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Riesas Obdachlose müssen weiter frieren

Im Konflikt um den Standort eines neuen Heims gibt es nach wie vor keine Lösung. Die Leidtragenden sind die Bewohner.

Von Stefan Lehmann
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Lisa Smyrek leitet das Obdachlosenheim in Riesa. Hier steht sie in einem unbewohnten Zimmer, das als Lager dient, das Fenster ist vernagelt. Es wurde gebraucht, um ein Beschädigtes im Erdgeschoss zu ersetzen.
Lisa Smyrek leitet das Obdachlosenheim in Riesa. Hier steht sie in einem unbewohnten Zimmer, das als Lager dient, das Fenster ist vernagelt. Es wurde gebraucht, um ein Beschädigtes im Erdgeschoss zu ersetzen. © Sebastian Schultz

Riesa. Ein leichter Luftzug hat gereicht, erzählt Lisa Smyrek. "Das Fenster im Speiseraum schlug zu - und die Scheibe ging zu Bruch." Die Leiterin des Riesaer Obdachlosenheims an der Klötzerstraße steht nun in einem unbewohnten Zimmer im ersten Stock, das mit Möbeln zugestellt ist. "Den Raum nutzen wir als Lager, deshalb haben wir von hier ein Fenster aus- und unten wieder eingebaut." Im Lagerraum wurde das Fenster vernagelt. 

Die notdürftige Fensterreparatur ist eine von vielen Kleinigkeiten, mit denen sich Bewohner und Mitarbeiter des Obdachlosenheims öfter herumplagen müssen. 1999 war das Haus bezogen worden, schon damals nicht im besten Zustand. Längst merkt man dem Gebäude sein Alter an. Gerade erst wurde eine neue Stufe am Eingang gebaut. An der alten war eine Metallleiste abgebrochen, nachdem der Zement zerbröselt war. Eine Stolperfalle für die Bewohner, von denen manche nicht mehr richtig gut laufen können. Die alten Abflussleitungen verstopfen regelmäßig, ins dritte Stockwerk traut sich schon niemand mehr allein und erst recht nicht ohne Atemschutz; zu schwerwiegend ist dort nach Einschätzung der Mitarbeiter der Schimmelbefall. 

Heizung macht Probleme

Auch die Heizung wäre reparaturbedürftig. "Wir verlieren regelmäßig Wasser", erklärt Lisa Smyrek, während sie durch das Haus führt. Das wiederum führt dazu, dass in dem ohnehin schlecht isolierten und zugigen Gebäude die Heizung nur im Erdgeschoss funktioniert. Eine Fachfirma könne das zwar lösen - müsse aber quasi jede Woche im Heim vorbeischauen, weil der Fehler ständig auftritt. Der Austausch des Teils, das ihn verursacht, ist teuer, da warte man noch auf eine Lösung.  

Gerade das Heizen ist ein Problem. "Gestern kamen die ersten Bewohner und haben gefragt, ob wir bald die Heizung anstellen, weil sie letzte Nacht gefroren haben", sagt die Heimleiterin. Man könne sich zwar noch mit dickeren Decken behelfen, aber irgendwann nützt eben auch das nicht mehr. 

Der aktuelle Standort des Obdachlosenheims an der Klötzerstraße. Derzeit sind hier 24 Männer und Frauen untergebracht.
Der aktuelle Standort des Obdachlosenheims an der Klötzerstraße. Derzeit sind hier 24 Männer und Frauen untergebracht. © Sebastian Schultz
Das Fenster des Speise- und Aufenthaltsraum, das kürzlich getauscht werden musste. Generell sind viele Fenster aufgrund ihres Alters nicht mehr richtig dicht. 
Das Fenster des Speise- und Aufenthaltsraum, das kürzlich getauscht werden musste. Generell sind viele Fenster aufgrund ihres Alters nicht mehr richtig dicht.  © Sebastian Schultz
Auch den Stufen vorm Heim nagt die Witterung. Eine solche Metallleiste hat sich vor Kurzem schon abgelöst, die Stufe wurde erneuert. 
Auch den Stufen vorm Heim nagt die Witterung. Eine solche Metallleiste hat sich vor Kurzem schon abgelöst, die Stufe wurde erneuert.  © Sebastian Schultz
Blick in den Sanitärraum. Die Abflussrohre im Gebäude sind häufig verstopft, sagt Leiterin Lisa Smyrek. Auch das ist wohl der Zeit geschuldet. 
Blick in den Sanitärraum. Die Abflussrohre im Gebäude sind häufig verstopft, sagt Leiterin Lisa Smyrek. Auch das ist wohl der Zeit geschuldet.  © Sebastian Schultz
Vielleicht das schwerwiegendste Problem derzeit ist die Heizungsanlage. Weil die Wasser verliert, wird es in der oberen Etage nicht richtig warm. Ein Teil müsste getauscht werden, um dauerhaft Abhilfe zu schaffen. 
Vielleicht das schwerwiegendste Problem derzeit ist die Heizungsanlage. Weil die Wasser verliert, wird es in der oberen Etage nicht richtig warm. Ein Teil müsste getauscht werden, um dauerhaft Abhilfe zu schaffen.  © Sebastian Schultz

Eigentlich hatten nicht nur die Bewohner, sondern auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als Betreiber auf einen Umzug noch in diesem Jahr gehofft. DRK-Vorstand Falk Glombik hatte noch 2019 zur Weihnachtsfeier im Obdachlosenheim die Hoffnung geäußert, das nächste Fest vielleicht schon in der Speicherstraße verbringen zu können. Eine Hoffnung, die sich längst zerschlagen hat. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Cargill als direkter Nachbar Widerspruch gegen das Vorhaben angemeldet hatte. "Aus unserer Sicht sollten geplante neue Wohnbebauungen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Industrieanlagen erfolgen", so lautete damals die Begründung des Unternehmens. "Hier legen wir Wert auf präventiven Nachbarschaftsschutz." 

Eine Argumentation, die Falk Glombik schwer nachvollziehen kann. "Direkt gegenüber des Ölwerks, an der Friedrich-List-Straße, stehen doch auch Wohnhäuser in unmittelbarer Nähe." Trotzdem hofft der Riesaer DRK-Chef nach wie vor auf eine Lösung. Gerüchteweise sei bei Cargill zu dem Thema demnächst ein Treffen geplant, bei dem man entscheiden wolle, ob der Widerspruch aufrechterhalten wird oder nicht.  

Dieses Gebäude an der Speicherstraße soll die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) ausbauen. Problematisch ist aber ... 
Dieses Gebäude an der Speicherstraße soll die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) ausbauen. Problematisch ist aber ...  © Lutz Weidler
... die Nähe zum Ölwerk. Das Gelände schließt direkt an die Grundstücksgrenze an. Cargill geht deshalb gegen den Bauantrag vor. 
... die Nähe zum Ölwerk. Das Gelände schließt direkt an die Grundstücksgrenze an. Cargill geht deshalb gegen den Bauantrag vor.  © Foto: Lutz Weidler

Eine Cargill-Sprecherin teilt dazu lediglich mit: "Derzeit hat noch kein Treffen stattgefunden, daher gibt es zur Zeit nichts Neues zu berichten." Auch die Stadt Riesa bestätigt auf Nachfrage nur, dass in den vergangenen Monaten Gespräche in der Sache mit dem Unternehmen stattgefunden haben. "Aber aktuell gibt es dazu keine Neuigkeiten, die irgendwelche Wasserstandsmeldungen oder Spekulationen rechtfertigen", sagt Pressesprecher Uwe Päsler. 

Ein Scheitern des Umzugs wäre auch ein Minusgeschäft für die Stadt-Tochter WGR. Die Wohnungsgesellschaft hatte das Objekt in der Speicherstraße erworben. Nachdem Cargill der Baugenehmigung widersprochen hatte, ruhen die Arbeiten. Falk Glombik glaubt nicht, dass für das Gelände so schnell eine alternative Nutzung möglich wäre.  

24 Menschen bewohnen derzeit das Riesaer Obdachlosenheim. "Sie sind schon interessiert daran, wie es weitergeht, fragen auch öfter nach." Mancher helfe sich mit Galgenhumor über die Situation, aber sicher sei auch Unzufriedenheit zu spüren. Schließlich war schon der geplante Umzug an die Freitaler Straße gescheitert. In diesem Jahr jedenfalls wird es definitiv nichts mehr mit einem Umzug an die Speicherstraße - selbst, wenn doch noch grünes Licht von Cargill kommt. Denn für den Umbau des neuen Objekts veranschlagt die WGR ein halbes Jahr Bauzeit. Für die Bewohner und Mitarbeiter des Heims bleibt bis dahin nur die Hoffnung auf einen milden Winter. 

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