Wahrscheinlicher ist, dass das Areal früher oder später mit Eigenheimen bebaut wird.

Vision 8: Riesa bekommt einen Jachthafen
Der zu DDR-Zeiten mit Aushub von der Bahnhofstraße verfüllte einstige Pionierhafen hätte mit Flutgeldern wieder vergrößert und zu einem Jachthafen ausgebaut werden können. Eine entsprechende Studie gab es seinerzeit; die Idee sah auch einen Golfplatz und eine Zusammenarbeit mit dem Flugplatz Göhlis vor, sagt der Riesaer Jens-Torsten Jacob. Fazit: Die Vision war wohl eine Nummer zu groß für Riesa.

Vision 9: Die Riesaer gehen mehr einkaufen
Der sogenannte Kaufkraftindex sollte von einer schlechten Drei auf eine sehr gute Acht steigen, wünschte sich der HGV 2011. "Tatsächlich hat es sich etwas positiv entwickelt, aber keinen Sprung nach oben gemacht", sagt Kurt Hähnichen. Die nach wie vor unterdurchschnittliche Kaufkraft in der Stadt spiegelte sich auch in den aktuellen Gutachten für den geplanten Edeka-Standort an der Pausitzer Straße wider. Fazit: Da ist noch Luft nach oben.

Vision 10: Das Rio-Gebiet als Erfolgsgeschichte
Auf der Fläche zwischen B 6 und Bloßwitz sollen sich neue Unternehmen ansiedeln, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bringen. Dafür hatten Riesa, Stauchitz und Oschatz zeitweise einen Zweckverband gegründet. Die mehr als 60 Hektar große Fläche ist aber nach wie vor Ackerland. "Es hängt am fehlenden Weiterbau der B 169", sagt Kurt Hähnichen vom Wirtschaftsforum. Fazit: Unter den derzeitigen Bedingungen wäre jede Firmenansiedlung im Rio-Gebiet eine Überraschung.

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