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Wenn älteren Herren der Kamm schwillt

Ein 62-jähriger Riesaer betätigt sich ungefragt als Hilfspolizist und bricht mit seinem rabiaten Auftreten eine Schlägerei vom Zaun.

Von Manfred Müller
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Mit einer Gehhilfe beharkten sich 2021 in Riesa-Weida zwei Männer fortgeschrittenen Alters am Rande eines Blaulicht-Einsatzes. Der Fall landete vor Gericht.
Mit einer Gehhilfe beharkten sich 2021 in Riesa-Weida zwei Männer fortgeschrittenen Alters am Rande eines Blaulicht-Einsatzes. Der Fall landete vor Gericht. © Fotos: Sebastian Schultz, Pixaba

Riesa. Dass ein Krückstock als gefährliches Werkzeug eingestuft wird und sein Besitzer wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht, dürfte eher Seltenheitswert haben. Das umso mehr, als der Angeklagte angibt, zu 80 Prozent körperbehindert zu sein.

Als er den Verhandlungssaal im Riesaer Amtsgericht betritt, kommt der 62-Jährige mit seinen beiden Gehhilfen nur mühsam voran. Das hielt ihn aber nicht davon ab, im April vorigen Jahres in Riesa-Weida den Hilfspolizisten zu spielen.

Damals hatte im Stadtteil ein Haus gebrannt, und die Feuerwehr war im Bereich Gartenstraße/Lange Straße zugange. Nachdem der Brand gelöscht war, mussten die Fahrzeuge beim Abrücken an der Straßeneinmündung etwas rangieren.

Dadurch stockte der Verkehr, und auch die Fußgänger blieben stehen, um die Feuerwehrleute beim Wegfahren nicht zu behindern. Der Angeklagte – nennen wir ihn Rudolf R.* – stand mit seinem Hund an der Einmündung, als er zwei Radler bemerkte, die sich von hinten näherten. Was danach geschah, darüber gehen die Schilderungen der Beteiligten weit auseinander.

Rudolf R. schwört Stein und Bein, dass er die beiden Radfahrer, ein Ehepaar, davon abhalten wollte, den Feuerwehreinsatz zu behindern. Das sei zu ihrem eigenen Schutz passiert. Deshalb habe er mit seiner Gehhilfe den Radweg quasi abgesperrt. Daraufhin habe ihm der Mann die Krücke aus der Hand gerissen und auf ihn eingeprügelt.

Der 81-jährige Radler – er soll hier Friedhelm D.* heißen – erzählt die Geschichte im Zeugenstand ganz anders. Das Feuerwehrauto hätte die Einmündung bereits passiert gehabt, sodass der Verkehr wieder anrollte. Trotzdem sei er im Vorbeifahren vom Angeklagten gepackt und von Rad gezerrt worden.

Unbestritten ist, dass es danach zu einem Handgemenge kam, bei dem beide Kontrahenten zuschlugen. Auch Friedhelm D.s Frau wurde in die Auseinandersetzung verwickelt. Sie versuchte, die Szene mit dem Handy aufzunehmen und soll dabei mit der Gehhilfe auf den Handrücken geschlagen worden sein. Allerdings kann sie sich im Zeugenstand nicht mehr wirklich an den Schlag erinnern.

Aufgrund der unterschiedlichen Erzählung muss das Gericht den Tathergang nun anhand von Indizien nachzuvollziehen. Und da gibt es eben ein Handyfoto, das Rudolf R. mit drohend erhobenem Krückstock zeigt. Auf der anderen Seite hat die Polizei blaue Flecken an den Armen des Angeklagten dokumentiert. Ja, gibt Radfahrer Friedhelm D. zu, Rudolf R.s Gehhilfe sei bei der Rangelei zu Boden gefallen. Er habe sie dann aufgehoben und in einer Notwehrhandlung damit zurückgeschlagen.

Beim Blick in Rudolf R.s Vorstrafenregister stellt sich heraus, dass dem Riesaer nicht das erste Mal die Sicherungen durchgebrannt sind. Er stand bereits mehrfach wegen Beleidigung, Bedrohung und Nötigung vor Gericht. Einmal auch wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Weil er diesmal seinen Krückstock als Waffe einsetzte, kommt nun noch gefährliche Körperverletzung hinzu. Dafür ist eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten vorgesehen. Die bekommt der 62-Jährige auch aufgebrummt – allerdings ausgesetzt zur Bewährung. Wegen Rudolf R.s cholerischem Temperament legt Richter Alexander Schreiber eine ungewöhnlich lange Bewährungszeit von drei Jahren fest.

*Name geändert