Kostet eine S-Bahn-Anbindung Riesa den ICE-Halt?

Riesa. Meißen, Pirna, Kamenz haben ihn schon. Riesa und Großenhain sollen ihn bekommen: einen Anschluss ans Dresdner S-Bahn-Netz. Das könnte die Region noch attraktiver für Arbeitspendler machen, auch die Bedingungen für einen abendlichen Bummel in die Landeshauptstadt könnten sich verbessern. Kein Wunder, dass die Ankündigung des Verkehrsverbunds VVO, ab 2026 das S-Bahn-Netz zu erweitern, im Elbland viele positive Reaktionen auslöste.
Ein Leser allerdings hat die Neuigkeit mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Der Oschatzer Rechtsanwalt Albert Pfeilsticker, der nach eigenen Angaben selbst regelmäßiger Bahnfahrer ist.
Seine Befürchtung: "Wenn zusätzliche S-Bahnen im Elbland fahren, könnte das Folgen für den Riesaer ICE-Halt haben", sagt der langjährige CDU-Stadt- und Kreisrat, der mittlerweile im Kreis Meißen wohnt.
Wie das? Pfeilsticker verweist auf eine Abmachung zwischen dem Verkehrsverbund Oberelbe und der Deutschen Bahn. Demnach zahle der Verbund jährlich einen sechsstelligen Betrag an die Sparte Fernverkehr, damit Inhaber von Monats- oder anderen Zeitkarten des VVO zwischen Riesa und Dresden auch den Intercity nutzen dürfen. "Das sichert dem Fernverkehr eine feste Einnahmequelle", sagt Albert Pfeilsticker. "Fällt dieser Betrag weg und wird stattdessen für den Nahverkehr ausgegeben, könnte der IC-Halt in Riesa wackeln."
Schließlich sei Riesa der kleinste Halt auf der ganzen Strecke zwischen Dresden und Wiesbaden, sagt der Anwalt – der selbst die Riesaer Fernverkehrsanbindung regelmäßig für private und dienstliche Zwecke nutzt.
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Der Verkehrsverbund bestätigt, pro Jahr einen sechsstelligen Betrag an die DB AG zu zahlen. Das Angebot, mit VVO-Zeitkarten mit ICs und ICEs fahren zu können, sei vor Corona von den Pendlern gut genutzt worden, heißt es vom Verbund. Aktuelle Zahlen habe man aufgrund der Pandemie allerdings nicht vorliegen.
Ob diese Ausgleichszahlung wegfallen würde, wenn Riesa ans S-Bahn-Netz kommt, lasse sich so nicht beantworten. "Die Frage ist hypothetischer Natur, da die S-Bahn S 5 noch unter dem Vorbehalt der Finanzierung steht", sagt VVO-Sprecher Christian Schlemper. Der Verbund halte jedoch am Fernverkehrsangebot fest, da man das als Ergänzung des schnellen Regionalexpresses sehe. "Die etwas langsamere S-Bahn erfüllt auch den Zweck der Erschließung der Bahnhöfe in der Fläche", sagt Schlemper.
Die Bahn selbst möchte sich zu Vertragsdetails mit dem VVO nicht äußern, bestätigt aber, dass die Fernverkehrs-Regelung für VVO-Kunden bereits seit 2014 gilt. Zu Auslastungsgründen mache man keine Angaben – aus Wettbewerbsgründen. Allerdings sei die für die Strecke Riesa-Dresden geltende Regelung kein einzigartiger Fall: "Bundesweit gibt es zahlreiche Streckenabschnitte, auf denen Fahrscheine des Nahverkehrs in Fernverkehrszügen anerkannt werden", sagt Bahnsprecher Jörg Bönisch.
Ähnliches gäbe es zwischen Rostock und Stralsund, Berlin und Elsterwerda oder zwischen Norddeich, Emden und Bremen.
Angesprochen auf einen möglichen Wegfall der Ausgleichszahlung betont die Bahn, dass der stündliche Fernverkehrshalt in Riesa "gemäß derzeitigem Planungsstand" auch mittel- bis langfristig weiterhin vorgesehen sei. Auch in den Planungen des sogenannten Deutschlandtakts seien ähnliche Taktzeiten wie heute vorgesehen.
Riesa sei ein für die Region wichtiger Umsteigebahnhof – etwa in und aus Richtung Elsterwerda oder Chemnitz.
Auf einen anderen Aspekt verweist Riesas Rathaussprecher: "Bekanntlich investiert die Deutsche Bahn derzeit in erheblicher Größenordnung in den gesamten Ausbau des Gleisnetzes am wichtigen Bahnknoten Riesa. Dazu gehört unter anderem der Ausbau der Bahnsteige in Länge und Einsteigehöhe passend für neuen Generationen der ICE. Diese konkreten Vorhaben sprechen sehr eindeutig für den ICE-Halt Riesa auch in Zukunft", sagt Uwe Päsler.
Für Riesa und die Menschen der Region seien sowohl der ICE-Halt als auch die S-Bahn-Taktung wichtig, die sich gegenseitig ergänzen sollen. "Wir sind dazu regelmäßig schon seit Jahren und auch weiterhin mit den Entscheidungsträgern von DB und VVO im Kontakt und haben immer für die nun beabsichtigte Lösung geworben", sagt Päsler. "Bedenkenträger, die hinter diesen positiven Entwicklungen sofort wieder Probleme wittern, sind dabei kaum hilfreich."
Der Landkreis Meißen und die Stadt Riesa hätten in den zurückliegenden Jahren alles unternommen, damit der ICE-Halt in Riesa verbleibt, heißt es aus dem Meißner Landratsamt. "Unterstützung kam dabei auch durch den Freistaat Sachsen, der als Bundesland wohl über die wenigsten ICE-Halte bezogen auf seine Siedlungsstruktur verfügt und darum interessiert ist, weitere Städte an das ICE-Netz anzubinden", sagt Kreis-Sprecherin Anja Schmiedgen-Pietsch. Hinzu komme die hohe Dichte von großen Industrieunternehmen mit deutschlandweiten und internationalen Eigentümern und Gesellschaften, für die der ICE-Anschluss ein Standortfaktor sei.
Auch wegen des Themas Mobilitätswende gewinne die Bahn bei Personen- und Gütertransporten an Bedeutung. "Der Landkreis Meißen geht deshalb nicht davon aus, dass eine Verdichtung der Nahverkehrsangebote im VVO den Fernverkehrshalt gefährdet und wird sich immer für beide berechtigte Angebotsformen einsetzen", so die Sprecherin.
Albert Pfeilsticker verweist jedenfalls darauf, dass für Pendler zumindest aus Riesa IC und ICE attraktiver seien als die S-Bahn: Braucht man mit dem ICE bis zum Dresdner Hauptbahnhof 35 Minuten, sind es beim Regionalexpress zwölf Minuten länger. Die S-Bahn dürfte noch einmal etwas langsamer sein. Dafür würden die geplanten S-Bahnen die Taktung erheblich verbessern: Die S 5 Riesa-Dresden soll entsprechend des ausgeschriebenen Fahrplans vorerst mit täglich sieben Zugpaaren in Ergänzung des stündlichen RE 50 verkehren, heißt es vom VVO. Die nach Großenhain geplante S 6 soll montags bis freitags mit 20 Zugpaaren fahren, am Wochenende mit 19.